
EU_Kommission will 900 Mio.t CO2 aus dem Markt nehmen. Viele Mitgliedsstaaten protestieren. © Gerd Altmann / pixelio.de
Der Überschuss an CO2-Zertifikaten und der damit verbundene Preisverfall gefährden das Funktionieren des europäischen Emissionshandels-systems (EU ETS), warnt die EU-Kommission. Im s legt die Behörde Reformvorschläge . Als kurzfristige Gegenmaßnahme setzt die Kommission auf das sogenannte „back loading“, also das zeitliche Herauszögern der Versteigerung neuer CO2-Emissionsrechte. EU-Mitgliedsstaaten wie Polen, die Slowakei und andere osteuropäische Staaten sprechen sich gegen eine Verknappung des Zertifikatsmarktes aus. Sie präferieren die monetäre Verwertung von Überschüssen.
Keine Lenkungseffekte durch Emissionshandel
Die EU-Kommission hat am 14. November den Bericht zur Lage auf dem europäischen Kohlestoffmarkt 2012 vorgestellt. Darin sind Vorschläge für Sofortmaßnahmen und für grundlegende Reformen des europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS) enthalten.Das geht aus dem Entwurf des Berichts hervor (), in dem die Kommission das EU-Emissionshandelssystem analysiert.
Zuviele Zertifikate am Markt
Die Phase 3 des Emissionshandelssystems startet 2013. Die Kommission hat berechnet, dass ohne grundlegende Reformen des ETS in dieser Phase (2013 bis 2020) ein potenzieller struktureller Überschuss von etwa zwei Milliarden Zertifikaten bestehen wird. Letztlich würde ein solcher Überschuss zu einem weiteren Preisverfall der Zertifikate führen (derzeit bereits unter 10 Euro) und damit keinen Anreiz mehr schaffen, in kohlenstoffarme Technologien zu investieren.
In Österreich wurden laut Global 2000 von den 95 österreichischen Firmen mit gut 200 Fabriken und Anlagen, die am EU-Emissionshandel teilnehmen, an 77 Unternehmen zu viele Zertifikate ausgeteilt. Die Branchen mit den größten Überschüssen sind E-Wirtschaft, Chemie-, Papier- und Zementindustrie.
Im europäischen Emissionshandelssystem werden derzeit rund 11.000 Industrieanlagen und etwa 40 Prozent der Emissionen in der EU erfasst. Seit diesem Jahr umfasst es auch den Luftverkehr. In der dritten Phase ist vorgesehen, dass die Emissionen von Industrieanlagen und Kraftwerken bis 2020 auf 21 Prozent unter die Werte von 2005 gesenkt werden.
Maßnahmen gegen Preisverfall
Marktbeobachter rechnen damit, dass der Preis für EU-Zertifikate ohne eine Korrektur in der Gesamtmenge der Zertifikate im Jahr 2013 von derzeit 10 auf 4 Euro pro Tonne CO2 fallen wird. Dies würde die Lenkungswirkung des Emissionshandels noch einmal stark reduzieren. Hauptgrund für das Entstehen des Überangebots an Emissionszertifikaten ist die Wirtschaftskrise. Dadurch seien die Industrieemissionen stärker zurückgegangen als erwartet, was wiederum zu einer geringeren Nachfrage der Unternehmen nach Zertifikaten geführt hat.
Als kurzfristige Gegenmaßnahme setzt die Kommission auf das sogenannte „back loading“, also das zeitliche Herauszögern der Versteigerung neuer CO2-Emissionsrechte. Die Auktionen „eines bestimmten Anteils der Zertifikate, die für 2013, 2014 und 2015 geplant waren“, sollen verschoben werden. Hierzu sollen die ETS-Richtlinie (ETS: EU-Emissionshandelssystem) und die Versteigerungsverordnung geändert werden. Die Rede ist von Zertifikaten von über 900 Millionen Tonnen Kohlendioxid, die später versteigert werden sollen.
Das „back loading“ genügt allerdings nicht, um den strukturellen Zertifikate-Überschuss abzubauen. „Da die während der Wirtschaftskrise zugewiesenen Zertifikate auch lange nach dem Ende der Krise verwendet werden können, werden die Effekte dieses Überschusses noch lange nach 2020 spürbar sein. Nur eine strukturelle Reform könnte dieses Überangebot korrigieren und somit seinen Langzeiteffekt beschränken“, heißt es in dem Berichtsentwurf.
Vorschläge zur Korrektur des EU- ETS
Die Kommission listet sechs mögliche Strukturmaßnahmen auf:
1) Erhöhung des EU-Reduktionsziels für CO2-Emissionen bis 2020 auf 30 Prozent,
2) Zurückziehen einiger Zertifikate, die für Phase 3 vorgesehen waren,
3) Absenken des ursprünglich bis 2020 festgelegten jährlichen Reduktionsfaktors,
4) Ausweiten des Geltungsbereichs des EU ETS auf weitere Industriebereiche,
5) Beschränken des Zugangs von internationalen Zertifikaten ins EU ETS,
6) Einführen eines Mindestpreises für Zertifikate.
Ablehnung aus Mitgliedsstaaten
Die meisten Vorschläge bedürfen der Zustimmung durch Rat und Parlament. Doch vor allem unter den Mitgliedsstaaten sind die Kommissionsvorschläge umstritten. Länder, die aufgrund des Wirtschaftseinbruchs oder aufgrund des Strukturwandels einen deutlichen Zertifikatenüberschuss angehäuft haben, wollen die ihnen politisch zugeteilten Verschmutzungsrechte zu Geld machen. Vor allem Polen, die Slowakei und andere osteuropäische Länder haben sich bisher gegen solche Überlegungen ausgesprochen.