Facebook will mit Libra alte Währungshindernisse abschaffen. Harald Egger, Chief Analyst der Erste Asset Management, hat die Pläne zur Digitalwährung einer näheren Betrachtung unterzogen.
Am 18. Juni 2019 sorgt Facebook für Aufsehen: Das Unternehmen mit Sitz in Menlo Park, Kalifornien, kündigte an, eine eigene digitale Währung mit dem Namen Libra im 1 Halbjahr 2020 einführen. Zu diesem Zweck hat Facebook mit 27 anderen Unternehmen ein eigenes – in der Schweiz angesiedeltes – Unternehmen, die Libra Association gegründet. Jedes Gründungsmitglied musste zumindest $10 Mio. als „Membership Fee“ beisteuern. Bis zum Start im nächsten Jahr soll die Zahl der Unternehmen auf über 100 anwachsen.
Wie funktioniert Facebook’s Libra
Libra ist eine digitale Währung, deren Wert an einen Korb von Hard Currencies gekoppelt sein wird. D.h. wenn 10 Mio. Libra im Umlauf sind, hält das Unternehmen (über eine Tochtergesellschaft Libra Reserve) Währungen und „risikolose Anleihen“ im Wert von $10 Mio. Welche Währungen das sein werden und in welchem Verhältnis ist noch nicht bekannt.
Mögliche Zinsgewinne werden nicht an die Kunden weitergegeben, sondern sollen zum Betrieb der Gesellschaft verwendet werden (möglicherweise Auszahlung von Dividenden an die Betreiber?). Damit hat das Unternehmen das Potenzial zu einem der größten Geldmarktfonds aufzusteigen. Am ehesten kann man Libra mit den sogenannten Stable-Coins, wie zum Beispiel Tether vergleichen (obwohl es zahlreiche Unterschiede gibt).
Wallet und eigene App sind notwendig
Libra können über eine Kryptobörse (z.B. über das Gründungsmitglied Coinbase) erworben werden. Dazu benötigen die User ein sogenanntes Wallet. Facebook wird dazu ein eigene App, die Calibra, zur Verfügung stellen. Libra sollen so einfach wie eine Message von einem User zum nächsten verschickt werden können (Sender und Empfänger müssen über ein Wallet verfügen).
Keine Bankverbindung notwendig
Als potentielle Kunden hat Facebook zunächst jene 1,7 Mrd. Menschen im Visier, die über keine Bankverbindung verfügen. Zum Versenden von Libra ist auch keine Bank notwendig, ein Smartphone genügt um am Libra-Ökosystem teilnehmen zu können. Facebook weist darauf hin, dass vor allem Auslandstransaktionen rasch, unbürokratisch und günstig (Details noch unbekannt) abgewickelt werden können.
Libra statt Kreditkarten
Wirft man einen Blick auf die Gründungsmitglieder so wird rasch klar, dass die Vision von Facebook weitergeht und Zahlungen bei booking.com, Spotify, eBay, Uber mittels Libra ermöglicht werden sollen. Generell sollen sogar Kreditkarten ersetzt werden können, weshalb man wohl Visa und Mastercard als Gründungsmitglieder mit ins Boot holen konnte.

Mark Zuckerberg mit Jüngern. / Foto: Flickr-Maurizio Pesce
Was ist Libra nicht
Libra ist keine offene Blockchain. Es werden keine mit Transaktionen gefüllten Blöcke gebildet, die durch Mining entstehen. Statt Miner gibt es sogenannte Validatoren, die Transaktionen prüfen und dem geteilten Register anheften. Nachdem die einzelnen Nodes im System bekannt sind, kann auf das aufwendige und energieintensive Proof of Work verzichtet werden. Libra ist dennoch keine Kryptowährung im herkömmlichen Sinn.
