Europa: Grenzüberschreitende Insolvenzverfahren sind jetzt einfacher

18. Juli 2017 Drucken
Europa: Grenzüberschreitende Insolvenzverfahren sind jetzt einfacher
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Dank der neuen Regeln sind Unternehmensumstrukturierungen und Rückzahlungsforderungen künftig leichter zu realisieren.

Die neuen Vorschriften zur Vereinfachung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren, die die EU-Kommission 2012 vorgeschlagen hatte, treten nun in der Europäischen Union in Kraft und werden die Eintreibung von Forderungen in solchen Verfahren erleichtern. Dank der neuen Regeln sind Unternehmensumstrukturierungen und Rückzahlungsforderungen künftig leichter zu realisieren. In der Verordnung stehen Lösungsansätze für Kompetenzkonflikte und Normenkollisionen bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren im Mittelpunkt. Darüber hinaus gewährleistet sie die Anerkennung von insolvenzbezogenen Urteilen in der ganzen EU.

Hauptmerkmale der neuen Vorschriften sind:

  • Ein weiter gefasster Anwendungsbereich: Die neuen Vorschriften gelten für eine größere Bandbreite an innerstaatlichen Restrukturierungsverfahren. Bestimmte moderne und zielführende nationale Restrukturierungsverfahren werden von den alten Regeln nicht erfasst und können daher in länderübergreifenden Fällen bislang nicht angewandt werden. Ab jetzt können zeitgemäße nationale Restrukturierungsverfahren genutzt werden, um Unternehmen zu retten oder Geld von Schuldnern in anderen EU-Ländern einzutreiben.
  • Mehr Rechtssicherheit und Unterbindung von „Insolvenztourismus“: Falls ein Schuldner umsiedelt und kurz darauf Insolvenz anmeldet, müssen Gerichte künftig alle Gegebenheiten des Falls genau prüfen, um festzustellen, ob die Umsiedlung tatsächlich erfolgt ist und ob sie auf die Ausnutzung laxerer Insolvenzvorschriften abzielt. Gerichte müssen also sicherstellen, dass der Schuldner nicht zum „Insolvenztourist“ geworden ist.
  • Bessere Überlebenschancen für Unternehmen: „Sekundärverfahren“ (die von Gerichten in einem anderen EU-Mitgliedstaat eröffnet werden als dem, in dem das Unternehmen seinen satzungsmäßigen Sitz hat) werden durch die neuen Vorschriften in Zukunft vermieden. Die grenzüberschreitende Restrukturierung von Unternehmen gestaltet sich dadurch in Zukunft einfacher. Gleichzeitig enthalten die Vorschriften auch Garantien, die die Interessen lokaler Gläubiger absichern.
  • Gruppeninsolvenzverfahren: Die neuen Vorschriften schaffen ein Rahmenwerk für Gruppeninsolvenzverfahren. Dieses macht Insolvenzverfahren, an denen verschiedene Mitglieder einer Unternehmensgruppe beteiligt sind, effizienter. Darüber hinaus verbessert es die Chancen, eine Unternehmensgruppe im Ganzen zu retten.
  • Die Verknüpfung von Insolvenzregistern: Bis zum Sommer 2019 wird eine Kopplung der elektronischen Insolvenzregister aller EU-Mitgliedstaaten geschaffen. Informationen über Insolvenzverfahren in anderen EU-Ländern werden also leichter zugänglich.

 Hintergrund

Die Europäische Kommission legte 2012 einen Vorschlag zur Aktualisierung der Verordnung aus dem Jahr 2000 vor, um die Anwendung einiger Bestimmungen daraus zu verbessern und damit eine wirksamere Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren zu ermöglichen. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union nahmen diesen Vorschlag am 20. Mai 2015 an.

Im Jahr 2014 hat die Kommission des Weiteren eine Empfehlung zu den Themen Restrukturierung und zweite Chancen vorgelegt. Die Kommission hat die Umsetzung dieser Empfehlung durch die Mitgliedstaaten überprüft und dabei festgestellt, dass Vorschriften sich weiterhin unterscheiden und in manchen Ländern ihre Wirkung nicht entfalten.

Daher hat die Europäische Kommission im November 2016 einen Vorschlag für eine Richtlinie über Unternehmensinsolvenz vorgelegt, der besonders auf eine Vereinfachung von frühzeitigen Umstrukturierungen und zweiten Chancen abzielt.