
Das neue FAGG gilt für Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern. |© Tim Reckmann/pixelio.de
Das Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (VRUG) ist als Novelle des Konsumentenschutzgesetzes und als ein neues Gesetz über Fern- und Auswärtsgeschäfte geschaffen. Die Norm wurde am 29.4.2014 im Nationalrat beschlossen und gilt seit 13. Juni für alle entsprechenden Vertragsabschlüsse. Viele Unternehmens-AGBs benötigen seither eine Neuformulierung. Martin Trapichler von der Sozietät CMS Reich-Rohrwig Hainz hat die teilweise weitreichenden Neuerungen zusammengetragen.
In mehreren Gesetzesmaterien geregelt
Die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie (Richtlinie 2011/83/EU) erfolgt im neu geschaffenen Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG), im Konsumentenschutzgesetz (KSchG) und im ABGB. Kernstück ist dabei das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG). Es regelt das Rücktrittsrecht des Verbrauchers von Verträgen, die im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wurden. Dadurch wird die Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes über „Haustürgeschäfte“eingeschränkt, da das neue FAGG dem § 3 KSchG vorgeht. Vergleiche dazu auch den NEWSROOM-Artikel „Die Verbraucherrechte-Richtlinie ist in Kraft getreten„
Anwendungsbereich
Das FAGG gilt für Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte) zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Gemeint sind Vertragsschlüsse über Telefon, Fax, Internet, E-Mail oder per Brief. Das neue FAGG Fälle umfasst auch Geschäfte, die der Verbraucher mit dem Unternehmer anbahnt. Das KSchG betrifft nur Fälle, in denen der Unternehmer auf den Verbaucher zugeht.
Das FAGG gilt nicht für Geschäfte,
- die ein Volumen von EUR 50 nicht übersteigen.
- Ebenso wenig gilt es für Geschäfte über soziale Dienstleistungen oder Gesundheitsdienstleistungen,
- Glücksspiele,
- Finanzdienstleistungen sowie
- Geschäfte, für die es eigene Verbraucherschutzbestimmungen gibt (z. B. Pauschalreiseverträge, Bauträgerverträge oder Teilnutzungsverträge von Ferienwohnungen).
Sehr wohl gilt das neue FAGG aber für Geschäfte über Arzneimittel und Medizinprodukte im Fernabsatz.
Informationspflichten
§ 4 FAGG enthält eine Vielzahl an Informationen, die der Unternehmer dem Verbraucher vor Vertragsabschluss mitteilen muss. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere Informationen über die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung des Rücktrittsrechts („Widerruf“), und zwar durch Zurverfügungstellung einer Muster-Widerrufsbelehrung und eines Muster-Widerrufsformulars, das dem Gesetz als Anhang I.A und I.B angeschlossen sind. Das dem Gesetz angeschlossene Widerrufsbelehrungsformular kann verwendet werden, führt aber nur dann zu einer Erfüllung der diesbezüglichen Informationspflicht, wenn es vom Unternehmer richtig vorausgefüllt wird. Bei „Handwerkerverträgen“ über Beträge von nicht mehr als EUR 200 gelten vereinfachte Informationspflichten.
Telefonisch abgeschlossene Verträge
Erweiterten Schutz bietet das FAGG bei telefonisch „ausgehandelten“ Dienstleistungen bieten, wenn der Verbraucher vom Unternehmer angerufen wurde: In diesem Fall ist der Verbraucher erst an den Vertrag gebunden, wenn der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung seines Vertragsanbots auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. Papier) zur Verfügung stellt und der Verbraucher dem Unternehmer hierauf eine schriftliche Erklärung über die Annahme dieses Anbots auf einem dauerhaften Datenträger rückübermittelt.
Diese Regelung gilt nicht bei Kontaktaufnahme durch den Verbraucher und nicht bei Warenkaufverträgen.
