Nur griechische Unternehmen beurteilen die heimische Standort- und Mittelstandspolitik sowie die zukünftige Entwicklung der Wirtschaftslage noch negativer als österreichische KMU. Das Vertrauen in das eigene Unternehmen ist dennoch groß: Die Mehrheit der Unternehmen will die eigene Stabilität sichern und immerhin jeder dritte Mittelständler setzt auf Wachstum, heißt es in der europaweiten Befragung von Mittelstandsunternehmen durch EY: Andere Stimmungs- und Geschäftsindikatoren zeigen, dass die Stimmung im österreichischen Mittelstand schlechter ist als die tatsächliche Lage.
Doppelt so viele Negativ- wie Positivstimmen
Die österreichischen Mittelständler zeigen sich im Europavergleich besonders unzufrieden mit der heimischen Standortpolitik: Über ein Drittel (34 Prozent) bezeichnet diese als „eher negativ“ bzw. „sehr negativ“, nur 15 Prozent beurteilen diese als „sehr positiv“ oder „positiv“. Das ist der zweitschlechteste Wert aller abgefragten europäischen Länder. Nur in Griechenland ist die Unzufriedenheit im Mittelstand größer. Ein noch schlechteres Zeugnis stellen die österreichischen Unternehmen der heimischen Mittelstandspolitik aus, mit der sogar fast die Hälfte (47 Prozent „eher negativ“ bzw. „sehr negativ“) unzufrieden ist. Damit belegt Österreich auch in diesem Ranking – ebenfalls vor Griechenland – europaweit den vorletzten Platz. Das sind Ergebnisse des aktuellen Mittelstandsbarometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY, das erstmals europaweit durchgeführt wurde. Für die Studie wurden insgesamt 6.000 mittelständische Unternehmen – davon 250 aus Österreich – im Dezember 2014 telefonisch befragt.
Wirtschaftsentwicklung bereitet heimischem Mittelstand große Sorgen
Während sich europaweit Aufbruchsstimmung unter den Mittelständlern abzeichnet – immerhin jedes dritte Unternehmen (32 Prozent) erwartet eine Verbesserung der Wirtschaftslage im eigenen Land – versetzt die Einschätzung der Binnenkonjunktur-Entwicklung heimische Unternehmen alles andere als in Hochstimmung: Nur 15 Prozent erwarten zumindest eine leichte Verbesserung in den nächsten sechs Monaten. Ein Drittel (33 Prozent) bereitet sich auf konjunkturelle Rückschläge vor und immerhin die Hälfte (52 Prozent) rechnet damit, dass die Wirtschaftslage unverändert bleibt. Auch hier gilt: Nur die Griechen sind europaweit noch pessimistischer. Dementsprechend sehen die meisten Mittelständler in Österreich eine schwache Binnenkonjunktur als größte Gefahr für die Entwicklung ihres Unternehmens – gefolgt von hohen Rohstoffpreisen und Fachkräftemangel.
Mittelständler erwarten dennoch positive Geschäftsentwicklung
So unzufrieden sich der heimische Mittelstand mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zeigt, so stark ausgeprägt ist das Vertrauen in das eigene Unternehmen: Mehr als jeder zweite Mittelständler in Österreich rechnet für 2015 mit höheren Umsätzen als 2014. Insgesamt gehen die österreichischen Befragten von einem Zuwachs in Höhe von 1,6 Prozent im laufenden Jahr aus. Damit liegen sie nur knapp unter dem europäischen Durchschnitt mit einem erwarteten Umsatzplus von 1,7 Prozent. Das Geschäftsklima in Österreich hat sich nach einem Einbruch im August 2014 sogar wieder leicht verbessert. Der Indexwert stieg von 41 (Juli 2014) auf aktuell 43 Punkte. Im europäischen Geschäftsklimaindex rangiert Österreich dennoch nur auf dem 16. von 21 Plätzen. Der europaweite Mittelwert liegt bei 47 Punkten. Spitzenreiter beim Geschäftsklima sind die Türkei (65 Punkte) sowie Irland und Großbritannien (beide 63 Punkte). „Diese Ergebnisse zeigen eindeutig, dass die Stimmung im österreichischen Mittelstand deutlich schlechter ist als die tatsächliche Lage“, folgert die Studie. Der gesunkene Euro mache österreichische Produkte im Ausland billiger, der niedrige Ölpreis entlaste.
Zeichen trotz unsicherem Fahrwasser auf Wachstum
Auch mit der eigenen Geschäftslage sind Österreichs Mittelstandsunternehmen im Großen und Ganzen zufrieden: 85 Prozent bewerten diese als grundsätzlich positiv, fast die Hälfte sogar als „gut“. Ähnlich verhält es sich im europäischen Durchschnitt: Insgesamt 87 Prozent bezeichnen ihre Lage als zumindest „eher gut“, 51 Prozent sogar als „gut“. Dementsprechend formulieren die österreichischen Mittelständler trotz der pessimistischen Erwartungshaltung gegenüber der konjunkturellen Entwicklung auch ihre Strategie recht selbstbewusst: Immerhin mehr als jeder Dritte (35 Prozent) setzt in den kommenden Monaten auf Wachstum. Die Mehrheit der österreichischen Unternehmen (59 Prozent) gibt an, im laufenden Jahr besonders stark auf Stabilität setzen zu wollen – nur bei sechs Prozent geht es rein ums Überleben. Entsprechend liegt der Fokus bei Österreichs Mittelstandsunternehmen auch vorwiegend darauf, die Investitionen konstant zu halten.
Fachkräftemangel drückt in Österreich am stärksten auf den Umsatz
Sorgen bereitet den heimischen Mittelstandsunternehmen im Moment vor allem der Mangel an geeigneten Top-Fachkräften. Im europaweiten Vergleich wirkt sich dieser in Österreich so stark wie nirgendwo sonst auf den Umsatz aus: 16 Prozent beklagen „erhebliche“, 43 Prozent zumindest „geringfügige“ Einbußen. Europaweit sind es nur halb so viele, hier verzeichnen laut eigenen Angaben nur 8 Prozent „erhebliche“ und 23 Prozent „geringfügige“ Umsatzrückgänge.
Immer mehr Unternehmen mit Einbußen wegen Ukraine-Krise
Die Ukraine-Krise hat bereits Spuren in den Bilanzen vieler mittelständischer Unternehmen hinterlassen: Mehr als jeder fünfte Mittelständler in Österreich (22 Prozent) gibt an, dass sich die aktuellen Spannungen zwischen Russland und der EU bzw. den USA negativ auf das eigene Geschäft auswirken. Besonders betroffen zeigen sich Industrie und große Mittelständler. Im europäischen Vergleich trifft der Konflikt vor allem die Unternehmen in der Türkei (40 Prozent), Griechenland (34 Prozent) sowie Russland und Finnland (jeweils 33 Prozent).