Apps messen in Zukunft Blutdruck oder Zuckerwerte und erstellen Erstdiagnosen. Die Möglichkeiten der Digitaliserung lassen den Gesundheitsmarkt laut einer Studie von Roland Berger von gegenwärtig knapp 80 Milliarden Dollar im Jahr 2015 auf über 200 Milliarden Dollar bis 2020 explodieren.
Jede Menge Kapital im Spiel
Junge Start ups drängen mit neuen Geschäftsmodellen in den Gesundheitsmarkt. Die Investitionen boomen. In den USA wuchs die Finanzierung von Start ups im Gesundheitsmarkt im Jahr 2015 um 4,5 Milliarden Dollar. Und auch Europa bleibt attraktiv für die Gründerszene. Über 20 Inkubatoren und zahlreiche Industrieinitiativen schaffen ein sehr gutes Umfeld. Zusätzlich investiert die Politik: die Horizon 2020-Initiative der Europäischen Kommission stellt zum Beispiel 600 Millionen Euro für Europas digitale Zukunft bereit.
Individualisierte Medizin
Die Digitalisierung erweitert den Gesundheitsmarkt um zusätzliche Marktsegmente“, so die Roland Berger-Studie „Digital and Disrupted: All change for Healthcare – How can pharma companies flourish in a digitized healthcare world? Von der P4-Medizin, die für eine prädiktive, präventive, personalisierte und partizipative Behandlung steht, könnten unter anderem die Krebsfrüherkennung sowie immunologische Indikationen profitieren. Die P4-Medizin setzt ein, bevor eine Therapie von Krankheiten überhaupt notwendig wird.
Apps für Erstdiagnosen
Vor allem das Segment für mobile Dienste, wie zum Beispiel Apps für Smartphones, mit einem jährlichen Wachstum von mehr als 40 Prozent, treibt die Digitalisierung der Branche voran. So bieten Startups die Möglichkeit, anhand gesundheitsrelevanter Rahmendaten bestimmte Krankheiten festzustellen. Dabei erfasst das Smartphone als täglicher Begleiter Werte, wie zum Beispiel den Blutdruck, die Körpertemperatur, Schlafgewohnheiten, usw. Auf dieser Basis soll die App Erstdiagnosen erstellen können und seinem Besitzer bei Bedarf einen Arztbesuch oder direkt die passende Medikation empfehlen. So könnte zum Beispiel eine Schilddrüsenüberfunktion frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden.
Digitalisierung schafft neues Service
Die Digitalisierung ermöglicht Diagnosen und Therapien durch Information-guided Therapy über Anwendungen auf Basis von Metabolomics und Microbiomics bis hin zu Stammzelltherapien mit Hilfe des Genomeditings. Deshalb sind alle Unternehmen, aber auch Ärzte, Apotheker, Patienten und Regierungen, vom digitalen Wandel im Gesundheitsmarkt betroffen.
Medikation ohne Ärzte?
So entwickeln Pharmakonzerne zusammen mit großen Technologieanbietern bereits heute neue Produkte, um die Wirkung ihrer Medikamente zu testen. Die digitale Auswertung von Gesundheitsdaten könnte zu einer individuellen Medikation des Patienten führen, ohne dass dafür Ärzte oder Apotheker konsultiert werden müssen. Für Firmen, die medizintechnische Geräte produzieren, könnte die Zukunft in der Vernetzung liegen. Ein Datenaustausch mit anderen Geräten und eine Echtzeitüberwachung können nach einer Operation Schwerpunkte für die Nachbehandlung identifizieren.
Von Online-Therapien bis zu Medikamenten aus dem 3 D-Drucker
Patienten können sich schon heute weltweit Ärztemeinungen über das Internet einholen. Mit zusätzlichen Daten sind komplette Onlinediagnosen mit neuen Bezahlmodellen denkbar. Apotheker werden mithilfe eines 3D-Druckers Medikamente mit personalisierter Dosierung herstellen. Ebenso sollten sich Versicherungskonzerne und Regierungen auf die neuen digitalen Rahmenbedingungen einstellen. „Elektronische Patientenakten ermöglichen eine schnellere und effizientere Krankenbehandlung und können in den kommenden fünf Jahren die Kosten für die Gesundheitssysteme weltweit um 80 Milliarden Dollar senken“, heißt es bei Roland Berger. „Gleichzeitig werden durch die Digitalisierung von Daten und Diensten die nationalen Grenzen fallen, in denen sich Gesundheitssysteme heute bewegen.“ Versicherungen sollten daher zukünftig ihr Angebot internationaler ausrichten und Regierungen nationale regulatorische Rahmenbedingungen harmonisieren.
Digitale Konzerne auf dem Weg in den Gesundheitsbereich
Neben der Digitalisierung der Wertschöpfungskette stellt die Konkurrenz von neuen Marktteilnehmern die größte Herausforderung für etablierte Anbieter im Gesundheitsbereich dar. Unterstützt durch die neuen Technologien erhalten branchenfremde Akteure heute Zugang zu Fachwissen, das bis dato nur die Branche selbst hatte. So werden neben Startups auch große Technologiekonzerne zu Mitbewerbern. Darauf sollten sich Firmen im Gesundheitswesen schnell vorbereiten: Traditionelle Unternehmen sollten die Digitalisierung aktiv vorantreiben, um gegenüber neuen Anbietern nicht ins Hintertreffen zu geraten, so die Studie.