Rücktrittsrecht
Der Verbraucher kann von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag innerhalb von 14 Tagen zurücktreten. Die Konsumentenschutzgesetz enthaltene Wochenfrist wurde somit um eine Woche verlängert. Die Frist beginnt bei Kaufverträgen grundsätzlich mit Erhalt der Ware (der letzten von mehreren; bei Dauerschuldverhältnissen mit Erhalt der ersten Ware) und bei Dienstleistungen mit Tag des Vertragsabschlusses. Die Frist verlängert sich um maximal zwölf Monate (die maximale Rücktrittsfrist beträgt daher zwölf Monate und 14 Tage), wenn der Verbraucher über das Rücktrittsrecht und dessen Ausübung nicht informiert wurde (derzeit noch geltende Rechtslage: max. drei Monate bei Fernabsatzgeschäften, unbefristet bei Haustürgeschäften). Die Ausübung des Rücktrittsrechts ist nicht mehr an die Schriftform gebunden, sondern formfrei möglich.
Ausnahmen vom Rücktrittsrecht
Das neue Gesetz sieht eine Vielzahl von Ausnahmen vor, in denen der Verbraucher kein Rücktrittsrecht hat, von denen einige bereits im derzeit noch geltenden § 5f KSchG normiert sind. Hervorzuheben sind Verträge über Dienstleistungen, die – nach ausdrücklicher Bestätigung durch den Verbraucher über den Verlust des Rücktrittsrechts – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist vollständig erfüllt werden, Verträge über „dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten“ sowie öffentliche Versteigerungen.
Änderungen im KSchG
Die Änderungen im KSchG betreffen den Rücktritt vom Haustürgeschäft, allgemeine Informationspflichten sowie spezifische Regelungen in einzelnen Bereichen, wie z. B. Kosten einer Serviceline oder den Gefahren- und Eigentumsübergang beim Versendungskauf.
Erweiterte Informationspflichten und Rücktritt vom Haustürgeschäft
Der Rücktritt beim „Haustürgeschäft“ wird mit jenem im FAGG harmonisiert, allerdings gehen die Bestimmungen des FAGG vor, wenn es anwendbar ist. Die Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts ist nach wie vor an die Ausfolgung einer Urkunde gebunden, die neben den bisher erforderlichen Informationen zusätzlich eine Belehrung über die Rücktrittsfrist sowie eine Belehrung über die Vorgehensweise für die Ausübung des Rücktrittsrechts enthalten muss. Die Rücktrittsfrist wird auch hier von einer auf zwei Wochen ausgedehnt. Die Frist beginnt grundsätzlich nach wie vor mit Ausfolgung der erwähnten Urkunde, bei Kaufverträgen über Waren mit dem Tag, an dem der Verbraucher in den Besitz der Waren gelangt. Die Ware muss mangels anderer vertraglicher Vereinbarung ohne unnötigen Aufschub, längstens jedoch innerhalb von 30 Tagen nach Vertragsabschluss bereitgestellt oder, wenn Zusendung vereinbart ist, beim Verbraucher eingelangt sein, ansonsten ist ein Rücktritt möglich. Wie auch im FAGG verlängert sich die Rücktrittsfrist um maximal zwölf Monate ab Zustandekommen des Vertrags, wenn die Urkunde nicht übermittelt wird (nach geltender Rechtslage besteht in diesem Fall noch ein unbefristetes Rücktrittsrecht). Auch im Bereich des § 3 KSchG kann der Rücktritt nun auch mündlich oder schlüssig erfolgen und ist nicht mehr an die Schriftform gebunden.
Kein Rücktrittsrecht
Neben den bereits bestehenden Ausschlussgründen (etwa wenn der Verbraucher selbst den Kontakt angebahnt hat oder es an einer Überrumpelungssituation mangelt) sieht das KSchG vor, dass kein besonderes Rücktrittsrecht besteht, wenn das FAGG anwendbar ist sowie wenn der Verbraucher seine Vertragserklärungen in körperlicher Abwesenheit des Unternehmers abgegeben hat, es sei denn, dass er zur Abgabe der Erklärung vom Unternehmer gedrängt worden ist (wenn also trotz körperlicher Abwesenheit dennoch eine Überrumpelungs- oder Drucksituation vorliegt). Daneben wurden bei kleinen Bargeldgeschäften des täglichen Lebens die Betragsgrenzen von EUR 15 auf EUR 25 und von EUR 45 auf EUR 50 angehoben (wenn das Unternehmen seiner Natur nach nicht in ständigen Geschäftsräumen betrieben wird).
