Die Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts im März 2013 baute die Befugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde spürbar aus. Die Novelle zielt auf eine erhöhte Wettbewerbstransparenz ab. Mit dieser Gesetzesregelung wurden Kronzeugen auch ins österreichische Wettbewerbsrecht eingeführt. Unternehmen mit Kronzeugenstatus dürfen seither auf Straffreiheit hoffen. Zudem kommt es zu einer Umkehr der Beweislast in Verfahren aus dem Strom- und Gasbereich. Damit folgen die österreichischen Gesetzgeber deutschen Erfahrungen.
BWB darf Bescheide erlassen
Die Novelle des Wettbewerbsgesetzes stärkte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) als Aufgriffs- und Ermittlungsbehörde. Ihre Ermittlungsbefugnisse wurden an jene der EU-Kommission angeglichen und Auskunftsverlangen können mittlerweile per Bescheid durchgesetzt werden. Bis März 2013 war die BWB in diesem Bereich eingeschränkt, weil eine Anrufung des Kartellgerichts notwendig war. Künftig kann die BWB auch Verwaltungsstrafen von bis zu 50.000 Euro für Auskunftsverweigerungen sowie unrichtige, irreführende oder unvollständige Auskünfte verhängen.
Neue Kronzeugenregelung
Die Novelle brachte auch einen zusätzlichen Anreiz für Kronzeugen: Der komplette Erlass der Geldbuße für das Unternehmen ist selbst dann möglich, wenn die BWB bereits einen Verdacht hat und der Kronzeuge erst danach Beweise vorlegt, die ein Vorgehen gegen das Kartell ermöglichen. Bis zur Novellierung ist es in einem solchen Fällen nur zu einer Minderung der später fälligen Geldbuße gekommen. Mit der Reform erfolgte hier eine Anpassung an die auf EU-Ebene geltende Kronzeugenregelung. Darüber hinaus werden die Rechte der BWB bei Hausdurchsuchungen ausgeweitet und die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden intensiviert.
Umkehr der Beweislast im Strom- und Gasbereich nach deutschem Vorbild
Mit einer Novelle des Nahversorgungsgesetzes wurde Sorge getragen, dass die Wettbewerbsbehörden Preismissbrauch durch marktbeherrschende Versorger im Strom- und Gasbereich künftig leichter nachweisen bzw. verhindern können. Als Vorbild für diese Neuregelung wurde die Wettbewerbsregulation in Deutschland herangezogen, die eine Umkehr der Beweislast in Verfahren vorsieht. Seither müssen die zuständigen Wettbewerbsbehörden nur noch den Nachweis erbringen, dass die Preise höher sind als auf einem vergleichbaren Markt. Mit diesem Nachweis kann ein Verfahren eingeleitet werden. Darin muss das betroffene Energieversorgungsunternehmen nachweisen, ob und inwiefern die höheren Preise auch sachlich gerechtfertigt sind. Die entsprechende Bestimmung im Nahversorgungsgesetz wurde bis Dezember 2016 befristet, damit eine Evaluierungsmöglichkeit gegeben ist.
Wirksamere Aufsicht, mehr Transparenz, bessere Durchsetzbarkeit
Bis 2013 wurden Kartelle erst vom Gesetz erfasst, wenn sie einen gewissen Schwellenwert an Marktdominanz erreicht hatten. So konnten beispielsweise Preisabsprachen in einigen Fällen nicht geahndet werden. Seit der Novelle kann im Gegensatz zur alten Rechtslage jede Preisabsprache oder Marktbeschränkung erfasst werden. Außerdem werden Entscheidungen des Kartellgerichts von Amtswegen und ohne Kostenersatz in der Ediktsdatei veröffentlicht werden. Damit wird sichergestellt, dass alle Geschädigten ihre Schadenersatzansprüche geltend machen können.
Schadensberechnung am Unternehmensgewinn
Auch bei der Frage nach der Höhe des Schadenersatzes gibt es Änderungen: Bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens kann der anteilige Gewinn des Unternehmens berücksichtigt werden. Schon ab Eintritt des Schadens (nicht wie bisher ab Kenntnis von Schaden und Schädiger) hat das Unternehmen die Schadenersatzforderung des Geschädigten zu verzinsen. Und Schadenersatzansprüche können künftig nicht mehr durch lange Verfahren verjähren: Die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs wird durch ein Verfahren vor dem Kartellgericht, vor der Europäischen Kommission oder vor der Wettbewerbsbehörde gehemmt.