Psychologengesetz stößt auf heftigen Widerstand

13. Juni 2013 Drucken

Wien (APA) Das vom Gesundheitsministerium geplante neue Psychologengesetz stößt auf vehemente Kritik bei Psychiatern und Psychotherapeuten. Die Berufsgruppe der Psychologen würde damit zum Schaden der Patienten massiv bevorzugt, hieß es in einer Pressekonferenz. Der Berufsverband der Psychologen reagiert mit „Fassungslosigkeit“.  Schaffung eines neuen Berufsbildes Ärzte und Therapeuten forderten die Rücknahme des Vorhabens und einen Runden […]

Was darf ein Psychiater Psychologe Psychotherapeut

Wer darf was: Neues Psychologengesetz bringt Psychiater und Psychotherapeuten auf die Palme. © Rainer Sturm/pixelio.de

Wien (APA) Das vom Gesundheitsministerium geplante neue Psychologengesetz stößt auf vehemente Kritik bei Psychiatern und Psychotherapeuten. Die Berufsgruppe der Psychologen würde damit zum Schaden der Patienten massiv bevorzugt, hieß es in einer Pressekonferenz. Der Berufsverband der Psychologen reagiert mit „Fassungslosigkeit“. 

Schaffung eines neuen Berufsbildes
Ärzte und Therapeuten forderten die Rücknahme des Vorhabens und einen Runden Tisch, um ein konsensfähiges Modell der Zusammenarbeit gemeinsam zu erarbeiten. In dem Gesetz geht es um die Berufsbilder Gesundheitspsychologie und Klinische Psychologie, Studien- und Ausbildungsfragen, Berufspflichten, Sanktionsmöglichkeiten und Patientenrechte. Die aus dem Jahr 1990 stammende geltende Regelung wird damit nicht einfach novelliert, vielmehr hat man das Gesetz gleich neu geschrieben.

Tätigkeitsvorbehalt für die Diagnostik
Im Zuge dessen wurden allerdings eine „ganz absurde Idee“ hineingeschmuggelt, kritisierte Stephan Doering, Leiter der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychiatrie an der Medizinischen Universität Wien. Vorgesehen sei für die klinischen Psychologen nämlich ein Tätigkeitsvorbehalt für die Diagnostik. Nur diese dürften demnach Diagnosen an psychisch Kranken stellen, bevor es den viel umfassender ausgebildeten Psychiatern oder Psychotherapeuten erlaubt sei, ihre Arbeit aufnehmen.

Aufwertung der klinischen Psychologen wird abgelehnt
Die Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP), Eva Mückstein, stieß sich auch daran, dass die klinischen Psychologen künftig psychische Störungen mit Techniken aus der Psychotherapie behandeln dürfen, ohne die entsprechende Ausbildung absolviert zu haben. Eine „klinisch-psychologische Behandlung“, wie sie im Gesetzesentwurf vorgesehen sei, existiere EU-weit nicht. Für die Patienten bringe dies ein verwirrendes und qualitativ zweifelhaftes neues Behandlungsangebot ohne Wirksamkeitsnachweise.

Begriffsgemenge
Georg Psota, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, klagte über die Begriffsverwirrung in diesem Bereich. Psychologie (Lehre von der Seele, „hat primär mit Krankheit noch nichts zu tun“), Psychotherapie (Lehre von der therapeutischen Behandlung seelischer Leidenszustände bzw. Krankheiten) und Psychiatrie (Lehre von psychischen Krankheiten und den Formen ihrer Behandlung) würden ständig vermengt. Dass die Psychologen nun für alle anderen die Diagnose stellen sollen, sei eine jedenfalls „Unglaublichkeit“, empörte er sich. „Wir Psychiater werden das nicht hinnehmen und auch nicht zulassen.“

Gesetz soll noch im Juni beschlossen werden
Heftigte Kritik übte Mückstein auch an der Vorgangsweise des Ministeriums. Man wolle das Vorhaben in einer „beispiellosen Nacht-und-Nebel-Aktion“ durchziehen und noch im Juli im Nationalrat beschließen. Die anderen Berufsgruppen seien nicht eingezogen worden, und der Fahrplan von Begutachtung, Ministerratsbeschluss und Ausschusssitzung bis zum Parlamentsbeschluss sei dermaßen knapp gefasst, dass Expertenmeinungen nicht berücksichtigt werden könnten, kritisierte sie.

