Getreidepreise gehen durch die Decke – Milchprodukte werden billiger

25. Juli 2012 Drucken

Hamburg/Wien (APA) Die Krise auf den globalen Märkten für Getreide spitzt sich zu. Mais ist so teuer wie noch nie und der Getreidepreis hat den höchsten Stand seit eineinhalb Jahren erreicht. Ausgelöst wurde der Preisanstieg durch die schwere Trockenheit in den USA, die einen erheblichen Einfluss auf die Weltmärkte haben. Dort ist bereits mehr als […]

Am Weltmarkt explodieren die Preise für Mais. In Österreich hat Ernte noch nicht begonnen.

Hamburg/Wien (APA) Die Krise auf den globalen Märkten für Getreide spitzt sich zu. Mais ist so teuer wie noch nie und der Getreidepreis hat den höchsten Stand seit eineinhalb Jahren erreicht. Ausgelöst wurde der Preisanstieg durch die schwere Trockenheit in den USA, die einen erheblichen Einfluss auf die Weltmärkte haben. Dort ist bereits mehr als ein Drittel der Maispflanzen verdorrt. Mais verteuerte sich am Weltmarkt in den vergangenen Wochen um rund 70 Prozent, Weizen um mehr als ein Drittel. Auch in Österreich wird für die kommende Ernte mit höheren Getreidepreisen gerechnet. Gleichzeitig ist aber ein Rückgang der Konsumentenpreise bei Milch und Milchprodukten fetszustellen.

Knappes Angebot und Rohstoffspekulationen

„Eine Änderung des Wetters ist nicht absehbar“, sagte Leon Leschus, Rohstoffexperte beim Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), der dpa. „Beim Weizen wird die Situation zusätzlich verschärft durch eine Dürre in Russland.“ Das knappe Angebot lasse die Preise steigen; Rohstoffspekulanten springen an den Börsen zusätzlich auf den Zug.
Mais verteuerte sich in den vergangenen Wochen um rund 70 Prozent, Weizen um mehr als ein Drittel. Die Preise für Agrarrohstoffe werden nach Einschätzung von Leschus auch mittel- und langfristig eher nach oben klettern, weil die Nachfrage sich erhöht. „Die Weltbevölkerung steigt, ebenso das Risiko von Missernten durch den Klimawandel.“ Durch den höheren Wohlstand in den Schwellenländern essen die Menschen dort zudem häufiger Fleisch und warme Mahlzeiten. Das erhöht den Bedarf an Futtermitteln. In den USA mehren sich die Stimmen, generell weniger Mais als Bio-Rohstoff für Kraftstoffe einzusetzen und stattdessen zu verfüttern.

Ausbau der Anbauflächen

„Die steigenden Preise geben einen Anreiz, auch das Angebot auszudehnen“, sagte Leschus. Speziell die ärmeren Länder benötigten dazu besseres Saatgut und besseren Dünger und eine leistungsfähigere Infrastruktur, um die Ernte einzubringen und zu vermarkten. „Am stärksten belastet sind diejenigen Länder, die mit ihrer eigenen landwirtschaftlichen Produktion die Bevölkerung nicht ernähren können und auf Importe angewiesen sind“, sagte Leschus. Im Gegensatz zur letzten Preisspitze bei den Agrarrohstoffen 2008 sei aber zumindest Reis in ausreichender Menge vorhanden. In den armen Ländern geben die Menschen den größten Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus.

Verbraucherpreise werden „in abgemilderter Form“ steigen

Die Verbraucher dürften die hohen Weltmarkt-Preise für Getreide nur in stark abgemilderter Form zu spüren bekommen. „Für einen Bäcker oder einen Einzelhändler spielen zum Beispiel Lohnkosten, Mieten oder Energiekosten eine größere Rolle als der Mehlpreis“, sagte Leschus. Die Hilfsorganisation Oxfam kritisierte unterdessen die zunehmenden Rohstoff-Spekulationen an den Märkten: „Kaum wird die Nachricht von schlechten Ernten verbreitet, strömen die Spekulanten herbei und treiben die Preise in die Höhe“, sagte Agrarexpertin Marita Wiggerthale laut „Spiegel“.