Sanktionsanfällig
Das System ist nur sehr eingeschränkt dezentral. Zudem sind die fünf dafür notwendigen Eigenschaften (offen, öffentlich, neutral, grenzenlos und zensur-resistent) nicht oder nur eingeschränkt gegeben. Die Gründer von Libra werden sich wohl oder übel an internationale Sanktionen halten müssen (nicht zensur-resistent). Die Transaktionen werden wahrscheinlich nicht für Jedermann öffentlich zugänglich sein.
Hohe Eintrittsschwellen für Unternehmen
Die Partizipation an der geteilten Datenbank ist an Bedingungen geknüpft, die Eintrittsbarrieren relativ hoch gesteckt, um sicher zu stellen, dass nur hochkarätige, zahlungskräftige Unternehmen teilnehmen können. Erst nach 5 Jahren soll das System für alle Unternehmen geöffnet werden, die an diesem System partizipieren wollen.
Stärken, Schwächen, Chancen
- Stärken: Das Konsortium hat die technischen, personellen und finanziellen Ressourcen, um ein bedeutendes neues Zahlungssystem aufzubauen. Ein großer Vorteil ist, dass eine Kundenbasis bereits existiert. Damit hat Libra Association gegenüber vielen FinTech Unternehmen den Vorteil das Projekt erfolgreich gestalten zu können.
- Schwächen: Facebook hat derzeit ein Image-Problem. Es wird Überzeugungsarbeit notwendig sein um das Vertrauen der User wieder zu gewinnen. Das Verhalten von Facebook in der Vergangenheit könnte aber auch eine genauere Prüfung der Regulierungsbehörden mit sich ziehen (siehe Bedrohungen).
- Chancen: Facebook, zusammen mit Instagram und WhatsApp, hat 2,4 Mrd User, viele davon in den Emerging Markets. Auch wenn nur 10% der User das Zahlungssystem nutzen, erschließt sich für das Unternehmen ein enormes Potential. Libra Association könnte zu einem der größten globalen Finanzunternehmen aufsteigen. Überweisungen könnten dabei nur der Anfang sein. Es ist davon auszugehen, dass die zusätzlichen Informationen, die sich aus den Transaktionen ergeben genutzt werden, um personifizierte Anlageprodukte zu entwickeln und in weiterer Folge den Usern angeboten werden.
Die Bedrohungen
Aus heutiger Sicht gibt es zwei Bedrohungen, die den Erfolg von Libra beeinträchtigen können: Als Bank eingestuft zu werden und dadurch den Regulierungen durch Behörden unterworfen zu werden. Und es bleibt die Akzeptanz in den Zielgruppen fraglich.
Regulierung durch Behörden?
Denn es ist noch ungewiss wie die internationalen Regulierungsbehörden auf die Ankündigung reagieren werden. Facebook hat zwar mitgeteilt, dass sie mit Regulierungen zusammenarbeiten und im Gespräch mit der CFTC in den USA sind, allerdings wird wohl eher die SEC in den USA zuständig sein. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die Aussage des britischen Zentralbank-Gouverneurs Mark Carney: „We will approach Libra with an open mind but not with an open door“.
Um sich des Themas anzunehmen, hat die G7 zusammen mit großen Notenbanken und dem IMF eine Task Force gegründet um zu klären,wie mit dem Thema umgegangen werden soll. Die Vorsitzende des US-Finanzdienstleistungsausschusses hat das soziale Netzwerk sogar aufgefordert die Entwicklung einzustellen, bis eine Untersuchung stattfinden bzw. abgeschlossen ist. Russland und Indien haben bereits bekannt gegeben, dass sie Libra nicht legalisieren werden.
Kein Geldwäsche-Vehikel
In erster Linie geht es den Regulierungsbehörden um die Einhaltung von KYC (Know your Customer) und AML (Anti Money Laundering), also um die Erfassung der persönlichen Daten und die Bekämpfung der Geldwäsche. Völlig unklar ist noch welche Lizenzen für den Betrieb notwendig sein werden. Obwohl sich Facebook selbst nicht als Bank sieht, kann es durchaus sein, dass die Regulierungen dies anders sehen und dementsprechende Auflagen einrichten werden. Sollte das der Fall sein, müsste das Konsortium jede Transaktion dahingehend prüfen, ob Sanktionen verletzt werden.
