Spannung gegen Glaubwürdigkeit: Was heimische Medien bewegt

15. Oktober 2015 Drucken

Interventionen, Glaubwürdigkeit, persönliche Social Media-Vorlieben und fehlerhafte Politik-Umfragen: Bei einem VIP-Event der Plattform „Digital Business Trends“ (DBT) plauderten heimische Chefredakteure aus dem journalistischen Nähkästchen. Die Sache mit den Umfragen „Ich freue mich überhaupt nicht, wenn wir eine Umfrage präsentieren und die Hochrechnung eine Stunde später dann ein ganz anderes Bild zeichnet“, erklärte ORF-TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher […]

Österreichs Chefredakteure erzählen vom digitalen Medien., Interventionen und die bedingte Korruption durch Pressereisen. |© APA

Österreichs Chefredakteure erzählen von ihrem Arbeitsalltag. |© APA

Interventionen, Glaubwürdigkeit, persönliche Social Media-Vorlieben und fehlerhafte Politik-Umfragen: Bei einem VIP-Event der Plattform „Digital Business Trends“ (DBT) plauderten heimische Chefredakteure aus dem journalistischen Nähkästchen.

Die Sache mit den Umfragen

„Ich freue mich überhaupt nicht, wenn wir eine Umfrage präsentieren und die Hochrechnung eine Stunde später dann ein ganz anderes Bild zeichnet“, erklärte ORF-TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher zum vermeintlichen Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Michael Häupl (SPÖ) und Heinz-Christian Strache (FPÖ). Zu diesem den Wahlkampf begleitenden „Duell-Schmäh“ habe auch eine gewisse schauspielerische Leistung auf Seite der Politik beigetragen, ergänzte „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak. Dittlbacher warnte hingegen vor „gefälligen Verschwörungen“: „Die eigenen Parteiinstitute sind von einem Duell ausgegangen, das es dann nicht gegeben hat.“

Wenn es nur um Spannung geht

Das Meinungsforschungsinstitut OGM sei mit einem größeren Sample näher am Ergebnis dran gewesen als beispielsweise Institute mit kleineren Samples, die für das ein oder andere Boulevardmedium gearbeitet hätten, sagte Johannes Bruckenberger, stellvertretender Chefredakteur der APA – Austria Presse Agentur. „Danebenliegen kann passieren. Bei Medien und Instituten, die eine gewisse Nähe zur Politik haben, ist aber Vorsicht geboten.“ Auch Dittlbacher wies darauf hin, dass „ein großer Teil der Medien davon lebt, Spannung zu verkaufen, andere von der Glaubwürdigkeit“.

Inserate, Pressereisen und Co.

Glaubwürdigkeit und Einflussnahmen beschäftigen die Branche aber auch hinsichtlich Inseraten, Pressereisen und Co. „Dass es keinen Einfluss gibt, wäre gelogen, weil es finanziert sich ja viel über Inserate“, so Barbara Haas, Chefredakteurin der „Wienerin“. Aber auch wenn man von einem Modekonzern nach Paris eingeflogen werde, müsse man nicht positiv über die Produkte berichten. „Die Firmen nehmen zur Kenntnis, dass man einmal so und einmal so schreibt“, erklärte Haas.

Pressereisen ohne Effekte

„So zu berichten, wie wenn die Pressekonferenz in Wien stattgefunden hätte, sollte für einen kritischen Journalisten eigentlich kein Problem sein“, meinte Bruckenberger. Und auch Dittlbacher versicherte: „Wir beim Aktuellen Dienst sind davor gefeit. Denn wir machen das nicht, und es interessiert uns nicht. Wir fahren beispielsweise nicht mit einem Minister ins Ausland.“ Die Politik würde vielmehr fürchten, dass Journalisten extra kritisch berichten, wenn unter einem Artikel beispielsweise steht: „Die Reise erfolgte auf Einladung von …“, verwies Nowak auf entsprechende Compliance-Regelungen.

Einbau der Social Medias

Neue Herausforderungen durch Social Media und Co. sehen die Experten entspannt: „Facebook ist ein Massenphänomen, das man nicht ignorieren kann. Dort ist nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Gegen-Öffentlichkeit vertreten“, so Dittlbacher. Der ORF müsse Nachrichten anbieten, wo sie nachgefragt werden. „Wir machen auch eigene Videos für Facebook. Das stößt auf großes Interesse“, erklärte der Chefredakteur. Auch bei der „Wienerin“ werde Facebook relativ stark genutzt. „Der journalistische Zugang ändert sich aber durch einen griffigen Titel nicht“, so Haas. Eine gewisse „Netzdenke“ im Printbereich – etwa prägnantere Texte – sei nicht schlecht“, konstatierte auch Nowak. Das verändere den Journalismus nicht negativ.

Printosaurier

Der „Presse“-Chefredakteur selbst nutzt Instagram und Facebook. Vor Twitter schreckt er noch zurück: Denn wenn man nicht zeitnahe antworte, „gilt man gleich als Printosaurier und arrogant“. Bruckenberger sieht Twitter als gute Quelle „und man findet spannende Links, über die man sonst nicht gestolpert wäre“. Facebook bringe viel Traffic, sei also ein gutes Instrument für redaktionelles Marketing. Er nutze die Plattform aber persönlich (noch) nicht.

Interventionen weniger heftig als erwartet

Interventionen dürften im Alltag der Chefredakteure unterdessen keine bedeutende Rolle spielen: „Es ist nicht so, dass da nichts kommt. Aber Anrufe beziehungsweise Beschwerden sind viel weniger heftig als erwartet. Es ärgert sich schon einmal jemand, aber eine gewisse Unfreundlichkeit hilft, das in Grenzen zu halten“, so Dittlbacher. Laut Bruckenberger „kommt das gelegentlich vor, aber da geht es eher um zugespitzte Titel. Das weisen wir dann zurück“. Wenig Anrufe und „verträgliche Interventionen“, am ehesten aus der Wirtschaft, verzeichnet Haas. Nowak verweist auf „viele Anrufe, Anregungen und Beschwerden – aber das gehört zum Job. Ich habe damit kein Problem, auch wenn es mal mehr, mal weniger Spaß macht“. (APA)