NEWSROOM-Wissen: Neues OGH-Urteil zum Thema Dienstortbegriff im Handel

10. Dezember 2012 Drucken

Für eine Handelsangestellte wurde die Dienstortsdiskussion ein Fall für den OGH. © Dieter Schütz / pixelio.de Der Sachverhalt: Eine Handelsangestellte arbeitet als Bezirksleiterin und betreut Filialen in dem ihr zugewiesenen Verkaufsbezirk außerhalb von Wien. Sie fährt an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnsitz aus nach einem von ihr nach den jeweiligen Bedürfnissen festgelegten „Routenplan“ diese Filialen […]

Einzelhandel, Recht, KV, Newsroom der Erste Bank und Sparkasse
Für eine Handelsangestellte wurde die Dienstortsdiskussion ein Fall für den OGH. © Dieter Schütz / pixelio.de

Der Sachverhalt: Eine Handelsangestellte arbeitet als Bezirksleiterin und betreut Filialen in dem ihr zugewiesenen Verkaufsbezirk außerhalb von Wien. Sie fährt an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnsitz aus nach einem von ihr nach den jeweiligen Bedürfnissen festgelegten „Routenplan“ diese Filialen ab und verweilt solange dort bis ihre Tätigkeit beendet ist. Die einzelnen Filialen liegen zwischen 1,1 und 84,8 km voneinander entfernt. Die Angestellte ist ausschließlich in den von ihr betreuten Filialen tätig. Die Zentrale liegt in einem anderen Bundesland – die Mitarbeiterin verfügt dort über keinen Arbeitsplatz.

Die Angestellte war der Meinung, dass sie bei Ausübung ihres Berufes als Bezirksleiterin Reiseleistungen im Sinne des Art. XVI. des Kollektivvertrages für Handelsangestellte erbringe und die Zentrale des Unternehmens ihr Dienstort sei. Die Antwort des Obersten Gerichtshof erklärt die WKO nun auf Ihrer Homepage.


Dienstreise im Sinne des Kollektivvertrages

Anspruch auf Reisekostenentschädigung (Taggelder) setzt das Vorliegen einer Dienstreise laut Art. XVI. voraus. Eine Dienstreise liegt vor, wenn der Angestellte zur Ausführung eines ihm erteilten Auftrages den Dienstort gemäß lit. b verlässt. Ebenso befindet sich der Angestellte auf Dienstreise, wenn er zur Ausführung des ihm erteilten Auftrages die Betriebsstätte des Arbeitgebers verlässt, jedoch am Dienstort bleibt. In diesem Fall erhält er nur Taggeld wenn dies Inhalt einer Betriebsvereinbarung ist.
Außerhalb von Wien wird als „Dienstort gemäß lit. b“ ein Tätigkeitsgebiet im Umkreis von 12 km von der Betriebsstätte des Dienstgebers oder das gesamte Gemeindegebiet, in dem die Betriebsstätte des Dienstgebers liegt, beschrieben.
Eine Betriebsvereinbarung lag im beschriebenen Fall nicht vor, weshalb nur dann eine Dienstreise vorliegt, wenn die Dienstnehmerin ihren Dienstort zur Ausführung eines ihr erteilten Auftrages verlässt.

Definition des Dienstortes
Der Ort, an dem die Arbeitsleistung zu erbringen ist, gehört zum wesentlichen Inhalt der Arbeitspflicht. Meist ergibt sich der Arbeitsort – sofern er nicht ausdrücklich vereinbart wurde – aus dem Standort des Betriebes bei Vertragsabschluss, doch können sich etwa bei Reisenden, Bauarbeitern oder Monteuren auch wechselnde Arbeitsorte innerhalb bestimmter Bereiche ergeben. Der Arbeitsort eines Arbeitnehmers ist der regelmäßige Mittelpunkt seines tatsächlichen betrieblichen Tätigwerdens. Dieser muss mit dem Betriebsort bzw. der Zentrale des Unternehmens nicht zusammenfallen.

Dienstort der Angestellten im Sinne des KV sind daher die Gemeindegebiete jener Gemeinden ihres Verkaufsbezirks, in denen der Dienstgeber eine Betriebsstätte (Filiale) betreibt bzw. der örtliche Bereich im Umkreis von 12 km von diesen Betriebsstätten. Auch das Fehlen von eigenen Arbeitsplätzen in diesen Filialen ändert am Umstand des Dienstortes nichts. Die Zentrale ist kein Arbeitsort, weil die Dienstnehmerin keinerlei Tätigkeit dort entfaltete.

Die Fahrten der Angestellten von ihrem Wohnort zu diesen Filialen sind Wegzeiten, für die kein Anspruch auf Taggelder nach dem KV bestehe. Selbst wenn die vom KV vorgegebenen Voraussetzungen einer Dienstreise erfüllt wären, besteht kein Anspruch auf Taggelder, weil keine Dienstreise länger als drei Stunden dauert. Somit ist jedenfalls die zweite Anspruchsvoraussetzung für eine Dienstreise nicht erfüllt. Es besteht daher kein Anspruch der Angestellten auf Taggelder.

Fazit: Vorsicht in Bezug auf Dienstreisen
Vorsicht ist bei Angestellten in Bezug auf Dienstreisen geboten, wo zwar im Dienstvertrag die Zentrale oder eine andere Betriebsstätte als Dienstort angegeben sind, der Dienstnehmer aber dort nie arbeitet. Laut dem OGH-Urteil ist der Dienstortbegriff bei fehlendem Tätigwerden des Dienstnehmers nicht erfüllt. Jedenfalls besteht kein Anspruch auf Reiseaufwandsentschädigung, wenn die Fahrten zwischen den Betriebsstätten weniger als drei Stunden dauern. Taggelder stehen daher laut dem Kolektivvertrag für Handelsangestellte nicht zu und unterliegen, falls sie doch vom Dienstgeber bezahlt werden, der Sozialversicherung und der Lohnsteuer.

Dieses Urteil des OGH lässt sich wohl auch auf den Kolletkivvertrag für Handelsarbeiter umlegen, weil der Abschnitt betreffend Reisekostenentschädigung ähnlich formuliert ist und ebenfalls Taggeld nur ab der Dauer einer Dienstreise von mehr als 3 Stunden anfällt.