Herabstufung und Zunahme der Staatsschuld
Ratingagenturen verarbeiten Informationen über die politische, wirtschaftliche und finanzielle Lage eines Staates in ein einfaches Signal für Anleger. Sie erleichtern damit vor allem grenzüberschreitende Investitionen. Ratings konnten in einigen empirischen Untersuchungen als Ursache für die Ausweitung des Zinsabstandes zu einem Vergleichsland mit sicherer Veranlagungsmöglichkeit identifiziert werden. Andererseits zeigen etliche empirische Untersuchungen einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen Fundamentaldaten über die fiskalpolitische Lage eines Landes und dem Zinsabstand zu einem Vergleichsland mit sicheren Veranlagungsmöglichkeiten.
Fehler verunsichern Kapitalmärkte
Die Möglichkeit der Auslösung eines selbstverstärkenden Prozesses aus Zinssatzsteigerungen und Herabstufungen erfordert während der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum erhöhte Aufmerksamkeit, vor allem weil in der Vergangenheit immer wieder Ratingfehler auftraten. Der Anstieg der Zinssätze für Staatsanleihen ist einerseits ein Marktsignal für schwindendes Vertrauen in die Rückzahlungsfähigkeit eines Staates, andererseits erschwert er die Budgetsanierung durch die damit verbundene Zunahme des Zinsaufwandes.
Ratingagenturen verstärken Trends – sie machen sie nicht
Die WIFO-Auswertung von Ratingänderungen für vier Länder an der Peripherie des Euro-Raumes (Griechenland, Irland, Spanien, Portugal) bestätigt andere empirische Untersuchungen. Ratingänderungen reagieren demnach signifikant und überproportional auf eine Erhöhung des Zinsabstandes zwischen diesen Ländern und Deutschland; Herabstufungen erfolgten in der Staatsschuldenkrise seit 2010 signifikant häufiger und fielen deutlich geringer aus als in ruhigen Perioden. Weiters besteht unter den Ratingagenturen ein Herdentrieb: Agenturen passen ihr eigenes Rating tendenziell in Richtung der anderen Agenturen an. Eine Ausweitung des Zinsabstandes zu Deutschland um l Prozentpunkt hat im Durchschnitt eine Herabstufung des Ratings um 1,3 Punkte zur Folge. Abbildung l zeigt deutlich den negativen Zusammenhang. Umgekehrt verursachen Ratinganpassungen in den Folgeperioden eine Ausweitung des Zinsabstandes zu Deutschland, wobei eine Herabstufung um 1 Punkt das Zinsdifferential um 0,2 Prozentpunkte vergrößert. Abbildung 2 zeigt den negativen, aber deutlich schwächeren Zusammenhang der Rückkoppelung. Ratingänderungen erfolgen, wie die Untersuchung zeigt, in der Regel nach einer Veränderung des Zinsabstandes und überproportional. Die Rückkoppelung des Zinsabstandes mit den Ratings ist aber zu klein für einen selbstverstärkenden Prozess. Die Einschätzung durch die Ratingagenturen hat laut WIFO in der aktuellen Staatsschuldenkrise keine destabilisierende Wirkung, im Gegenfeil: die zeitliche Abfolge von Zinssatz- und Ratingänderungen legt in der WIFO-Analyse die Schlussfolgerung nahe, die Ratingagenturen würden eher im Sog der Staatsschuldenkrise agieren.