Niederösterreich: Neue Bauordnung seit 1. Februar in Kraft

09. März 2015 Drucken
Niederösterreich: Neue Bauordnung seit 1. Februar in Kraft
Die neue niederösterreichische Bauordnung ist zusammen mit der Bautechnikverordnung (OIB-Richtlinien) mit 1. Februar 2015 in Kraft getreten. | Rainer Sturm/pixelio.de Rainer Sturm/pixelio.de

2015 wurde die in einigen zentralen Bestimmungen geändert. Die WK Niederösterreich bietet auf Ihrer Homepage einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen. Austausch des Begriffes „Stand der Technik“ durch „Regeln der Technik“ Damit soll dokumentiert werden, dass nicht immer zwingend der Letztstand der technischen Möglichkeiten gefordert ist, sondern dass es reicht, wenn ein technisches Verfahren oder […]

2015 wurde die in einigen zentralen Bestimmungen geändert. Die WK Niederösterreich bietet auf Ihrer Homepage einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen.

Austausch des Begriffes „Stand der Technik“ durch „Regeln der Technik“

Damit soll dokumentiert werden, dass nicht immer zwingend der Letztstand der technischen Möglichkeiten gefordert ist, sondern dass es reicht, wenn ein technisches Verfahren oder ein Produkt vielfach erprobt ist. Das Ziel ist, dadurch kostengünstiger planen und bauen zu können, weil nicht zwingend immer das modernste (und in der Regel teuerste) Produkt verwendet werden muss.
Ob sich dieser sicherlich richtige Ansatz in der Praxis bewährt und insbesondere im Hinblick auf allfällige Auflagen zu Erleichterungen führt, wird maßgeblich von der Vollziehung abhängen. Details: Begriffsbestimmungen, § 4 BO

Keine aufschiebende Wirkung von Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht

Weil die Frage der aufschiebenden Wirkung im Text der bisherigen Bauordnung nicht ganz eindeutig geregelt war, erfolgt nun auf Betreiben der WKNÖ eine eindeutige Klarstellung: In Baubewilligungsverfahren hat die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung.

Nur auf Antrag einer beschwerdeführenden Partei kann die aufschiebende Wirkung nach einer sogenannten „Interessenabwägung“, bei der die Interessen beider Parteien gegeneinander abgewogen werden müssen, ausnahmsweise zuerkannt werden.

Das bedeutet: Der Bauwerber darf mit dem Bescheid, den er von der letzten Gemeindeinstanz erhalten hat, sofort zu bauen beginnen. Dies auch dann, wenn ein Nachbar eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhebt. Der Bauwerber trägt allerdings die Gefahr einer anderen Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht.
Details: § 5 BO

Klarstellungen bei der Parteienstellung

In der Vergangenheit wurde die Parteienstellung oft auch missbraucht: Einwendungen, deren Aussichtslosigkeit von Anfang an klar war, wurden nur deswegen erhoben wurden, um das Bauvorhaben zu verzögern oder zu blockieren. Nunmehr erfolgten einige Klarstellungen, die dies verhindern sollen.
So können Nachbarn nur mehr dann Einwendungen erheben, wenn sie durch das
fertiggestellte Bauvorhaben (Gebäude, Lichteinfall) selbst beeinträchtigt werden können, nicht aber durch die Bauführung (zB Baulärm). Details: § 6 Abs 1 BO

Der Bauwerber hat in Zukunft die Möglichkeit, dass die Nachbarn unter Verzicht auf ihre Parteistellung ausdrücklich dem geplanten Vorhaben zustimmen. Enthält diese Zustimmung auch einen ausdrücklichen Hinweis auf den Verzicht der Parteistellung, ist die Zustimmung unwiderruflich und der zustimmende Nachbar kann die Baubewilligung im Nachhinein nicht mehr bekämpfen. Details: § 6 Abs 6 BO

Weiters wird ausdrücklich klargestellt, dass ein Nachbar, der aus irgendwelchen Gründen dem Bauverfahren nicht beigezogen wurde, seine Parteistellung jedenfalls 1 Jahr nach Beginn der Ausführung des Bauvorhabens verliert. Damit soll verhindert werden, dass aufgrund von Formalfehlern Rechtsmittel gegen bereits längst fertig gestellte Gebäude eingebracht werden. Details: § 6 Abs 7 BO.

Durchforstung der Bewilligungs- Anzeige- bzw. Meldepflichtigen Vorhaben
Die Bewilligungs- bzw. Anzeigepflichten wurden in einigen Details neu geregelt.

