London/Wien (APA/dpa/red) – Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat am Freitagabend die Bonität von neun EU-Staaten auf einmal gesenkt. Österreich und Frankreich verloren ihre Bestnote AAA und fielen um eine Stufe auf AA+. Auch Italien, Spanien, Portugal, Zypern, Malta, die Slowakei und Slowenien erhielten schlechtere Noten. Dabei rutschten Italien, Spanien und Portugal bei S&P sogar um zwei Stufen ab. Bis 2015 benötigt Österreich 100 Mrd. Euro von den Kapitalmärkten. Lesen Sie den S&P-Originalwortlaut sowie die aktuelle Rating-Liste.
Standard & Poor’s-Begründung im Wortlaut:
Primary Credit Analyst Moritz Krämer aus Frankfurt und Secondary Anlayst Frank Gill in London fassen in ihrer Aussendung die Gründe für ihre aufsehenerregende Entscheidung zusammen:
- In our view, the policy initiatives taken by European policymakers in recent weeks may be insufficient to fully address ongoing systemic stresses in the eurozone.
- We are lowering our long-term ratings on nine eurozone sovereigns and affirming the ratings on seven.
- The outlooks on our ratings on all but two of the 16 eurozone sovereigns are negative. The ratings on all 16 sovereigns have been removed from CreditWatch, where they were placed with negative implications on Dec. 5, 2011 (except for Cyprus, which was first placed on CreditWatch on Aug. 12, 2011).
Deutschland bleibt Vorbild
Deutschland steht nach Einschätzung von S&P zwar hervorragend da, doch dies könnte nach Einschätzung von Beobachtern auch dazu führen, dass es einen noch höheren Beitrag zur Euro-Rettung zahlen muss als bisher. Die Abstufung Österreichs von AAA auf AA+ „spiegelt Auswirkungen sich vertiefender politischer, externer, und monetärer Probleme innerhalb der EU und der Eurozone wider, in die Österreich eng eingebunden ist“ schreibt die Ratingagentur Standards & Poor’s in der Begründung ihrer Österreich-Entscheidung. Der Ausblick wird auf negativ gesetzt: „Dies weist darauf hin, dass für eine weitere Herabstufung des Ratings in 2012 oder 2013 eine Wahrscheinlichkeit von mindestens einem Drittel besteht.“
Bis 2015 muss Österreich 100 Mrd. Euro refinanzieren
Der Verlust der besten Bonitätsstufe bedeutet für Österreich schwierigere Refinanzierungsbedingungen. Aktuell verfügt Österreich über Schulden in der Höhe von 218 Mrd. Euro oder knapp 75 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bis 2015 benötigt Österreich 100 Mrd. Euro von den Kapitalmärkten, um auslaufende Staatsanleihen refinanzieren zu können. Bei steigenden Zinsen erhöht sich die Rückzahlungslast.
Erste Warnungen vor Weihnachten
Standard & Poor’s hatte bereits Anfang Dezember vor der Herabstufung mehrerer Staaten gewarnt und 15 Euroländer mit einem negativen Ausblick versehen. Um Spekulationen zu vermeiden, kündigte S & P bereits damals an, die Ergebnisse für alle betroffenen Länder innerhalb von 90 Tagen bekanntzugeben.
Negativer Ausblick für Österreich
Österreich habe sein Top-Rating vor allem wegen der engen Verflechtung mit Ungarn und Italien und den wirtschaftlichen Problemen in diesen beiden Staaten verloren, sagte Finanzministerin Fekter zur APA. Sollte es bei der Bank-Austria-Mutter UniCredit „etwas geben“, würden milliardenschwere Haftungen der Gemeinde Wien schlagend, was den Staatshaushalt belasten würde. Sollte Österreichs Verschuldung – die derzeit bei rund 72 Prozent des BIP liegt – über 80 Prozent steigen, dann würde S&P eine weitere Abwertung der Bonität vornehmen, so Fekter. Die Chance auf eine Abstufung werde von S&P mit 1:3 angegeben.
Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger bezeichneten die Abstufung als unverständlich. In einer gemeinsamen Pressemitteilung sprachen sie von einem Alleingang, verwiesen auf das Festhalten der Agenturen Moody’s und Fitch am Triple-A-Rating und kritisierten die ungleiche Behandlung einzelner Eurozonen-Mitgliedsstaaten durch S&P. Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny wertete die Herabstufungen durch S&P als „spektakuläre Demonstration gegenüber dem Euroraum“. S&P wolle damit darauf hinweisen, dass die Finanzstabilisierung im Euro-Raum zu langsam verlaufe.
D, NL, LUX und FIN bleiben Top-geratet
Neben Österreich und Frankreich stufte S&P am Freitagabend auch Italien, Spanien, Portugal, die Slowakei, Slowenien, Malta und Zypern herab. Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und Finnland bewertet die Agentur weiter mit der Spitzennote AAA. Außer für Deutschland und die Slowakei sieht Standard & Poor’s den Ausblick für die Bonität aller Euro-Staaten negativ, auch von Finnland, Luxemburg und die Niederlande. Frankreich hat nicht nur seine Spitzennote verloren, der negative Ausblick lässt eine weitere Abstufung in der Zukunft erwarten. Dies gilt als problematisch, weil die Herabstufung Frankreichs auch Auswirkungen auf den Rettungsfonds EFSF für Krisenstaaten haben könnte. Schwierigkeiten gibt es derzeit auch in Griechenland, wo der geplante Schuldenschnitt mit Bankenbeteiligung noch nicht unter Dach und Fach ist, und bei den Vorbereitungen für einen Fiskalpakt.
Die Wiener Tageszeitung „Die Presse“ illustriert die europäischen Länderratings in einer grafischen Darstellung.