Ungeregelte Nachfolge: Wer will heute noch Bauer werden?

09. Juni 2016 Drucken
Ungeregelte Nachfolge: Wer will heute noch Bauer werden?
@ BMLFUW/Alexander Haiden

Der Großteil der Besitzer landwirtschaftlicher Familienbetriebe weiß nicht, wie es mit ihren Höfen weitergeht. Die Nachfolge ist ungeregelt, die Investitionsstärke unterdurchschnittlich und die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind katastrophal. Eine WU-Studie hat die Situation von 1000 bäuerlichen Familienbetrieben untersucht.  Miese Marktsituation für Bauern Über 95 Prozent der bäuerlichen Betriebe in Österreich sind Familienbetriebe. Aktuell kämpfen sie mit Preisverfällen […]

Der Großteil der Besitzer landwirtschaftlicher Familienbetriebe weiß nicht, wie es mit ihren Höfen weitergeht. Die Nachfolge ist ungeregelt, die Investitionsstärke unterdurchschnittlich und die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind katastrophal. Eine WU-Studie hat die Situation von 1000 bäuerlichen Familienbetrieben untersucht. 

Miese Marktsituation für Bauern

Über 95 Prozent der bäuerlichen Betriebe in Österreich sind Familienbetriebe. Aktuell kämpfen sie mit Preisverfällen und Witterungsschäden. Für Nachfolger stellt das keine besonders attraktive Situation dar: Rund 60 Prozent der niederösterreichischen Landwirte haben noch keine Pläne zur Betriebsweitergabe. Viele wollen ihren Kindern die ertragsschwache Lage nicht zumuten.

Unsichere wirtschaftliche Zukunft

Dass die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Betriebs nicht gesichert ist, ist für 41 Prozent der Grund für die ungeklärte Nachfolgesituation. Dies geht aus einer Studie der WU Wien, für die knapp 1.000 niederösterreichische Landwirtschaftsbetriebe befragt wurden, hervor. Die Studie des Forschungsinstitutes für Familienunternehmen der WU Wien (Leitung Hermann Frank) wurde von Erste Bank-CEO Thomas Uher, NÖ-Agrar-Landesrat Stephan Pernkopf und Landwirt Maximilian Hardegg am Erste Campus präsentiert.

Keine Best-Practice-Kultur

Oft fehle auch das Interesse der Kinder, den Betrieb zu übernehmen. Man müsse prominente Vorbilder schaffen und Erfolgsgeschichten vor den Vorhang holen, rät der Vorstand des Forschungsinstituts für Familienunternehmen Hermann Frank. „Die Preisverfälle bei Milch, Schweinefleisch und mittlerweile auch bei Getreide und Holz signalisieren den Bauern fehlende Anerkennung“, so Maximilian Hardegg, selbst Landwirt  mit 2000 ha Grundbesitz.
„Die aktuelle Marktsituation macht den Betrieben sehr zu schaffen“, so Landesrat Stephan Pernkopf (ÖVP) und ortet eine Existenzgefährdung der bäuerlichen Familienbetriebe. In Betriebsküchen könne man mehr biologische und heimische Produkte verwenden.

Kein Marketing in landwirtschaftlicher Ausbildung

Was die Produktion betrifft, habe Österreich viele Topbetriebe. „Bei der Verwertung der Produkte gibt es aber noch viel Spielraum“, so Frank und verweist auf die Studienergebnisse. Landwirte müssten sich überlegen, wie sie ihre Produkte möglichst ertragreich auf den Markt bringen sowie Abnehmer und Handelspartner vergleichen. Ein Beispiel könne man sich oftmals an Winzern nehmen, die ihre Produkte sehr gut gewinnbringend vermarkten.

Schwache Liquidität und Ertragskraft führen zu Zwei-Klassen-Gesellschaft

Die problematische Nachfolgesituation ist aber nicht die einzige Herausforderung, der landwirtschaftliche Familienbetriebe gegenüberstehen. Mehr als die Hälfte der befragten Betriebe hat permanent mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Für rund 48 Prozent ist es gerade noch möglich, den laufenden Betrieb zu erhalten, für rund elf Prozent ist selbst das kritisch. Unter diesen Bedingungen können notwendige Investitionen nicht getätigt werden. Das wiederum bremst Innovation. Studienleiter Hermann Frank: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bei landwirtschaftlichen Familienbetrieben zu einer Art Zwei-Klassen-Gesellschaft kommt.“ Nur etwas mehr als 40 Prozent kann es sich leisten, ihren Betrieb weiterzuentwickeln. Der Rest kann keine Zukunftsinvestitionen tätigen. Gleichzeitig weisen vier von fünf Betrieben eine große Zurückhaltung gegenüber der Inanspruchnahme von Fremdkapital auf – nur drei Prozent geben an, ihre Möglichkeiten diesbezüglich voll ausgeschöpft zu haben, 37 Prozent nutzen diese Option gar nicht. Hier gibt es also viel ungenütztes Potenzial, denn grundsätzlich ist die Landwirtschaft aufgrund der verfügbaren Sicherheiten (z.B. Hypotheken) ein guter Kreditnehmer. (APA/red)

 

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