Wie die Zulieferindustrie vom mobilen Wandel profitieren wird

15. Juli 2018 Drucken
Wie die Zulieferindustrie vom mobilen Wandel profitieren wird
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2030 werden technisch hochwertigere Autos auf den Straßen fahren als heute. Dadurch ergeben sich für die Zulieferindustrie völlig neue Absatzchancen. 

Ob Verbrennungsmotoren oder Zero-Emission-Antrieb: 2030 werden technisch hochwertigere Autos auf Europas Straßen fahren. Dadurch ergeben sich für die Zulieferindustrie völlig neue Absatzchancen. 

In der Autoindustrie – und hier besonders bei den Zulieferern – werden Verluste beim klassischen Antrieb durch Zuwächse beim Elektroantrieb mehr als kompensiert.  Viel Potential besteht auch bei Achsen, Sensorik und Interieur, heißt es in der PwC-Studie „DON‘T PANIC – The Transformation of the Automotive Value Chain“.

Herstellungskosten steigen

Die durchschnittlichen Herstellungskosten eines in Deutschland verkauften Pkw könnten sich bis 2030 von heute circa 18.000 Euro um real 10 Prozent auf circa 19.800 Euro erhöhen – diese Kosten entsprechen auch der Wertschöpfung, die Zulieferer und Automobilkonzerne in der Herstellung erbringen. Dadurch sinkt die Wertschöpfung – anders als oft angenommen – nicht etwa. Sondern sie steigt laut PwC-Studie bis 2030 von momentan 63,2 Milliarden Euro um real 22 Prozent auf 77,2 Milliarden Euro.

Elektrische Antriebe bieten höheres Umsatzpotential

Wie erwartet wird das heutzutage wertvollste Fahrzeugsystem – der klassische Antriebsstrang – im Zuge der Umstellung auf den Elektromotor allmählich an Bedeutung verlieren. PwC schätzt den Wertschöpfungsbeitrag des Antriebsstrangs im Jahr 2030 auf 13,1 Milliarden Euro am deutschen Markt. Zum Vergleich: Aktuell sind es geschätzte 15,9 Milliarden Euro, das Maximum werde 2023 mit 17,4 Milliarden Euro erreicht. Diese Verluste werden aber durch die zusätzlichen Umsätze bei elektrischen Antriebsstrangkomponenten mehr als kompensiert. Heute sorgt die Nachfrage des deutschen Markts nach elektrischen Antrieben für eine Wertschöpfung von circa 1,3 Milliarden Euro. Im Jahr 2030 sind es der PwC-Analyse zufolge errechnete 14,7 Milliarden Euro, einschließlich der erforderlichen Batteriespeicher. In Summe könnte der Wert der für den deutschen Markt hergestellten Antriebskomponenten bis 2030 gegenüber heute real um knapp 60 Prozent zunehmen – von heute circa 17,4 Milliarden Euro auf fast 28 Milliarden Euro. Dass diese Erkenntnisse bislang kaum verbreitet sind, liegt laut PwC daran, dass der eigentliche Charakter der automobilen Transformation noch kaum erkannt wird.

Die Transformation geht in viele Richtungen

Das Elektroauto wird am Markt immer wichtiger. Dabei werden zwar viele klassische Fahrzeugteile wie der Grundmotor oder die Abgasanlage verschwinden. Das Verbrennerfahrzeug wird aber noch viele Jahre gebraucht werden. Zudem erschöpft sich der Wandel ja nicht in der Elektrifizierung des Antriebs. Parallel kommen andere wertvolle technische Inhalte wie das autonome Fahrsystem, Connectivity-Bausteine oder intelligente Interieurs auf den Markt.

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Robo-Taxis statt Garagengold

Das Auto der Zukunft werde deshalb nicht nur anders angetrieben als heute, meint PwC: Die automobile Transformation bedeute, dass sich die Mobilität als solche verändern werde – weg vom traditionellen Individualverkehr, hin zu völlig neuen Mobilitätsformen wie selbstfahrenden Robo-Taxis, in denen sich manchmal nur ein oder zwei, manchmal aber auch fünf oder zehn Personen bewegen. Deshalb werden Autos in der nächsten Generation schon andere Komponenten brauchen als heute – und in zwei Generationen noch mal ganz andere Fahrwerke, Systeme oder Interieurs.

Wer baut die neuen Vehikel?

