Ab 2018 soll „gerichtliche Erwachsenenvertretung“ die „Besachwalterung“ ersetzen

13. Juli 2016 Drucken
Ab 2018 soll „gerichtliche Erwachsenenvertretung“ die „Besachwalterung“ ersetzen
@ Helene Souza/pixelio.de

Die Selbstbestimmung der Betroffenen steht im Mittelpunkt der eingebrachten Gesetzesnovelle zum Sachwalterrecht. Die oftmals als Entrechtlichung erlebte Sachwalterschaft soll 2018 von einem Vier-Säulen-Modell ersetzt werden. Falsche Richtung entwickelt Das bisherige System „hat sich in die falsche Richtung entwickelt“, so Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bei in einem Hintergrundgespräch in Wien. Das neue Gesetz soll nicht nur dafür […]

Die Selbstbestimmung der Betroffenen steht im Mittelpunkt der eingebrachten Gesetzesnovelle zum Sachwalterrecht. Die oftmals als Entrechtlichung erlebte Sachwalterschaft soll 2018 von einem Vier-Säulen-Modell ersetzt werden.

Falsche Richtung entwickelt

Das bisherige System „hat sich in die falsche Richtung entwickelt“, so Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bei in einem Hintergrundgespräch in Wien. Das neue Gesetz soll nicht nur dafür sorgen, dass unnötige Besachwalterungen künftig vermieden werden, ebenso ist es Ziel, die Entscheidungsfähigkeit wesentlich zu stärken und Familien stärker einzubinden. Denn das seit 30 Jahren bestehende System hat Einzelfällen geführt, „die man nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen kann“, sagte Brandstetter. Zudem hat sich in einem Zeitraum von zwölf Jahren die Zahl der besachwalteten Personen bis zum Jahr 2015 von rund 30.000 auf 60.000 verdoppelt. Was nicht nur mit der Demografie zusammenhängt, denn Volksanwältin Gertrude Brinek (ÖVP) kritisierte, dass Besachwalterungen zu früh ausgesprochen wurden, sie zu umfassend ausfielen und zu lange aufrecht blieben.

Weniger Fälle

Die Reform soll die bisherige Sachwalterschaft, die nun als vierte Säule „gerichtliche Erwachsenenvertretung“ genannt wird, um mehr als ein Drittel reduzieren, führte Sektionschef Georg Kathrein aus. Denn: „Die Sachwalterschaft hat zu einer flächendeckenden Entmündigung geführt.“ Stattdessen sollen die drei Alternativen in Form der ausgebauten gesetzlichen und der neuen, gewählten Erwachsenenvertretung sowie die der Vorsorgevollmacht genutzt werden. Immerhin sei bereits jetzt ein Rückgang bei den klassischen Sachwalterschaften festzustellen, sagte Kathrein, der deren jährliche Zahl auf 3.000 bis 4.000 schätzte. Der Rückgang sei auf das „Clearing“ durch die zuständigen Vereine zurückzuführen.

Menschlichere Lösungen

Nach den vor genau einem Jahr durch den Nationalrat fixierten Änderungen im Erbrecht ist für Brandstätter die nun angestrebte Reform – die Begutachtungsfrist ist bis 12. September 2016 angesetzt, in Kraft treten sollen die Neuerungen am 1. Juli 2018 – die zweite große Reform des Zivilrechts. Sie soll dazu führen, dass die statt bisher oft im Zweifel als bequemerer Weg empfundene Besachwalterung zu „differenzierteren und menschlicheren Lösungen führt“, sagte der Justizminister. Ab der Gültigkeit sollen auch neue Lösungen für bestehende Fälle gefunden werden. Es wurde daran erinnert, dass bereits jetzt Möglichkeiten gegeben seien, solche Fälle zu adaptieren.

Mehr Personal auf Bezirksgerichten

Der neue Ansatz sei dabei „sicher auch betreuungsintensiver“, etwa dahin gehend, dass an manchen Bezirksgerichten mehr Personal notwendig werden könnte. „Es ist aber eine Investition, die sich zu 100 Prozent lohnt und letztlich eine Frage der Menschlichkeit“, argumentierte Brandstetter. Denn, dass habe er schon seinen Studenten gesagt: „Die kostengünstigste Variante der Justiz ist immer die kafkaeskeste.“

Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine als Clearing-Stellen

Um dies zu vermeiden, werden Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine eine zentrale Funktion einnehmen. Neben der Ausweitung ihrer Beratungsfunktion kann bei ihnen künftig auch eine Vorsorgevollmacht errichtet und ein Erwachsenenvertreter gewählt werden. Da die gerichtliche Bestellung eines Erwachsenenvertreters wie bisher nur das letzte Mittel sein soll, ist künftig auch ein „Clearing“ bei den Vereinen im Vorfeld der Bestellung verpflichtend. Dieses „Clearing“ soll sicherstellen, ob eine gerichtliche Erwachsenenvertretung notwendig ist oder nicht. (APA)