Allgemeine Informationspflichten des Unternehmers (neuer § 5a)
Unabhängig von den vom Unternehmer dem Verbraucher beim Haustürgeschäft mitzuteilenden Informationen, welche die Rücktrittsfrist in Gang setzen, werden ganz allgemeine Informationspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher statuiert. Es handelt sich hierbei um einen umfangreichen Informationskatalog, der im Wesentlichen jenem Katalog entspricht, der auch im FAGG statuiert ist. Hervorzuheben sind hierbei Informationen über die Preisberechnung, wenn der Preis im Vorhinein „vernünftigerweise“ nicht berechnet werden kann; die Funktionsweise digitaler Inhalte einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen für solche Inhalte und gegebenenfalls — soweit wesentlich — die Interoperabilität digitaler Inhalte mit Hard- und Software, soweit diese dem Unternehmer bekannt ist oder vernünftigerweise bekannt sein muss. Bei dem letzten Punkt geht es z. B. um technische Schutzmaßnahmen zur Sicherung von Urheberrechten und um die Information, wie digitale Inhalte verwendet werden können (z. B. für die Nachverfolgung des Verhaltens des Verbrauchers). Mit „Interoperabilität“ist nach Ansicht der Autoren von CMS Reich-Rohrwig Hainz in den meisten Fällen Kompatibilität gemeint – der Unternehmer muss also den Verbraucher darüber aufklären, ob und wie seine Software mit einer bestimmten Hardware kompatibel ist.
Ausnahmen wie im FAGG
Diese Informationspflichten gelten bei einer Vielzahl von Geschäften nicht, wie etwa bei Geschäften des täglichen Lebens oder bei Geschäften über Liegenschaften und Bau-/Renovierungsverträge sowie bei Geschäften, für die eigene Gesetze zum Schutz von Verbrauchern existieren, wie etwa Glücksspiele, Finanzdienstleistungen, Pauschalreiseverträge oder Verträge über Teilnutzungen von Ferienwohnungen (nahezu gleichlautende Ausnahmen gibt es auch im FAGG).
Ein Irrtum (des Verbrauchers) über einen Umstand, über den ihn der andere (der Unternehmer) nach geltenden Rechtsvorschriften aufzuklären gehabt hätte, gilt so immer als Irrtum über den Inhalt des Vertrags und nicht bloß als solcher über den Beweggrund oder den Endzweck gilt. Dem Verbraucher wird so eine irrtumsrechtliche Anfechtung des Vertrags erleichtert. Ferner werden die Verbandsklagemöglichkeit (§ 28a) sowie die Strafbestimmung des § 32 entsprechend ergänzt.
Kosten einer Helpline (neuer § 6b KSchG)
Nach dieser Bestimmung darf der Unternehmer, der „einen Telefonanschluss eingerichtet hat, um im Zusammenhang mit geschlossenen Verbraucherverträgen seinen Vertragspartnern eine telefonische Kontaktnahme mit ihm zu ermöglichen“, dem Verbraucher kein Entgelt, etwa über eine Mehrwertnummer, in Rechnung stellen.
Zusätzliche Zahlungen (neuer § 6c)
Bei dieser Bestimmung geht es um Entgelt für Nebenleistungen, das der Unternehmer dann nicht verlangen kann, wenn der Verbraucher dem nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Der Gesetzgeber unterlegt diese Regelung zusätzlich mit einer Ablehnungsfiktion: Eine Zustimmung liegt nicht vor, wenn der Verbraucher zur Vermeidung einer Vertragserklärung eine vom Unternehmer vorgenommene Voreinstellung – etwa ein voreingestelltes Kreuzchen bei einer Reisestornoversicherung – ablehnen müsste, diese Ablehnung jedoch unterlässt. Der Verbraucher kann jedoch nachträglich der Vereinbarung zustimmen.
