In den nächsten Jahren wird verstärkt verflüssigtes Erdgas (LNG) nach Europa drängen. Der Marktführer bei Erdgas, die russische Gazprom, verfüge aber noch über Preisvorteile durch die günstige Produktion, sagte E-Control-Vorstand Walter Boltz.
Weltweite Expansion von LNG
Die weltweit verfügbaren LNG-Mengen werden laut Boltz in den nächsten Jahren signifikant ansteigen – etwa weil in Asien der Verbrauch zurückgeht, Australien verstärkt auf die globalen Märkte drängen wird und auch die USA ihre Exportkapazitäten für verflüssigtes Gas ausweiten werden. So wolle etwa Australien seine Verflüssigungskapazität bis 2020 mehr als verdoppeln, und auch die USA planten mit der Fertigstellung neuer Terminals eine deutliche Erhöhung der Kapazität. Möglicherweise könnte US-LNG aber preislich zu teuer kommen für Europa, rechne man Schiffstransporte etc. mit ein.
Ausbau der Kapazitäten wird kommen
In Europa selbst sei ein ziemlicher Ausbau der LNG-Kapazitäten geplant – obwohl diese 2014 eigentlich nur zu 16 Prozent ausgelastet gewesen seien, deutlich weniger als die laut Branchenkreisen nötigen 40 Prozent, wie Boltz sagte. Aktuell liege die operative Big-Scale LNG-Kapazität in Europa bei 203 Mrd. m3 jährlich (vor allem konzentriert auf Großbritannien, Spanien, Frankreich), mit vier konkreten Projekten wolle man die Importkapazität aber um 23 Mrd. m3/Jahr steigern.
Spanien und GB als Großverbraucher
2014 wurden insgesamt 41 Mrd. m3 LNG nach Europa importiert, davon ging je ein Viertel nach UK und Spanien, ein Sechstel in die Türkei, ein Siebentel nach Frankreich und ein Zehntel nach Italien. Davon stammten (ohne Re-Importe) u.a. 45 Prozent aus Katar, 27 Prozent aus Algerien, 11 Prozent aus Nigeria, 5 Prozent aus Norwegen.
Niedrigere Förderkosten in Russland
Gazprom wird nach Einschätzung von Boltz ihre Preis- und damit Wettbewerbsvorteile nutzen, um trotz steigender LNG-Importe nach Europa ihre Position zu verbessern. Zwischen LNG und russischem Gas gebe es doch einen ziemlichen Wettbewerb – in beiden Richtungen. Jedoch seien die Gasförderkosten in Russland am niedrigsten, auch ein deutliches Stück günstiger als in Katar. Russland habe eine einmalige Situation aufgrund der dort teils vor Jahrzehnten getätigten Investitionen. Außerdem sei russisches Erdgas relativ sauber, mit niedrigem Säuregehalt (SO2, Schwefeldioxid). „Gazprom hat also Kostenvorteile am europäischen Gasmarkt, da geht es um relativ viel Geld“, so Boltz in einer Internet-Präsentation.
Gazprom hat Europa im Fokus
Durch die veränderten Marktbedingungen (USA, Australien), aber auch die Auseinandersetzungen mit der Europäischen Union, sei es für Gazprom von hoher Bedeutung, die Position in Europa zu halten. Europa sei als Markt sehr interessant für Russland. Begünstigt werde das Land durch die geringeren nationalen Kosten infolge der 40-prozentigen Rubel-Abwertung. Profitieren würde Russland laut Boltz zudem durch eine deutliche Erhöhung der Exportkapazität nach Europa, falls die geplante Nord-Stream-II-Leitung tatsächlich kommt; dieses Gas könne mit relativ geringen Zusatzkosten geliefert werden.
CO2-Preise zu niedrig
Ein Switch von Kohle zu Gas zur Stromerzeugung sei – beim jetzigen Kohlepreis – nur bei Gaspreisen von 10 Euro je MWh und einem CO2-Preis ab 15 Euro pro MWh denkbar, so Boltz. Der Gaspreis war schon so niedrig, allerdings ist der Zertifikatspreis deutlich tiefer. Umgekehrt würde – bei derzeitigem Gaspreis – ein Wechsel von Kohle zu Gas bei CO2-Preisen ab 25 Euro/MWh bzw. einem Kohlepreis von 70 Euro pro Tonne erfolgen, was aber einer Verdoppelung des heutigen Niveaus gleichkäme. (APA)