Beispiele für „freie“ Bauvorhaben (weder anzeige- noch melde- bzw. bewilligungspflichtig):

• Errichtung von Schwimmteichen mit einer Wasserfläche bis zu 2oo m²
• Instandsetzung von Bauwerken, wenn die Konstruktionsart erhalten bleibt und Formen und Farben von außen sichtbarer Flächen nicht wesentlich verändert werden
Details: § 17 BO

Beispiel für künftig anzeigepflichtige Vorhaben:

• Maßnahmen zur kontrollierten Wohnraumlüftung in Wohngebäuden mit mehr als 2 Wohnungen
Details: § 15 BO

Beispiel für künftig meldepflichtige Vorhaben:

• Aufstellung von Öfen (ausgenommen in Ein- und Zweifamilienhäusern und Reihenhäusern
Details: § 16 BO

Zusätzliche Antragsbeilagen

In Zukunft hat der Bauwerber dafür zu sorgen, dass der Planverfasser bestimmte Gebäudedaten nach dem Gebäude- und Wohnungsregistergesetz (GWR-Gesetz) in elektronischer Form an die Baubehörde übermittelt. Diese statistische Erfassung war bisher Aufgabe der Gemeinden.
Details: § 18 Abs 4 BO

Einführung eines Prüfingenieurs

Künftig ist es dem Bewilligungswerber möglich, eine Bestätigung eines sogenannten „Prüfingenieurs“ (eine unabhängige gewerberechtlich oder nach dem Ziviltechnikergesetz befugte Person) anzuschließen, in der bestätigt wird, dass das Bauvorhaben den bautechnischen Vorschriften entspricht. Der Sinn besteht darin, dass die Baubehörde dann, sofern nicht Zweifel an der Richtigkeit bestehen, auf die Einholung entsprechender Gutachten verzichten kann. In der Praxis soll damit eine Beschleunigung des Bauverfahrens bewirkt werden.

Auf Drängen der WKNÖ wurde in den erläuternden Bemerkungen ausdrücklich festgehalten, dass die neue Regelung aber umgekehrt „keine Rechtsgrundlage für die Baubehörde bietet, entsprechende Bestätigungen oder Privatgutachten vom Bauwerber einzufordern“, wenn der Bauwerber keinen Prüfingenieur heranzieht. Damit ist sichergestellt, dass die Beiziehung eines Prüfingenieurs freiwillig bleibt.
Details: § 18 Abs 3 BO

Bauführer

Die Bestimmungen rund um den Bauführer wurden grundsätzlich beibehalten. Neu ist, dass auch die letzten Reste des früheren sogenannten „Kollaudierungsverfahrens“ (baubehördliche Erteilung der Nutzungsbewilligung) entfallen sind. Wurde aus irgendeinem Grund kein Bauführer bestellt (der ja grundsätzlich in der Fertigstellungsanzeige die erforderlichen Bescheinigungen anzuschließen hat), so hat der Bauherr auf seine Kosten eine Überprüfung des Bauwerks im Hinblick auf seine bewilligungsgemäße Ausführung durchführen zu lassen.
Details: §§ 25 und 30 BO

Neue Verpflichtung zur Errichtung von Fahrradabstellplätzen inklusive einer Stellplatz-Ausgleichsabgabe

In Zukunft werden – abhängig von der Nutzungsart eines Gebäudes –
auch Fahrradabstellplätze verpflichtend zu errichten sein.

Anders als schon bisher bei den KFZ-Abstellplätzen wird im Hinblick auf die erforderliche Anzahl von Fahrradabstellplätzen bloß eine Richtzahl in der künftigen Bautechnikverordnung erlassen werden. Diese kann dann von der Gemeinde in einer eigenen Verordnung sowohl nach oben als auch nach unten je nach Bedarf abgeändert werden. Ist eine Herstellung der erforderlichen Abstellplätze faktisch nicht möglich, kann die Gemeinde eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe einheben, deren Höhe sie mittels Verordnung festlegen kann.
Details: §§ 41, 65 BO

Erleichterungen bei KFZ-Abstellplätzen in Zentrumszone

Um Zentrumszonen zu beleben, kann die Gemeinde für Zentrumszonen eine Befreiung von der Stellplatzausgleichsabgabe für KFZ beschließen. Damit ist ein von der WKNÖ geforderter wichtiger Schritt zur Belebung von Ortskernen gesetzt worden.
Details: §§ 41 und 63 BO

