Tschechische Republik: Nach dem Boom kommt Phase der Konsolidierung

04. Oktober 2019 Drucken
Tschechische Republik: Nach dem Boom kommt Phase der Konsolidierung
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In Tschechien hat sich die finanzielle Situation vieler gesellschaftlicher Schichten verbessert. Gleichzeitig verstÀrkt sich die Kritik, dass in guten Zeiten kein Budgetpolster geschaffen wird.

Wie golden ist das goldene Zeitalter der tschechischen Wirtschaft? Margarita Sinitsyna, Fondsmanagerin bei Erste Asset Management, analysiert, wie stabil die Fundamente der tschechischen Konjunktur auch unter den Perspektiven der getrĂŒbten Weltkonjunktur sind.

Die tschechische Wirtschaft findet sich in einer Phase des Höhenflugs. Die Arbeitslosigkeit steht auf einem Rekordtief. Unternehmen beklagen, keine Arbeitnehmer mehr zu finden. Die Löhne steigen mit dem wahrscheinlich höchsten Tempo seit der Finanzkrise, und die Maßnahmen der Sozialpolitik nehmen an Fahrt auf. Konsumenten kaufen eine Reihe an nicht unbedingt notwendigen GĂŒtern und sind bereit, fĂŒr QualitĂ€t zu zahlen. DarĂŒber hinaus kaufen sie Immobilien, wo die Preise mittlerweile auf Rekordniveaus liegen.

Nach der Finanzkrise kam die Delle

Nach der globalen Finanzkrise 2008 bis 2009 erholte sich die tschechische Wirtschaft dank rascher fiskal- und geldpolitischer Maßnahmen – allerdings nicht fĂŒr lange. Von 2011 bis 2013 fiel das BIP wieder, und die bereits relativ hohe Arbeitslosigkeit begann zu steigen. Die Inflation fiel, was BefĂŒrchtungen hinsichtlich einer deflationĂ€ren Spirale aufkommen ließ. Die tschechische Nationalbank (CNB) versuchte, die Wirtschaft mittels Zinssenkung auf das sogenannte technische Nullzinsniveau (0,05%) zu stĂŒtzen. Nachdem das Zinssenkungspulver verschossen war, entschloss sich die CNB dazu, auf Deviseninterventionen umzuschwenken und wertete die HeimatwĂ€hrung im November 2013 ab.

Exportindustrie stĂŒtzt AufwĂ€rtstrend

Durch die UnterstĂŒtzung unter anderem des exportorientierten produzierenden Gewerbes war sie imstande, die wirtschaftliche AktivitĂ€t aufrecht zu erhalten. Im Laufe der Zeit fiel die Arbeitslosigkeit konstant, das BIP-Wachstum stieg und nahm, ebenso wie das Lohnwachstum, Fahrt auf, was den Inflationsdruck erhöhte. Die Inlandsnachfrage war neben der Exportnachfrage einer der Treiber des Wirtschaftswachstums. Auf der Angebotsseite entwickelte sich das produzierende Gewerbe gut. Unter den Faktoren, die das Umfeld eines gewissen ProsperitĂ€tsgrades schufen, waren nicht nur die Fiskal- und Geldpolitik, sondern auch gĂŒnstige Entwicklungen bei den Haupthandelspartnern.

Tschechische Nationalbank @ pixabay

Entwicklungen nach der Devisenintervention

Im April 2017, nach mehr als drei Jahren, beendete die CNB ihre Deviseninterventionspolitik. Dies verlief jedoch nicht vollkommen klaglos. Womöglich ist es einfacher, Deviseninterventionen zu lancieren als diese zu beenden. Der fundamental gerechtfertigte Wechselkurs der CZK sollte deutlich ĂŒber jenem sein, der kĂŒnstlich mit Hilfe der Interventionen aufrechterhalten wurde. Als Folge floss Spekulationskapital nach Tschechien, um von einem abrupten und signifikanten Anstieg der tschechischen Krone zu profitieren.

Keine abrupten Gewinnmitnahmen

Kurz vor dem erwarteten Ausstieg aus dem Interventions-Regime intensivierten sich die KapitalzuflĂŒsse dermaßen, dass die Marktteilnehmer an einem bestimmten Punkt realisierten, dass die WĂ€hrung ĂŒberkauft war, was definitiv sofortige Gewinnmitnahmen verunmöglicht hĂ€tte. Daraufhin passten sie ihre Strategien an, um ĂŒber lĂ€ngere ZeitrĂ€ume hinweg Gewinn einfahren zu können. Schlussendlich fĂŒhrte der Ausstieg aus dem Interventions-Regime zu einem geringeren Anstieg der Krone, als zunĂ€chst erwartet worden war.Die sich beschleunigende Wirtschaft brachte im Verbund mit der ziemlich schwachen Krone die CNB dazu, einen Zyklus verschĂ€rfter geldpolitischer Maßnahmen zu starten, welcher bis dato acht Zinserhöhungen mit sich gebracht hat.