 Preise von Milchprodukten beginnen zu bröckeln

Die Preise für Milchprodukte in Österreich beginnen zu bröckeln. Der Diskontriese Hofer machte am Montag als erste Kette den Schritt und senkte die Preise für Topfen, Sauerrahm, sowie länger haltbares Schlagobers beziehungsweise Vollmilch um vier bis zehn Cent, geht aus Inseraten hervor. Andere Ketten dürften folgen.
Der Butterpreis fiel in Österreich vor wenigen Monaten schon flächendeckend um 20 Cent pro 250 Gramm. Bei der Frischmilch ist es noch nicht so weit. „Österreich ist nach Deutschland auch das günstigste Land bei Frischmilch. In Italien kostet ein Liter um 20 bis 30 Cent mehr als bei uns; auch in Slowenien, Ungarn, Tschechien ist die Milch teurer“, sagte Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM) im APA-Gespräch. “

Milchpreis der Bauern bereits gesunken

Die Bauernmilchpreise seien in den vergangen Wochen in Österreich bereits gesunken: Derzeit erhalten die heimischen Milchbauern zwischen 34 und 36 Cent brutto pro Liter Milch. „Und bei uns darf man nicht vergessen, dass wir eine andere Topographie als zum Beispiel Deutschland haben und daher die Logistik aufwendiger ist. Auch hat Österreich die strengsten Lebensmittel und Tierschutzgesetze“, so der VÖM-Präsident und Chef der Kärntner Milch mit Sitz in Spittal an der Drau.

Auch in Deutschland billigere Milchprodukte

In Deutschland senkte Aldi in der vergangenen Woche und die Billig-Supermarktkette Norma am (heutigen) Montag Preise für Milchprodukte, meldete die Nachrichtenagentur AFP. So verbilligte sich etwa Mozzarella bei Norma um 6 auf 49 Cent; auch Joghurt wurde um 6 Cent günstiger. Grund seien niedrigere Kosten im Einkauf.
Bei Hofer in Österreich wurde Speisetopfen von 75 auf 69 Cent gesenkt, Magertopfen von 65 auf 59 Cent, Länger haltbares Schlagobers von 95 auf 85 Cent, Sauerrahm von 59 auf 55 Cent und länger haltbare Vollmilch von 95 auf 89 Cent. Käse hält derzeit also – abgesehen von Aktionen – noch seinen Preis; genau so wie Eiscreme.

Spar und Billa ziehen bei Senkung nach

Auch die Spar Österreich AG und die Rewe Group AG haben damit begonnen, die Preise mancher Milchprodukte zu senken. Bei Spar werden einige Milchwaren der Eigenmarke „Spar“ um vier bis zehn Cent günstiger, bei den Rewe-Geschäften Billa, Merkur, Suterlüty und Adeg einige „Clever“-Milchprodukte im selben Ausmaß, hieß es auf APA-Anfrage.
Die verschiedenen konkurrierenden Spar- bzw. Rewe-Supermärkte senken die Preise für Topfen, Sauerrahm und (länger frischer) Vollmilch. „Die Preissenkung kommt zustande, weil es derzeit einen Milchüberschuss gibt und daher die Molkereien den Bauern einen niedrigeren Milchpreis auszahlen“, sagte eine Spar-Sprecherin. Von Hofer hieß es – unter anderem auf die Frage, wie lange mit tieferen Preisen gerechnet werden konnte – knapp: „Wir ersuchen um Verständnis, dass Hofer keine Informationen über strategische Preispolitik veröffentlicht.“ Laut der Spar-Sprecherin müsse man „die Molkereien fragen“.
Von Hofer-Discounter-Konkurrent Lidl gab es bis Montagnachmittag vorerst keine Stellungnahme über möglicherweise geplante Preissenkungen von Milchprodukten.