Fehlt eine ausdrückliche Zustimmung und stimmt der Verbraucher auch nachträglich nicht ausdrücklich zu, muss der Verbraucher die (gutgläubig) bezogene Nebenleistung nicht bezahlen. Bereits bezahltes Entgelt kann zurückgefordert werden.
Gefahren- und Eigentumsübergang (neuer § 7b)
Abweichend zu der klarstellend neu geregelten Bestimmung des § 429 ABGB („Versendungskauf“) regelt diese Bestimmung, dass Gefahr und Eigentum erst an den Verbraucher übergehen, wenn dieser die Ware erhält. Gefahr und Eigentum gehen nur dann bereits bei Übergabe an den Beförderer der Ware an den Verbraucher über, wenn ihn der Verbraucher selbst beauftragt hat und wenn er hierfür nicht einen vom Unternehmer bereits vorgeschlagenen Beförderer akzeptiert hat (was in den seltensten Fällen der Fall sein wird).
Änderungen im ABGB
Im ABGB soll die Bestimmung des § 429 (oft unpräzise als Bestimmung über den Versendungskauf bezeichnet) novelliert werden. Nach dieser Bestimmung, die eine Übergabsart beim Eigentumserwerb regelt, gehen Besitz und Gefahr grundsätzlich erst mit Übergabe an den Übernehmer an diesen über. Allerdings gehen Besitz und Gefahr schon mit Übergabe der Ware an den Frachtführer über, wenn der Übernehmer diesen selbst bestimmt oder aber genehmigt hätte. Die herrschende Rechtsprechung erachtet dabei eine übliche Versendungsart (Post, Bahn, Flugzeug, Schiff) als (stillschweigend) vom Übernehmer genehmigt, sodass in den meisten Fällen der Versendung Gefahr und Eigentum schon zum Zeitpunkt der Übergabe an den Frachtführer auf den Übernehmer übergehen und die Ware daher auf Gefahr des Übernehmers reist. Der neu gefasste § 429 knüpft an diese Rechtsprechung an und regelt nun nur mehr den Fall der vereinbarten Übersendung, wonach die Sache als an den Übernehmer übergeben gilt, wenn die Übersendungsart der getroffenen Vereinbarung mangels einer solchen der Verkehrsübung entspricht. Die Bringschuld wird von § 426 erfasst, der insofern nicht geändert werden muss. Begleitend und klarstellend wird in § 905 eingefügt, dass die Gefahr für eine mit Willen des Gläubigers an einen anderen Ort als den Erfüllungsort übersendete Sache mit dem Zeitpunkt der Übergabe an den Gläubiger übergeht – im Fall des § 429 daher bereits mit Übergabe an den Frachtführer.
Auswirkungen auf Unternehmen
Zahlreiche Unternehmer werden ihre Vertragsformulare und AGB an den erweiterten Katalog der vorgeschriebenen Informationen anpassen müssen. Insbesondere die geänderten Regeln über den Rücktritt von Außer-Geschäftsraum-Verträgen und Verträgen im Fernabsatz müssen beachtet werden. Zur Erleichterung stellt das Gesetz selbst Musterformulare zur Verfügung (Widerrufsbelehrung und Widerrufsformular). Unternehmer, die einen Telefonanschluss eingerichtet haben, um im Zusammenhang mit geschlossenen Verbraucherverträgen ihren Vertragspartnern eine telefonische Kontaktnahme zu ermöglichen (Service- oder Helplines), dürfen für diese Serviceleistung kein zusätzliches Entgelt verlangen.
- Die Verbraucherrechte-Richtlinie ist in Kraft getreten
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- Die Regierungsvorlage zur Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie