Die Zukunft der Energiewirtschaft steht vor großen Umbrüchen. Die gesamte europäische Energiewirtschaft musste seit der Krise 2007 einen Gewinnrückgang von 30 Prozent hinnehmen. Investitionen in Netz und Produktion werden immer teurer und mangels Cash Flow aufgeschoben, die Börsenkurse fallen. Eine A.T. Kearney-Studie befasst sich mit der Entwicklung und dem Status Quo der europäischen Energiewirtschaft.
Situationsanlayse bei 50 Versorgern
Zwei EU-Direktiven zur Liberalisierung des Energiesektors, die Finanzkrise, die Energiewende sowie eine dritte EU-Direktive, die eine „Re-Regulierung“ einläutet, verändern das wirtschaftliche Umfeld. Die hat die wichtigsten europäischen Energieversorger einem „Health Check“ unterzogen. Insgesamt wurden fast 50 Energieunternehmen aus ganz Europa mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen entlang der Wertschöpfungskette in mehreren geographischen Märkten untersucht. Die Situation der europäischen Energieunternehmen ist schwierig. Entscheidende Performance-Indikatoren haben sich seit der Krise deutlich verschlechtert. So sank zum Beispiel der EURO STOXX TMI Utilities zwischen 2007 und Ende 2011 um 60 Prozent. Gleichzeitig sanken die Anreize für wichtige Investitionen in die Energieerzeugung und die Netz-Infrastruktur. Das Gesamtergebnis („Profit Pool“) der europäischen Energieversorgungsindustrie hat sich von 2007 bis 2011 um mehr als 30 Prozent verringert. Die Ursachen hierfür liegen oftmals bei Verlusten in der Erzeugung. Hier sanken die Gewinne in den letzten Jahren je nach Region sogar um bis zu 80 Prozent.
Gewinner und Verlierer
Bei genauerer Analyse in den „Peer Groups“ zeigt sich ein differenzierteres Bild mit Gewinnern und Verlierern: Speziell integrierte Versorger und Erzeugungsunternehmen aus west- und nordeuropäischen Ländern stehen durch Markteinflüsse und gesetzliche Eingriffe vor einer ungewissen Zukunft. Investitionen in erneuerbare Energien hingegen bleiben attraktiv, sind aber weiterhin maßgeblich von Subventionen abhängig und damit politischen Risiken ausgesetzt. Auch in den Netzausbau wird weiter investiert – unter der Voraussetzung geeigneter Anreize durch den jeweiligen Regulator.
Die Entwicklungsszenarien
Die nächsten fünf Jahre sind richtungsweisend für die europäischen Energieunternehmen. Auf Basis derzeit beobachteter und diskutierter politischer und regulatorischer Entwicklungen sieht A.T. Kearney für die nächsten fünf Jahre zwei mögliche Szenarien:
1. Zurück zur Regulierung: Um die angespannte Situation – Teufelskreis aus mangelnden Investitionsanreizen und Anforderungen an den Umbau der Energiewirtschaft – zu lösen, entscheiden sich die EU und die nationalen Gesetzgeber für noch stärkere regulatorische Maßnahmen. In der Folge sinken jedoch die Investitionsanreize weiter und führen zu einem zunehmend veralteten und ineffizienten Anlagenportfolio (speziell in der Erzeugung). Die resultierende Knappheit erhöht die Energiepreise und gefährdet die Industrien der wichtigsten Volkswirtschaften. Die Umsätze werden auch durch höhere Energiepreise nicht steigen, da mit sinkender Nachfrage zu rechnen ist. Die Ergebnisse der Branche werden in der Folge weiter sinken.
2. Förderung des Wettbewerbs: In diesem Szenario entscheiden sich die EU und die nationalen Gesetzgeber für den Weg in die entgegengesetzte Richtung: Sie fördern den Umbau der Energiewirtschaft durch die Stärkung wettbewerblicher Marktstrukturen. Dadurch entstehen wieder verstärkte Anreize für Investitionen, die zu einem neueren und somit effizienteren Anlagen-Portfolio in Europa führen. Die Energiepreise bleiben langfristig stabil und unterstützen die Stabilität der von der Krise immer noch angeschlagenen europäischen Industrieunternehmen. Insgesamt führt dies zu einem Umsatz- und Gewinnwachstum der Branche.
Investitionsstau versus verstärkte Regulative
Die Studienautoren kritisieren die Einführung weiterer regulatorischer Vorgaben, um den Investitionsstau am Energiesektor aufzulösen „Das würde in eine verhängnisvolle Richtung führen“, kommentiert die Studie. „Die europäischen Energiemärkte müssen den Systemwechsel hin zu einem wettbewerblichen Markt schaffen, um nachhaltig auf künftige Anforderungen vorbereitet zu sein und nicht die Volkswirtschaften mit hohen Energiepreisen zu belasten.“