Gesundheitsministerium weist Kritik zurück
Mit Unverständnis hat sowohl das Gesundheitsministerium als auch der Berufsverband Österreichischer Psychologen auf die Kritik an der geplanten Neufassung des Psychologengesetzes reagiert. Was Tätigkeitsbilder und Diagnosemöglichkeiten betreffe, ändere sich nichts gegenüber der seit 1991 geltenden Regelung, wurde auf APA-Anfrage auf beiden Seiten betont. Auch der Vorwurf der mangelnden Einbindung anderer Berufsgruppen stimme nicht.
Man könne die Vorwürfe nicht nachvollziehen, hieß es im Büro von Gesundheitsminister Alois Stöger (S). Es werde lediglich ausformuliert, was jetzt bereits im Gesetz stehe. Auch einen Eingriff in die ärztliche Tätigkeit gebe es nicht, denn was diese dürften, sei im Ärzte- und nicht im Psychologengesetz geregelt. Einen Stopp für das Gesetzesvorhaben, das höhere Qualitätsstandards und damit mehr Sicherheit für die Patienten bringen soll, schloss man im Ministerium daher aus.

Einbindung sei gegeben gewesen
Dass man die anderen Berufsgruppen nicht eingebunden habe, wies man im Ministerium ebenso zurück. Man sei regelmäßig – auch mit gemeinsamen Veranstaltungen – im Kontakt, und Minister Stöger treffe heute mit Psychotherapie-Verbandschefin Eva Mückstein zusammen, hieß es in seinem Büro.

Psychologen sprechen von Falschmeldungen
Fassungslos über die Kritik zeigte sich Ulla Konrad, Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer Psychologen. „So viel Falschinformation sucht seinesgleichen“, sagte sie und verwies darauf, dass klinischen Psychologen bereits seit 1991 die Diagnose psychischer Störungen erlaubt sei und man seit 1995 über einen entsprechenden Kassenvertrag verfüge. Am Recht der Psychiater zur Diagnosestellung ändere das natürlich nichts.
Unwahr sei auch, dass die „klinisch-psychologische Behandlung“ neu eingeführt werde, auch diese stehe bereits seit 1991 im Gesetz. Der Vorwurf der „Nacht-und Nebel-Aktion“ mache sie sprachlos, so Konrad, schließlich arbeite man in einem offenen Prozess seit zehn Jahren an dem neuen Gesetz. Unvermeidlich geworden sei es letztendlich wegen der Umstellung auf die Bologna-Studienarchitektur.

Keine Vetternwirtschaft
Diese lange Zeit widerlege auch den – von Mückstein erhobenen – Vorwurf, dass sie als Tochter von Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad bevorzugt behandelt worden sei, so die Chefin des Berufsverbands. Das Gesetz werde nun unter SP-Minister Stöger Realität, und nicht unter einer seiner ÖVP-Vorgängerinnen. Konrad verwies zudem darauf, dass auch Mückstein parteipolitisch nicht unbeleckt ist. Sie kandidiert bei der Nationalratswahl auf der Landesliste der Grünen in Niederösterreich und will die Nachfolge von Gesundheitssprecher Kurt Grünewald antreten – was sie auf Nachfrage der APA bestätigte.

ÖVP-Rasinger verteidigt das Vorhaben
ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger hat das von Stöger geplante Psychologengesetz am Mittwoch gegen Kritik in Schutz genommen. Es diene vor allem der Qualitätssicherung und bringe Anpassungen an in der Schweiz und Deutschland bereits übliche Standards, sagte er zur APA. Unzufrieden zeigte sich dagegen der grüne Gesundheitssprecher Kurt Grünewald.
Für Rasinger wurzelt die Kritik vor allem in der Unkenntnis des Gesetzesvorhabens. Dabei bringe es Verbesserungen wie die auf zwei Jahre verlängerte Ausbildung für klinische Psychologen mit verpflichtendem Patientenkontakt, eine zentrale Prüfung ähnlich der Zentralmatura, Standards bei Spezialisierungen wie der Kinderpsychologie und Qualitätssicherung bei den Ausbildungsstellen.
Für die Sorgen der anderen Berufsgruppen sieht er keine Grundlage. „Es wird den Psychotherapeuten nichts weggenommen, und den Psychiatern schon gar nichts.“ So gelte etwa der psychologische Diagnostikvorbehalt selbstverständlich nicht gegenüber den Ärzten, betonte Rasinger.

 

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