Umgekehrt kann die Gemeinde aber, wenn ein besonderer örtlicher Bedarf gegeben ist, auch eine höhere Anzahl von Stellplätzen mit Verordnung festlegen.
Details: § 63 Abs 2 BO

Klargestellt wurde, dass bei einer Änderung des Verwendungszwecks von Gebäuden (z.B. Änderung von Wohnzwecken auf betriebliche Nutzung) eine bereits früher erfüllte
Stellplatzverpflichtung zu berücksichtigen ist. In den Erläuterungen wurde auf Betreiben der Wirtschaftskammer ausdrücklich festgehalten, dass dies auch für den Fall gilt, dass aus einem früheren Anlass eine Abgabenleistung erbracht werden musste.
Details: § 63 Abs 1 BO

Barrierefreiheit

Die Grundsatzbestimmung über die Barrierefreiheit wurde von der bisherigen
Bautechnikverordnung in die Bauordnung übernommen. Für die Wirtschaft und insbesondere in historischen Ortskernen wichtig und von der WKNÖ gefordert: Für Zubauten und Abänderungen von bestehenden Bauwerken gibt es eine Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Die technischen Anforderungen an barrierefreies Bauen werden künftig durch Übernahme der OIB-Richtlinie 4 (Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit) in österreichweit gleichartigen Standards in der Bautechnikverordnung geregelt.
Details: § 46 BO

Wichtig: unabhängig von den bautechnischen Vorschriften zur Barrierefreiheit müssen ab 01.01.2016 sämtliche Gebäude/Geschäftsräume mit Kundenverkehr aufgrund des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG) unter Berücksichtigung von
Zumutbarkeitskriterien (vergleichbar der Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Bauordnung) so weit wie möglich barrierefrei sein.

Beheizbarkeit von Aufenthaltsräumen

Musste bisher grundsätzlich jede Wohnung mit einem Schornsteinanschluss so ausgestattet sein, dass zumindest ein Aufenthaltsraum beheizbar war, so ist dieser sogenannte „Notkamin“ nunmehr nicht mehr flächendeckend vorgesehen.

Bei Wohngebäuden mit nicht mehr als 12 Wohnungen kann künftig von einer Anschlussmöglichkeit abgesehen werden, wenn stattdessen eine räumliche und bauliche Vorsorge für eine nachträgliche Errichtung einer Abgasanlage getroffen wird.

Für größere Gebäude gilt, dass zumindest ein Aufenthaltsraum pro Wohnung über eine Anschlussmöglichkeit an eine Abgasanlage verfügen muss, wobei auch eine Mehrfachbelegung (zB Luftabgassystem) zulässig ist. Davon kann abgesehen werden, wenn für die Heizungsanlage ein zusätzlicher Wärmeversorger errichtet wird.

Für Wohnhausanlagen mit mehr als zwölf Wohnungen gilt daher:
• entweder Anschlussmöglichkeit („Notkamin“)
• oder gemeinsamer Fang (Abgasanlage für Mehrfachbelegung)
• oder zusätzlicher Wärmeversorger für die Heizungsanlage.
Der ursprünglich geplante vollständige Entfall des „Notkamins“ konnte von der WKNÖ im Hinblick auf erneuerbare Energie und Versorgungssicherheit verhindert werden.
Details: § 57 BO

Vereinheitlichung der bautechnischen Vorschriften durch Übernahme der OIB-Richtlinien

Parallel zur Novellierung der Bauordnung soll auch die Bautechnikverordnung grundlegen geändert werden. Geplant ist eine Übernahme der österreichweit einheitlichen OIB-Richtlinien. Dabei handelt es sich um technische Richtlinien, die vom Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) im Auftrag der Bundesländer erarbeitet wurden um österreichweit einheitliche bautechnische Vorschriften zu erzielen. Nunmehr werden diese OIB-Richtlinien auch in Niederösterreich umgesetzt. Einzelne wenige technische Vorschriften werden an niederösterreichische Besonderheiten angepasst und damit leicht adaptiert. Diese Adaptierungen sind jedoch sichtbar und nachvollziehbar dargestellt, sodass auch für einen Baugewerbetreibenden aus einem anderen Bundesland sofort erkennbar ist, welche und wie einzelne Bestimmungen der Richtlinien abgeändert wurden.

Inkrafttreten

Die neue Bauordnung ist zusammen mit der Bautechnikverordnung (OIB-Richtlinien) mit
1. Februar 2015 in Kraft getreten.