Striktere Bestimmungen im Bankensektor

Gemeinsam mit den strikteren Bestimmungen fĂŒr den Bankensektor, welche zur Vorbeugung einer möglichen Immobilienblase und zur EindĂ€mmung der bereits erhöhten Immobilienpreise ausgearbeitet worden waren, haben besagte Zinserhöhungen zu einer deutlichen AbkĂŒhlung des Hypothekenmarktes gefĂŒhrt. Andererseits ist die eingeschrĂ€nkte VerfĂŒgbarkeit von Immobilien, welche dieser Tage so oft in den Medien ErwĂ€hnung findet, kein großer Vorteil fĂŒr die Wirtschaft. In einem Umfeld geringer erwarteter Ertragsraten auf Sparguthaben fanden Unternehmensanleihen von kleineren Emittenten ihren Weg in zahlreiche Portfolios von Privatinvestoren, nicht selten auch ohne genauere Evaluierung der AnlagefĂ€higkeit. Die Renditen derartiger Anleihen kommen ĂŒber jenen von einfach zugĂ€nglichen Standardinvestmentprodukten zu liegen.

Die Risken des Wachstums

Die eskalierenden globalen Handelsrisiken und die stockende deutsche Volkswirtschaft, die eng mit der tschechischen Wirtschaft verbunden ist, haben gemeinsam mit der verschĂ€rften Geldpolitik, welche bereits im Laufen war, zu einer MĂ€ĂŸigung des Wirtschaftswachstums gefĂŒhrt. Die Autorin schließt nicht aus, dass diese Faktoren letztlich abklingen werden und dass die tschechische Wirtschaft eine weitere Wachstumsverlangsamung in nĂ€herer Zukunft verhindern wird können. Es ist allerdings auch möglich, dass sich externe Faktoren noch nicht vollstĂ€ndig manifestiert haben und dass somit eine deutlichere AbschwĂ€chung noch vor uns liegt. Vorerst ist das BIP-Wachstum trotz leichter Verlangsamung solide, der Arbeitsmarkt ist nach wie vor stark, und die Inflation bleibt robust. Daher besteht kaum Grund zur Lockerung der Geldpolitik.

Zinsen bleiben unverÀndert niedrig

Aufgrund der globalen Unsicherheiten und des bereits nachlassenden Inflationsdrucks scheint aber eine VerschĂ€rfung der Geldpolitik ebenso wenig opportun. Beim Meeting am 25. September nahm die CNB davon Abstand, ihre ZinssĂ€tze zu Ă€ndern. Das massive Volumen an Spekulationskapital – laut einiger SchĂ€tzungen ĂŒberstiegen die Deviseninterventionen 43 Prozent des BIP – schuf ein imaginĂ€res Widerstandsniveau fĂŒr die tschechische Krone. Man kann davon ausgehen, dass ein Großteil des Kapitals bis dato in der Wirtschaft verblieben ist.

PrÀsidentensitz auf der Prager Burg @ruhaltinger

Keine Vorsorgen im Staatshaushalt

Wenngleich nicht alles perfekt ist, so wendet sich die finanzielle Situation vieler gesellschaftlicher Schichten heutzutage dem Besseren zu. Gleichzeitig verstĂ€rkt sich die Kritik dahingehend, dass in guten Zeiten kein Budgetpolster geschaffen wird und dass sich die abflauende Wirtschaftsleistung ĂŒberdies erodierend darauf auswirken kann. Der tschechische Fiskalrat warnt vor den ĂŒber lange Sicht offenbar nicht nachhaltigen Staatsfinanzen. Bis dato ist die fiskale Situation recht solide; sollten die derzeitigen Entwicklungen allerdings lĂ€nger andauern, so wĂŒrden die Staatsfinanzen im internationalen Vergleich eventuell weniger vorteilhaft aussehen, was wiederum frĂŒher oder spĂ€ter die MĂ€rkte auf den Plan rufen könnte.

AbschwÀchung, keine Rezession

Derzeit sieht es so aus, als ob starker Pessimismus vermutlich deplatziert wĂ€re. Die heimische Wirtschaft erscheint recht widerstandsfĂ€hig gegenĂŒber Entwicklungen im Ausland, der Konsum ist nach wie vor stark, der Polster im Zinssatz der CNB fĂŒr eine (bis jetzt allerdings nicht sehr wahrscheinliche) Rezession ist, international betrachtet, ansehnlich, und die Fiskalposition ist sowohl in historischer als auch in internationaler Analyse solide. Eine Anzahl bereits erwĂ€hnter Risiken könnte Auswirkungen auf jeden dieser Parameter mit sich bringen. Ob diese Risiken schlagend werden, wĂŒrde nicht nur von heimischen Faktoren abhĂ€ngen. Unserer Meinung nach ist eine teilweise AbschwĂ€chung des Wachstums, aber keine Rezession, nach wie vor das wahrscheinlichste Szenario.

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