Trump-Berichterstattung: Vom Leben in mehreren Welten

11. August 2017 Drucken
Trump-Berichterstattung: Vom Leben in mehreren Welten
US-Präsident Donald Trump © APA

Wer in den USA die Sender Fox News und CNN parallel laufen lässt, kann das Raum-Zeit-Kontinuum aufheben. Er erlebt verschiedene Realitäten zur gleichen Zeit am gleichen Ort.

In Donald Trumps Amerika gibt es viele Wirklichkeiten. TV-Sender wie CNN, MSNBC, CBS und ABC oder die Zeitungen „Washington Post“ und „New York Times“ sind für den US-Präsidenten und seine Anhänger „Fake News“, gefälschte Nachrichten. Trumps Wählerschaft wird von Fox News oder InfoWars, dem „National Enquirer“, rechten Talk-Radios und Youtubern informiert. Die Trump-Berichterstattung eröffnet ein neues Feld der Mediengeschichte.

Gratiszeitungen von großem Einfluss

Der „National Enquirer“ ist eine Supermarkt-Boulevardpostille mit großem Einfluss, auch wenn die Print-Leserschaft von mehreren Millionen auf gut 325.000 pro Woche geschrumpft ist. Er hat auch im Netz einen besonders erfolgreichen Kreislauf kurzgeschlossen. Seine Leser lieben Trump, weswegen der „National Enquirer“ Trump liebt. Die langjährige Freundschaft des Chefredakteurs David Pecker und Trumps steht dem nicht im Wege.

Blue Collar und Kaukasier

„Sie haben Trump gewählt“, beschreibt Pecker dem „New Yorker“ seine Leser, ganz überwiegend Weiße und Arbeiter, „96 Prozent würden das wieder tun.“ Also wollten sie Trump gewinnen sehen, und das Blatt verschaffe ihnen exakt dieses Gefühl. Mit der Abbildung von Wirklichkeit oder aufklärerischem Anspruch hat das Ergebnis nichts mehr zu tun. Trump nutzte das Blatt im Wahljahr 2016 auch als Waffe gegen seine Gegner, etwa Hillary Clinton („Noch sechs Monate zu leben“) oder Ted Cruz („Vater mit Kennedy-Attentat verbunden“).

Fox-Quoten sinken wegen der Präsidenten-Tweeds

Anders gelagert, aber in ebenfalls trauter Symbiose lebt der US-Präsident mit Fox News. „Fox and Friends“ am Morgen gehört zu seinen liebsten Sendungen. Mal wird er live zugeschaltet, oft retweetet er Fox‘ Freundlichkeiten. Fox wurde ihm eine Art Haussender. Profitieren kann Rupert Murdochs Netzwerk davon nicht, die Quoten sinken. Als einer der Gründe gilt Trumps Twittereifer.

Eine Rede, zwei Aufbereitungen

Wer hier Fox News und CNN oder MSNBC dort längere Zeit parallel laufen lässt, kann das Raum-Zeit-Kontinuum aufheben, erlebt er doch zwei verschiedene Tage am gleichen Ort. Reden etwa sind völlig verschieden geschnitten. Hier nur Lob, dort 80 Prozent Kritik. Die Fox-Themen sind dunkler und bedrohlicher, rufen mehr nach Rettung. Bei CNN und MSNBC ist die Welt zwar auch laut und grell, aber bunter. Gemacht ist beides für völlig verschiedenes Publikum.

Medien-Konzentration verschärft Situation

Das TV-Meinungsklima in den USA ist bereits stark polarisiert, ein bevorstehender Deal könnte weitere Folgen haben. Die Sinclair Broadcast Group will 42 TV-Sender der Tribune Media zu ihren bereits bestehenden 170 Stationen zukaufen. Ihre Programme würden fast drei Viertel (72 Prozent) aller US-Zuseher erreichen können – mehr als doppelt so viel wie vom Staat erlaubt. Die Sinclair Gruppe verpflichtet ihre Sender zum Verbreiten konservativer Inhalte. Möglich macht den Deal (vier Milliarden US-Dollar) ein Schlupfloch, das Ajit Pai als Chef der Regulierungsbehörde nutzt, schreibt „Politico“. Pai sei ein Freund Trumps.

