Freie Berufe: Ärzte, Apotheker und Anwälte wollen keine Marktliberalisierung durch Finanzinvestoren

05. Juli 2016 Drucken
Freie Berufe: Ärzte, Apotheker und Anwälte wollen keine Marktliberalisierung durch Finanzinvestoren
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Die Regierung hegt Pläne, die in Österreich bestehenden neun freien Berufe für Finanzinvestoren zu öffnen. Investoren sollen sich an Sozietäten und Gruppenpraxen beteiligen können. Die Berufsvertreter der Ärzte, Apotheker, Architekten und Rechtsanwälte wehren sich gegen eine derartige Marktliberalisierung. Gefahr für Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit Die Bundeskonferenz der Freien Berufe (BUKO) will keine wirtschaftliche Liberalisierung ihrer Berufsstände. […]

Die Regierung hegt Pläne, die in Österreich bestehenden neun freien Berufe für Finanzinvestoren zu öffnen. Investoren sollen sich an Sozietäten und Gruppenpraxen beteiligen können. Die Berufsvertreter der Ärzte, Apotheker, Architekten und Rechtsanwälte wehren sich gegen eine derartige Marktliberalisierung.

Gefahr für Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit

Die Bundeskonferenz der Freien Berufe (BUKO) will keine wirtschaftliche Liberalisierung ihrer Berufsstände. Die Pläne der Regierung, die Beteiligung von Finanzinvestoren bei Ärzten, Apothekern, Architekten oder Anwaltskammern zuzulassen, gefährde deren Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, warnten Vertreter am Montag vor Journalisten in Wien.

Keine Geldgeber als Teihaber

Keinen Zweifel ließen BUKO-Präsident Kurt Frühwirth und der Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer, Rudolf Kolbe, an ihrer Ablehnung von Kapitalgesellschaften als Teilhaber der neun freien Berufsstände, die in der BUKO vereint sind. Die freien Berufe seien Vertrauensberufe, so Frühwirth. „Keine Berufsfremden sollten sich in diesen Bereichen beteiligen dürfen“.

Regierungspläne noch diffus

Konkrete Umsetzungspläne der Regierung seien zwar noch nicht auf dem Tisch, hieß es heute. Aber im Zuge einer vor einem Jahr beschlossenen Verwaltungsvereinfachung sollen sich künftig große Firmen und Investoren in heimische Kanzleien oder Arztpraxen einkaufen dürfen. Davon erwartet sich die Regierung einen Wachstumsschub von jährlich 0,3 Prozent bzw. 880 Mio. Euro und zusätzliche 6.000 Arbeitsplätze.

Ökonomen befürchten Marktmonopolisierung

Für die Volkswirtschafter Friedrich Schneider und Stefan Jenewein von der Johannes Kepler Universität Linz eine „überzogene Rechnung“. „Warum sollen plötzlich so viel mehr Ärzte- und Architektenleistungen nachgefragt werden“, so Jenewein. Er fürchtet im Gegenteil eine Marktmonopolisierung und in Folge eine Verteuerung der Leistungen. Eine stärkere Ökonomisierung der freien Berufssparten trage das Risiko mit sich, dass diese Bereiche immer stärker wirtschaftlichen Interessen unterworfen würden. Mit fatalen Auswirkungen im Hinblick auf gewinnmaximierende Kosteneffizienz im Gesundheitsbereich, aber auch bei Tierärzten, Steuerberatungs- und Notarleistungen.

Finanzinvestoren hätten Einsicht in die Fälle

Für den Patentanwalt Daniel Alge könnten durch unüberschaubare Firmenverflechtungen der Finanzinvestoren die Unvereinbarkeitsregeln für Anwälte und ihre Schweigepflicht ausgehebelt werden, sagte er am Rande der Pressekonferenz zur APA. Finanzinvestoren hätten Einsicht in die Fälle, würden aber keinerlei Disziplinarpflicht unterliegen, warnte er. Damit würde der Aufweichung der Haftung Tür und Tor geöffnet und der Glaube an die Unabhängigkeit von Anwälten, Beratern oder Ziviltechnikern beschädigt.

Bislang obligatorische Kammermitgliedschaft

Die neun freien Berufe sind Pflichtmitglieder ihrer jeweiligen Berufsvertretungen, der Kammern. Eine Gefahr für das in Österreich bestehende Kammersystem sehen die Vertreter aber nicht. Im Gegenteil. Länder, die bisher ungeregelte bzw. liberalere Regelungen besessen hätten, etwa die Schweiz oder skandinavische Länder, strebten ebenfalls eine stärkere Regulierung an. (APA)