Dabei liegt die besondere Herausforderung für Hersteller wie Zulieferer darin, dass sich der zeitliche Beginn der automobilen Transformation nicht exakt definieren lässt. Es werden lokal unterschiedlichen Entwicklungen entwickelt. In China zum Beispiel, wo die Regierung klare Anreize zur Etablierung von neuen Mobilitätsformen setzt, dürfte sich der breite Wandel wesentlich früher vollziehen als in den USA. Und in den Städten schneller als auf dem Land.

Autonomes Fahren verändert stärker als E-Mobilität

Dabei spricht aus Sicht von PwC vieles dafür, dass der Trend zum autonomen Fahren – in Kombination mit Car-Sharing – die Branche weitaus nachhaltiger verändern wird als der elektrische Antrieb. Ein Beispiel: Heutige Autos werden in Deutschland im Schnitt gut 17 Jahre alt. Dagegen zeigt die PwC-Studie, dass selbstfahrende, im Sharing-Betrieb genutzte Autos aufgrund des viel höheren Verschleißes nur noch knapp vier Jahre in Betrieb sein dürften.

Vier statt siebzehn Jahre Lebensdauer

Die Zahl der im Verkehr benötigten Fahrzeuge sinkt, zugleich steigt der Absatz strukturell weiter an, weil es mehr Ersatzbedarf gibt. Und auch das Verkehrsaufkommen wird zunehmen, da individuelle Mobilität günstiger, besser und komfortabler genutzt werden kann. Andererseits werden autonome, geteilte Autos viel seltener geparkt sein, und damit kostbaren Verkehrsraum freigeben. Ebenso werden intelligente Konnektivitäts-Lösungen bis hin zu zentralen Verkehrsmanagement-Systemen die Effizienz und Sicherheit des Straßenverkehrs nachhaltig erhöhen. Die Folge: Selbst auf Basis der heutigen Infrastruktur wird viel mehr Mobilität möglich sein.

Neue Fahrzeuge benötige neue Komponenten

Für die deutsche Zulieferindustrie bedeutet dies: Die Zukunft wird zwar um einiges anders werden, was aber nicht unbedingt zulasten der Absatzchancen gehen muss – im Gegenteil. So sagt die PwC-Studie für 2030 bereits einen Anteil selbstfahrender Autos (Level 4 und 5 – Verantwortung liegt beim Fahrzeug, nicht mehr beim Fahrer) an den Neuzulassungen von 36 Prozent in China und 28 Prozent in Europa voraus.

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Weitreichende Auswirkungen

Weil das autonome Fahren zum Beispiel ein aktives Fahrwerk mit vielfältigen Kompensationsfunktionen erfordert, braucht es allein in diesem Bereich einer Vielzahl neuer Komponenten. Zudem muss die gesamte Karosserie auf den wesentlich leiseren elektrischen Antrieb ausgelegt werden – und darauf, dass bei elektrischen Autos viel weniger Energie für Heizung, Klimatisierung und andere Systeme zur Verfügung steht.
Damit wächst zum Beispiel der Wertanteil der elektrischen und elektronischen Komponenten wie Stromversorgung, Sensoren und Aktuatoren, Datenverbindungen und Rechenleistung massiv. Laut PwC-Analyse dürfte sich hier der Beitrag zur Wertschöpfung allein für den deutschen Markt von knapp sieben Milliarden Euro um über 50 Prozent auf mehr als elf Milliarden Euro erhöhen – obwohl einzelne Komponenten einem zum Teil drastischen Preisverfall unterliegen dürften.

Neue Art von Interieur

Viele neue Opportunitäten ergeben sich im Bereich Interieur. Da es in sogenannten Robo-Taxis keinen Fahrer mehr gibt, der für die zentrale Steuerung aller Funktionen zuständig ist, müssen auch alle anderen Sitze im Auto mit vielfältigen Informations- und Bedienfunktionen ausgerüstet werden. Folge: Kommt die Innenausstattung für den deutschen Automobilmarkt aktuell auf einen Wertschöpfungsbeitrag von sieben Milliarden Euro jährlich, könnten es 2030 knapp zehn Milliarden Euro sein. Insbesondere in diesem Bereich ist aktuell die Wertschöpfung fast ausschließlich bei den Zulieferern angesiedelt. Gut möglich, dass das Interieur deshalb demnächst zu einem Kandidaten für In-Sourcing-Strategien von Autoherstellern wird.

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