Vorsorge: Wie Firmenpensionen attraktiver gemacht werden können

08. Februar 2018 Drucken
Vorsorge: Wie Firmenpensionen attraktiver gemacht werden können
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Vorgeschlagen wird ein Aufschub der Besteuerung, eine Prämie für Geringverdiener und optional eine SV-Befreiung der Beiträge. Neben den Menschen sollen auch Fiskus und Volkswirtschaft profitieren, hat eine IHS-Studie errechnet.

Das Pensionskassen-System soll durch eine Reform auch für jene drei Viertel der Arbeitnehmer attraktiv werden, die bisher nicht auf Firmenpensionen zurückgreifen können. In einer IHS-Studie wird ein Aufschub der Besteuerung, eine Prämie für Geringverdiener und optional eine SV-Befreiung der Beiträge vorgeschlagen.

Ziel sei ein Maßnahmenbündel, das die Durchdringungsrate der zweiten Pensionssäule= Firmenpensionen erhöhen und damit die Pensionslücke mit Eintritt der Pensionierung schließen helfen soll, sagte der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, vor Journalisten.

Zusätzliche Pension erwerben

Je nach Modell könnten mit der Reform gegenüber dem heutigen System individuell zusätzlich 220 bis 622 Euro im Jahr an Pensionsanspruch erworben werden – abhängig vom Veranlagungserfolg, der zwischen 3 und 6 Prozent jährlich angenommen wird.

Varianten der Besteuerung

Variante A des Vorschlags sieht für die Eigenbeiträge eine Sozialversicherungs- und Steuerfreiheit vor, dafür erfolgt die Besteuerung und SV-Beitragseinhebung später in der Pension (EET-System). Exempt-exempt-tax sei „international üblich, kaum ein Land hat das nicht, außer Österreich“, so Zakostelsky. Bei Variante B wären nur die Eigenbeiträge steuerfrei und würden in der Pension besteuert, es würden aber SV-Abgaben auf die Vorsorgebeiträge geleistet. Bei Variante A werden freilich – wegen der SV-Freiheit der Beiträge – die persönlichen Pensionsansprüche aus der ersten, staatlichen Säule marginal verringert.

Startkosten nehmen ab

Den Staat – und die Volkswirtschaft – würde die Systemumstellung anfänglich etwas kosten, das käme später aber wieder herein, so IHS-Chef Kocher. Dem Staat würden fiskalisch zunächst Kosten von jährlich 52 bis 108 Mio. Euro entstehen durch die in die Pension verschobene Besteuerung bzw. eine staatliche Prämie für jene, die wegen zu geringer Einkommen nicht von der Steuerfreiheit profitieren. Später nehme der Staat, auch durch einen höheren Konsum, laut den meisten Szenarien sogar mehr ein. Variante A wirke langfristig besser, Variante B kurzfristig. Liege der durchschnittliche Veranlagungszinssatz um zumindest 1,1 Prozent höher als der durchschnittliche Verschuldungszinssatz des Staates, sei der Saldo in jedem Szenario positiv, so Kocher.

Prämien für Schlechtverdiener

Niedrigeinkommensbezieher sollen von – neu eingeführten sozial gestaffelten – Prämien profitieren, sofern sie Eigenbeiträge leisten. Das könnten Basisprämien sein, optional auch eine Kinderprämie (analog der Familienbeihilfe) oder optional auch eine Art Einstiegsprämie. Durchgerechnet wurden Varianten mit 100 oder 200 Euro Basisprämie pro Jahr, die jedem zugutekommen würden, bzw. Varianten ohne Kinderzuschlag oder mit einem solchen von 100 Euro/Jahr. Die Eigenbeiträge sollen, anders als derzeit, die Arbeitgeber-Beiträge übersteigen können, solange AN- und AG-Beiträge unter 10 Prozent der Lohnsumme bleiben.

Sparanteil von 2 Prozent des Bruttogehaltes

Nach dem Reform-Vorschlag soll es einen Mindest-Sparanteil von 2 Prozent der Bruttogehaltssumme geben, aus Eigenbeitrag plus Förderung. Und der Eigenbeitrag soll zumindest 100 Euro im Jahr betragen, sonst gibt es keine oder nur anteilsmäßig Förderung.

Turn-around nach zehn Jahren

Volkswirtschaftlich wäre der Effekt eines flächendeckenden Ausbaus zunächst negativ, da die Eigenbeiträge gebunden würden, also nicht dem sofortigen Konsum zur Verfügung stünden. Dies werde später aber durch die höheren Pensionen mehr als ausgeglichen, hat die IHS-Studie errechnet. Wenn die fiskalischen Ausfälle über Verschuldung finanziert werden, soll das neue Modell binnen zehn Jahren einen positiven Wertschöpfungseffekt von 234 bis 751 Mio. Euro (und 435 bis 1.429 zusätzliche dauerhafte Arbeitsplätze) bringen – falls über Budget-Einsparungen finanziert, sollen es in zehn Jahren 100 Mio. bis 1,7 Mrd. Euro sein, bei 214 bis 2.712 Dauer-Jobs zusätzlich. Die Effekte der Einspar-Variante sind laut Kocher schwerer vorherzusagen, daher ist die Spannweite größer.

Pensionskassen rechnerisch inkludiert

Die Rechnung geht davon aus, dass auch die derzeit rund 900.000 von einer Pensionskasse erfassten Menschen (davon 90.000 bereits in der Auszahlungsphase, der Rest noch im Beruf aktiv) im neuen System mit drin sein werden. Für die Pensionskassen sei es ein leichtes, hier individuell in bisherige und künftige Ansprüche zu trennen, die parallel weitergerechnet würden.

14.000 Betriebe mit Pensionskassenvertrag

Laut Pensionskassen-Fachverband verfügen erst rund 14.000 heimische Betriebe über einen Pensionskassen-Vertrag. Am höchsten sei die Durchdringung mit etwa 50 Prozent bei den größeren Unternehmen, sagte Zakostelsky. Bei den mittelgroßen seien es 20 bis 25 Prozent, bei den Kleinfirmen lediglich 10 Prozent: „Wir befinden uns an einer Weggabelung. Wir müssen dieses Thema endlich ideologiefrei diskutieren. Ich glaube, dass die neue Regierung das sehr offen angeht.“ Claus Raidl, Präsident der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), meinte, mit Hilfe der IHS-Unterlagen sei es „leicht, die Politik zu überzeugen“. Und es erfolge „nicht der Ruf nach einer neuen Förderung, es geht nur um eine Steuerverschiebung beim Individuum.“

Wenig Interesse auf Arbeitnehmerseite

Zakostelsky bedauerte, dass es im jetzigen System zu wenig Nachfrage auf Arbeitnehmerseite nach einer Verankerung von Pensionskassen-Lösungen in den Kollektivverträgen (KV) gebe. Gegenwärtig gebe es nur 4,25 Prozent staatliche Prämie auf bis zu 1.000 Euro Eigenbeitrag pro Jahr (in Summe also maximal 42,50 Euro), ungeachtet des sozialen Hintergrunds. Das neue Modell würde „viel Sogkraft erzeugen“, gab er sich überzeugt. Zu einem Obligatorium oder Zwangsbeiträgen äußerte er sich ablehnend. (APA)