Die britische Premierministerin Theresa May hatte binnen zwei Tagen zwei entscheidende Abstimmungen im House of Commons zu überstehen. Einem desaströsen Brexit-Votum steht ein erfolgreicher politischer Überlebenskampf gegenüber.
Während das britische Unterhaus (House of Commons) am Dienstag den zwischen der britischen Regierung und der EU ausverhandelten Austrittsvertrag mit 432 zu 202 Stimmen deutlich abgelehnt hat, konnte Premierministerin May gestern Mittwoch das Misstrauensvotum der Opposition abschmettern. Gerhard Winzer, Fondsmanager der Erste Asset Management, hat die Situation für britische Wirtschaft und Währung analysiert.
Hoher Zeitdruck
Mit der gewaltigen Niederlage beim Brexit-Votum hat es Theresa May zweieinhalb Jahre nach dem Referendum nicht geschafft, einen Konsens im Parlament zu finden. Es ist wenig Zeit für weitere Verhandlungen. Die chaotischen Zustände werden verlängert. Für die weitere Entwicklung besteht eine erhebliche Unsicherheit. Grundsätzlich gibt es vier mögliche Entwicklungen für britische Wirtschaft und Währung:
Ein„harter“ Brexit
Der Austritt des Vereinigten Königreichs ohne Austrittsvertrag gilt als „harter Brexit“. Premierministerin May hat nach dem bestandenen Misstraunsvotum bis kommenden Montag Zeit, um einen alternativen Plan dem Parlament vorzulegen. Das ist wenig realistisch. Resolutionen für eine Veränderung des Austrittsvertrages werden wahrscheinlich verabschiedet werden. Es wird jedoch schwer sein, einen Konsens im Parlament zu finden. Selbst wenn im Parlament eine Mehrheit für eine Position gefunden wird, muss diese noch mit der EU ausverhandelt werden. Dafür bleibt nicht mehr viel Zeit. Schlussendlich akzeptieren die Abgeordneten den „harten“ Brexit. Dieses Umfeld ist negativ für das Britische Pfund.
Verlängerung des Stichtags
Eine Verlängerung des Brexit-Stichtages zum 29. März ist möglich, allerdings müssten die anderen 27 EU Staaten zustimmen. Der verlängerte Stichtag würde wahrscheinlich vor den EU-Parlamentswahlen liegen, die am 23 Mai beginnen. In diesem Szenario ist viel möglich: So könnten ein neuerliches Referendum über den Ausstieg des UK von der EU oder Neuwahlen stattfinden. Daraus resultieren zwei Entwicklungspfade: Entweder kein Brexit oder abermals zähe Verhandlungen mit einem nicht vorhersagbaren Ausgang zwischen der Regierung und dem Parlament sowie der EU. Der Ausblick für das Britische Umfeld bleibt sehr unsicher. Natürlich könnte letztendlich ein Kompromiss zwischen dem UK und dem Parlament gefunden werden.
„Geordneter“ Brexit
Entweder der bestehende Austrittsvertrag wird doch akzeptiert, oder im Parlament werden Abänderungen verabschiedet, die die EU akzeptiert. Die Verhandlungen über die zukünftigen Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU können beginnen. So könnte zum Beispiel das UK doch in der Zollunion bleiben oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) beitreten. Das würde einen „soften“ Brexit darstellen. Oder die Übergangsperiode nach dem Brexit könnte auf einen langen Zeitraum ausgedehnt werden. Dieses Szenario ist günstig für das Britische Pfund.
Kein Brexit
Ob es für dieses Szenario vor einem neuen Referendum oder vor Neuwahlen eine Mehrheit im Parlament geben wird, ist fraglich. Das Parlament könnte jedoch ein Gesetz verabschieden, wonach das UK in der EU bleiben soll, wenn kein Kompromiss zwischen der EU und dem UK gefunden wird. Die gesetzliche „Voreinstellung“ wird von „harter Brexit auf „kein Brexit“ verändert. Dieses Szenario ist sehr positiv für das Britische Pfund.
Liste von Fehleinschätzungen
Die Liste an Fehleinschätzungen wird länger (David Cameron über den Ausgang des Brexit-Referendums, Theresa May mit der Drohung eines „harten“ Brexit). Somit bleibt nur noch die Hoffnung, dass die rationalen Argumente überwiegen und zumindest ein Austritt ohne Austrittsvertrag vermieden wird.