- Pillen werden für Hersteller bitterer (c) APA
(02.05.2012) Wien/APA – Die Pharmaindustrie befindet sich international in einem Umbruch. Weltweit schließen die großen Konzerne aus Spargründen Forschungszentren mit mehreren tausend High Tech-Arbeitsplätzen, erzählt Richard Bergström, Generaldirektor des Europäischen Pharma-Fachverbandes (EFPIA). Man müsse das Innovationspotenzial der Branche schützen, sagte er bei einem Hintergundgespräch in Wien gegenüber der APA. Weltweit werden von den Konzernen Forschungszentren zugesperrt. Der ehemals weltweit größte Pharmakonzern, Pfizer, verliert mit dem Patentschutz für einen Cholesterinsenker etwa die Hälfte seines Umsatzes.
Branche redimensioniert
Die Zeit der einfach und breit verschreibbaren „Blockbuster“-Medikamente mit einem Umsatz von mindestens einer Milliarde US-Dollar ist vorbei. „Wir befinden uns in sehr schwierigen Zeiten. Einerseits sind die Wissenschafter in unseren Labors derzeit ganz aufgeregt, weil es eine echte Chancen für eine personalisierte Medizin gibt. Ein Beispiel: Schizophrenie ist nicht mehr eine Krankheit, sondern es handelt sich eigentlich um fünf verschiedene. Jetzt kommt die Zeit, in der man gezielt behandeln können wird. Aber auf der anderen Seite erwischt uns die Finanzkrise zur gänzlich falschen Zeit – und viele unserer größten Produkte verlieren den Patentschutz“, sagte Bergström bei dem Gespräch aus Anlass der Generalversammlung des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig).
50 % des Pfizer-Umsatzes gehen durch Auslaufen von Patenten verloren
Ein Beispiel: Der ehemals weltweit größte Pharmakonzern, Pfizer, verliert mit dem Patentschutz für den Cholesterinsenker Lipitor/Sortis – das meistverschriebene Medikament der Welt – etwa die Hälfte seines Umsatzes. Bergström: „Da wird auch bereits in der Forschung gespart. Pfizer hat sein großes Forschungszentrum in Sandwich in Großbritannien mit 3.000 Wissenschaftern gesperrt. AstraZeneca hat ein solches Zentrum bei Stockholm mit mehr als 1.000 Forschern geschlossen. Merck-Serono schließt sein Forschungszentrum in Genf mit 1.300 Wissenschaftern.“ Dabei gelte es auch in der aktuellen Situation, die Innovationskraft möglichst zu wahren.
Auf der anderen Seite haben auch entwickelte europäische Staaten im Zuge der Finanzkrise zunehmend Probleme, ihre Pharma-Rechnungen zu bezahlen. Der EFPA-Generaldirektor: „Die Finanzkrise kommt noch zu allen anderen Problemen hinzu. Speziell in den Krisenländern sind Rechnungen für 14 Milliarden Euro für Pharmaprodukte offen. Noch einmal so viel kommen an offenen Rechnungen für Medizintechnik etc. dazu. (…) Die Pharmaindustrie versucht mit den einzelnen Regierungen Abkommen zu schließen, wie es zu einer Abdeckung kommen kann. Dahinter steht ja die Versorgung von Patienten.“
Personalisierte Medizin forcieren
Trotzdem, Innovationen seien der einzige Weg vorwärts, so Bergström. Das sei besonders in Sachen personalisierter Medizin absolut notwendig. Hier soll ein je zur Hälfte von Pharmaindustrie und EU finanziertes zwei Milliarden Euro schweres Programm zu mehr Kooperationen und neuen Ansätzen führen. Die Entwicklung zielgenauer Arzneimittel für immer enger und oft auf genetischer Basis definierte Krankheiten werde zu vom Volumen her kleineren Produkten und tendenziell höheren Preisen führen.
Neue Form der Preisgestaltung gefordert
Auf der anderen Seite – so der EFPIA-Generalsekretär – werde es auch zu neuen Entwicklungen und Regelungen bei der Preisgestaltung kommen müssen: „Die Systeme der Referenzpreise (Durchschnitt zwischen einem Länderkorb, Anm.) passt nicht. In Deutschland wird da zum Beispiel auch ein Land wie Griechenland inkludiert. Das ist inakzeptabel. Wenn ich die Wahl zwischen ‚Pest und Cholera‘ hätte, würde mir da ein System des Health Technology Assessment wie in Großbritannien besser gefallen. Aber dort wird das System gerade angepasst, weil man einsieht, dass zum Beispiel am Ende des Lebens eines Patienten auch noch andere Kriterien wichtig sein müssen und HTA nur ein Bestandteil eines Gesamtkonzeptes ist.“
Bei der Pharmig-Generalversammlung wurde von deren Präsident, Robin Rumler, speziell darauf hingewiesen, dass die Pharmaindustrie zur Finanzierung der Krankenkassen einen Solidarbeitrag von 82 Millionen Euro leiste. Man gehe hier auch in Projektförderungen neue Wege. 6,75 Millionen Euro würden beispielsweise für Aktivitäten in der Kinder- und Jugendgesundheit investiert.