Der vom demografischen Wandel verursachte Schwund an Humankapital zählt zu den wenigen exakt vorausberechenbaren Prognosen. Die tiefgreifenden Folgen dieses Vorgangs für den Alltag von morgen sind, wie das , der Bevölkerung aber noch nicht voll bewusst. Was die Österreicher bei dem kommenden Fachkräftemangel nach eigener Aussage am härtesten treffen würde, sind das Fehlen von Ärzten und Mängel in der gesundheitlichen Versorgung sowie (noch vor Apothekern, Polizisten, Hauskrankenpflegern und Handwerkern genannt) die Müllentsorger.
Nachschubprobleme
Ein Großteil der Wirtschaftsunternehmen sucht bereits händeringend qualifizierte Mitarbeiter. In Deutschland dauert die Neubesetzung eines Arbeitsplatzes im bundesweiten Durchschnitt 60 Tage; im Wohlstandsland Österreich wird es nicht viel anders sein. Das Hauptproblem des Sozialstaats ist längst nicht mehr die Bekämpfung der Armut, sondern das rapide Schrumpfen der arbeitsfähigen Bevölkerung. Von 100 neuen Bürgern, die für die rechnerische Abwehr der Vergreisung nötig wären, werden nur 65 geboren.
Geringes Bewusstsein
Das Ergebnis einer aktuellen IMAS-Untersuchung macht es schwer, diese Frage eindeutig zu bejahen. Zwar bezeichneten 48 Prozent der rund 1.000 Erwachsenen den bevorstehenden Fachkräftemangel im Gefolge der Alterung als ein großes Problem, eine bemerkenswert große Zahl von 32 Prozent hält die Gefahr jedoch für übertrieben. Das restliche Fünftel schwankt zwischen Ja und Nein. In weiterer Folge wollte das IMAS von den Befragten anhand einer Listenvorgabe wissen, auf welche Art von Fachkräften sie gegebenenfalls besonders ungern verzichten würden. Dabei zeigte sich, dass das Fehlen von zumindest sechs der zur Diskussion gestellten Berufstätigen von der Bevölkerung als sehr schmerzhaft empfunden würde.
Ärzte am schmerzlichsten vermisst
Am allerwenigsten vorstellen könnten sich die Österreicher einen Mangel an Ärzten, die im Krankheitsfall rasch zur Stelle sind: Nahezu neun von zehn der Befragten (87 Prozent) gaben zu, dass ihnen eine derartige Vision starkes Unbehagen bereitet. Als unverzichtbar gelten darüber hinaus Müllentsorger (bei 67 Prozent), Apotheker (bei 54 Prozent), Polizisten, die in der Wohngegend für Sicherheit sorgen (bei 51 Prozent), überdies Hauskrankenpfleger für die Betreuung alter oder kranker Menschen sowie Handwerker, die dringliche Reparaturen an Haus oder Wohnung durchführen (von jeweils 49 Prozent). Ebenfalls noch recht schmerzhaft fiele den Österreichern (von jeweils etwas mehr als zwei Fünftel der Auskunftspersonen ins Treffen geführt) der Verzicht auf Postzusteller sowie Lehrer in Volks- oder Mittelschulen. In einem mittleren Bereich des Bedauerns steht die geringe Verfügbarkeit von Bäckern, Fleischern, Bus- und Straßenbahnfahrern, ferner von Kindergärtnerinnen. Vergleichsweise geringes Kopfzerbrechen bereitet den Österreichern ein Mangel an Computerspezialisten, Köchen, Kellnern, Baumeistern, Fernsehtechnikern, Steuerberatern, Rechtsanwälten oder Sekretärinnen und Büropersonal.
Fachkräftemangel wird Lebensqualität beeinträchtigen
Die Frage liegt nahe, wie sich die Furcht vor einem Fachkräftemangel zwischen Menschen unterscheidet, die dem Problem eine große Realitätsnähe zuordnen und solchen, die es anscheinend auf die leichte Schulter nehmen. Der zentrale Befund lautet, dass Personen, die dem drohenden Fachkräftemangel eine geringe Wahrscheinlichkeit beimessen, unter seiner Realität kaum weniger leiden würden als solche, denen die Gefahr bereits bewusst ist. Das gilt insbesondere für die Verfügbarkeit von Ärzten, deren rasche Präsenz in Notfällen beide Gruppen gleichermaßen als unabdingbar erachten. Alles in allem lassen die Ergebnisse der IMAS-Studie keinen Zweifel daran, dass ein Defizit an Fachkräften die Lebensfreude der Österreicher massiv beeinträchtigen würde. Die Gesellschaft ist auf das Altern aber augenscheinlich noch nicht vorbereitet. Sie muss es erst lernen.