Direkter Kontakt über Twitter

Der Präsident selbst glaubt nach wie vor fest an seine Startegie der medialen Unabhängigkeit: Trump, goldenes Medium und Botschaft in einem. Oft wiederholt er, nur er könne über seine Social-Media-Kanäle die wirkliche Wahrheit direkt ans Volk bringen. Kein Umweg, keine Rückfragen, aller Kontext ausgeschaltet. Trump pur, etwa auf Facebook, jetzt auch mit der ehemaligen CNN-Kommentatorin Kayleigh McEnany.

Bots als Trump-Follower

Trump hat allein gut über 32 Millionen Twitter-Follower, davon klassifizieren die Spezialisten von Twitter Audit allerdings ein Drittel als stillliegend oder als Bots, automatisierte Programme. Vor kurzem retweetete Trump ein Bot-Lob, das trug ihm einigen Spott ein. Twitter löschte den Bot-Account, Trump seinen Retweet nicht.

Radio als Präsidenten-Biotop

Deutlich mehr im Analogen verhaftet sind rechte Talk-Radiomoderatoren wie Mark Levin und Rush Limbaugh. Amerika ist ein Autofahrerland, Radio ein oft viel beachtetes Medium. Talk-Radios haben Trump 2016 den Boden mitbereitet. Mit immenser Durchschlagskraft rammten sie ihren Hass auf Barack Obama, alle Buntheit und so genannte linke Themen in Amerikas Boden. Dort steckt er noch immer, und Trump erntet weiter.

InfoWars: Homosexualität durch Saft

Im Urschlamm aller Verschwörungstheorien arbeitet InfoWars. Barack Obama sei Muslim, die US-Regierung mache Kinder mit Saft homosexuell, Israel habe die Anschläge des 11. September 2001 mitgeplant, dergleichen mehr. Moderator Alex Jones hat neben seiner vielbesuchten Webseite eine mehrstündige Radioshow, der regelmäßig Millionen zuhören, was bei all den Ausfällen, all der Hetze und dem zur Schau gestellten Gebrüll nicht immer erfreulich sein kann.

Erfolg durch Unsinn

In diesem Medium der falschen und gefälschten Informationen war Trump im November 2015 zu Gast, als Präsidentschaftskandidat. Ein früher Sündenfall, schrieb die „Washington Post“. Trump hat den Draht zu Jones Berichten zufolge nie abreißen lassen, InfoWars gehört zum treuesten, glühenden Flankenschutz. Wer an Fakten und Aufklärung glaubt, wird Ton und Inhalt schwierig finden. InfoWars ist sehr erfolgreich. Auf Trump-Veranstaltungen tragen Anhänger die schwarzen T-Shirts. Im Shop kann man Hetzschriften gegen den Klimawandel kaufen, Zielfernrohre und Diätprodukte.
Nachrichtenseiten wie Breitbart News, der Daily Caller oder Newsmax tun ein Übriges, ihre eigene Sicht der Welt zu verbreiten. Berührungspunkte gibt es jeweils auch mit dem großen Universum von Youtube. Zuletzt hat die „New York Times“ berichtet, wie erfolgreich, umfassend, ausgereift und beschlagen Vertreter der neuen Rechten dort ihren Rassismus und Antisemitismus unters Volk bringen.

Breitbart-News als Vorreiter

Es gibt die These, dass ein rechtes Medien-Ökosystem über Jahre unter anderem von Steve Bannon in den USA mitaufgebaut wurde, als er noch Breitbart News verantwortete. Heute ist er Trumps politischer Chefstratege. Er weiß, wie die Klientel tickt. Wer einige Zeit in dieses immens heterogene mediale Paralleluniversum eintaucht, wundert sich nicht mehr. Anbieter von alternativen Fakten und Anhänger des Präsidenten sorgen dafür, dass ihre Welt dem entspricht, was ihrer Eigensicht gleichkommt. (APA)

 

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