Sorge um Privatsphäre
Aus heutiger Sicht ist nicht klar, ob die User bereit sind die neue Währung zu akzeptieren. Es ist richtig, dass Menschen, die über keine Bankverbindung verfügen, über eine Option erfreut sein werden. Zusätzlich haben Menschen in Emerging Markets mit einer schwachen Währung nun einen leichteren Zugang zu Hard Currencies (z.B. Argentinien, Türkei). Für Menschen, die einen leichten Zugang zu Hard Currencies haben, könnten aber Bedenken zur Privatsphäre überwiegen.
Die Konkurrenz
In Afrika wird Libra am ehesten mit M-Pesa konkurrieren, ein Zahlungssystem, das von Vodafone mit großem Erfolg betrieben wird. Es ist demnach kein Zufall, dass Vodafone als Gründungsmitglied von Libra gewonnen werden konnte. In entwickelten Ländern wird Libra mit Kreditkarten in Konkurrenz stehen. Möglich, dass Händler Libra bevorzugen, wenn die Kosten für sie geringer ausfallen. In den USA ermöglicht Apple mit Apple Cash das einfache Versenden von US Dollar, ansonsten global mit Apple Pay das einfache Bezahlen mit dem Handy. In China bieten Alibaba und Tencent das bargeldlose Zahlen schon länger an.
Bitcoin ist was anderes
Libra ist keine Konkurrenz zu Bitcoin. Die Anhänger von Bitcoin schätzen die Dezentralität und vollkommene Unabhängigkeit gegenüber Staaten oder Unternehmen und sehen Bitcoin mittlerweile eher als Asset, ähnlich dem Gold. Wenn man eine Konkurrenz zu Kryptowährungen strapazieren möchte, drängen sich am ehesten Ripple oder Stellar auf, die Auslandsüberweisungen schneller, effizienter und günstiger gestalten wollen. Im entferntesten Sinn vielleicht auch Bitcoin Cash, das gegenüber Bitcoin mehr Kleintransaktionen abwickeln will.

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Auswirkungen
Libra ist keine klassische Kryptowährung. Dennoch hat Libra das Potenzial, das Finanzsystem zu revolutionieren. Die Bereitschaft, digitale Währungen zu akzeptieren, könnte steigen, allen voran auch Bitcoin. Libra könnte vor allem in den Emerging Markets mit schwachen Währungen eine große Akzeptanz erfahren und so zusätzlichen Abwertungsdruck auf Währungen wie den Argentinischen Peso oder die Türkenlira ausüben.
Bank wider Willen
Ein großes Fragezeichen ist derzeit, wie die Regulierungen auf die Ankündigung der neuen Währung reagieren werden. Ebenso könnte die Banken-Lobby Druck ausüben. Aus heutiger Sicht ist unklar, ob sich der Wunsch von Facebook, keine Bank sein zu müssen, realisieren lässt. Sollte Libra Association eine Bank sein, müssten zahlreiche Restriktionen wie das Erfüllen von Prüfung von Sanktionen, strikte Einhaltung von KYC und AML Vorgaben erfüllt sein.
Kann man Libra mit einer Zentralbank vergleichen?
Manche Kommentatoren vergleichen Libra bereits mit einer Zentralbank. Ja, Libra schafft eine eigene Währung, dennoch betreibt Libra keine Geldpolitik. Möglicherweise eine Art Quantitative Easing, indem Anleihen gegen Fiat Money gekauft werden. Libra betreibt keine Zinspolitik, wird nicht die Geldmenge aktiv steuern um wirtschaftliche Zyklen zu beeinflussen und wird in einer Krise wohl kaum als „Lender of Last Ressort“, also Kreditgeber für in Notlage geratene Banken fungieren. Libra hat kein Inflationsziel, das berücksichtigt werden muss. Libra ist ein gewinnorientiertes Unternehmen, das das Finanzsystem verändern möchte.