Heimischer Bio-Boom: Wie Handel und Landwirtschaft profitieren

17. Februar 2020 Drucken
Heimischer Bio-Boom: Wie Handel und Landwirtschaft profitieren
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Österreichs Konsumenten greifen im Lebensmittelhandel immer öfter zu biologischen Lebensmitteln. 2019 stieg der Bio-Umsatz um 7 Prozent auf 580 Mio. Euro. Gleichzeitig brachte der Bio-Boom mehr Anbaufläche.

Österreichs Konsumenten greifen im Lebensmittelhandel immer öfter zu biologischen Lebensmitteln. 2019 stieg der Bio-Umsatz um sieben Prozent auf 580 Mio. Euro. Gleichzeitig brachte der Bio-Boom mehr Anbaufläche. Diese wuchs um knapp fünf Prozent auf rund 669.000 Hektar.

Die Zahl der Bio-Betriebe erhöhte sich um drei Prozent auf 24.325. Der Öko-Ausbau in der EU bringt aber die Preise bei Milch und Getreide unter Druck.

Deutschland holt auf

Der Bio-Boom bleibt aber nicht länger auf Österreich beschränkt. Weil in Deutschland deutlich mehr Biomilch produziert werde, müssten sich österreichische Molkereien neue Exportmärkte suchen, sagte die Obfrau des Biobauern-Verbands Bio Austria, Gertraud Grabmann, bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag im Rahmen der Biofach-Messe in Nürnberg. Auch bei Bio-Getreide habe der Flächenausbau in Österreich und Europa zu Preisdruck geführt.

Große Agrarnationen setzen jetzt auch auf Bio

Für den Chef der Agrarmarkt Austria, Michael Blass, müssen sich die heimischen Bio-Bauern bei der preislichen Entwicklung ihrer Produkte „strukturell keine Sorgen machen“, denn „über die Jahre gesehen haben sich Menge und Preis recht gut entwickelt.“ Die großen Landwirtschaftsnationen in der Europäischen Union wie Deutschland, Spanien und Frankreich – alle drei mit einem Bio-Flächenanteil von unter zehn Prozent – bauen ihre biologischen Anbauflächen derzeit deutlich aus. Dadurch importieren sie weniger Bio-Produkte aus anderen EU-Ländern und von außerhalb der EU.

Näher an der Natur

Im Bio-Landbau verzichten die Landwirte unter anderem auf leichtlösliche mineralische Düngemittel und auf chemisch-synthetische Spritzmittel. Außerdem muss es eine vielseitige Fruchtfolgen im Ackerbau und eine artgerechte Tierhaltung mit Auslauf und Weidegang geben.

Heimische Supermarktketten setzen frühzeitig auf Bio

Österreich gilt mit einem Bio-Flächenanteil von 26 Prozent als einer der Vorreiter der biologischen Landwirtschaft. Der Bioanteil bei landwirtschaftlichen Flächen liegt global gesehen nur bei 1,5 Prozent. Die großen heimischen Supermarktketten dominieren mit ihren Eigenmarken „Ja! Natürlich“ (Billa, Merkur), „Natur*pur“ (Spar) und „Zurück zum Ursprung“ (Hofer) den heimischen Biomarkt. Im Jahr 2019 entfielen 55 Prozent der Bioprodukt-Umsätze auf den Lebensmitteleinzelhandel, 27 Prozent auf Diskonter, 10,7 Prozent auf die Direktvermarktung, 1,1 Prozent auf Biosupermärkte, 1 Prozent auf Bioläden und 5,1 Prozent auf sonstige Einkaufsquellen. Ohne die großen Bio-Eigenmarken der Einzelhändler wäre „Österreich bei Bio bei weitem nicht dort, wo es heute ist“, so der AMA-Marketing-Chef. Die österreichischen Herstellermarken seien aber „auch stärker geworden“.

Noch viel Luft nach oben

Die Biobauern-Vertreterin Grabmann ortet zahlreiche Wachstumsmöglichkeiten. Bei der Zahl der Bioprodukte gebe es im Lebensmitteleinzelhandel „viel Potenzial. Auch bei der heimischen Gastronomie sei bei biologischen Zutaten „noch sehr viel Luft nach oben“. Positiv stimmt Grabmann der von der Bundesregierung anvisierte Ausbau des Bio-Lebensmittelanteils in der öffentlichen Verpflegung.

Bio-Start ups aus Österreich

Bei der von Mittwoch bis Samstag laufenden weltgrößten Bio-Messe Biofach in Nürnberg sind diesmal 3.491 Aussteller vor Ort, davon 138 aus Österreich. Auch mehrere heimische Start-ups aus dem Biobereich sind vertreten und versuchen die Werbetrommel für ihre Produkte zu rühren. ÖsterReis aus Niederösterreich vermarktet biologischen Reis aus heimischer Produktion. Verkauft wurde der Bio-Reis bisher über den eigenen Online-Shop und an 40 Geschäfte und Gastronomen. Der Wiener „Social Business“-Betrieb Biobalkan entwickelt und vertreibt handgemachte Bio-Spezialitäten von Partnerbetrieben am Balkan, etwa das Paprikamus Ajvar oder Haselnusscreme aus Nordmazedonien. Biobalkan unterstützt Bauern und Sozial-Betriebe aus der Region dabei, auf Bio-Landwirtschaft umzustellen. Die niederösterreichische Jungfirma Kornelia produziert einen Bio-Urkornteig zum Aufbacken, unter anderem für Pizza, Flammkuchen. Bauern bauen für Kornelia Urgetreidesorten wie Einkorn und Dinkel an. Alle drei Start-ups wurden im Rahmen des Berliner „Next Organic Award 2019“ prämiert und konnten nun ihre Produkte auf der Biofach-Messe präsentieren. Das Wiener Food-Start-up CUTZ verkauft gefrorenen Cookie-Teig zum Selberbacken. Seit kurzem hat man auch eine Bio-Linie im Programm. Die größte Herausforderung für die Start-ups ist es, die richtigen Vertriebspartner zu finden und eine reibungslose Logistik aufzubauen, erzählten die Gründer im Gespräch.

Geliebt – gedrückt – kopiert

Der Chef des Tee- und Gewürzspezialisten Sonnentor, Johannes Gutmann, empfiehlt den Start-ups bei Misserfolgen mit Handelspartnern nicht zu schnell aufzugeben. „Im ersten Jahr wirst du geliebt, im zweiten wirst du unter Druck gesetzt und im dritten wirst du kopiert.“ Bio-Saftproduzent Gerhard Höllinger rät den Jungfirmen „die Kosten im Griff zu haben und das Ohr am Kunden behalten“.

Viehbestand kaum verändert

Der Viehbestand in Österreich ist 2019 relativ stabil geblieben. Laut Statistik Austria wurden zum Stichtag 1. Dezember 2019 rund 1,88 Millionen Rinder österreichweit gehalten. Das sind um 1,7 Prozent bzw. 33.300 Tiere weniger als noch vor einem Jahr. Mit einem Minus von 0,1 Prozent bzw. 3.300 Tieren blieb der Schweinebestand nahezu unverändert bei 2,77 Millionen. (APA)