Anlässlich des anstehenden Internationalen Frauentages am 8. März hat Deloitte Österreich den Status quo der Gleichstellung von Frauen und Männern in der österreichischen Wirtschaft untersucht. Insgesamt beteiligten sich 314 Führungspersonen an der österreichweiten Umfrage. Das ernüchternde Fazit: Das wirtschaftliche Potenzial von Geschlechtergleichstellung wird nicht erkannt. Rund drei Viertel der Befragten sehen eine hohe Relevanz in erster Linie auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. Den Grund für ungleiche Bezahlung verorten die Befragten vor allem auf individueller Ebene. Gleichzeitig werden bestehende Karrierehürden für Frauen aber durchaus wahrgenommen und Geschlechterquoten als wirksame Gegenmaßnahme angesehen. „Der Mehrwert von Gleichstellung für die Unternehmen und den Wirtschaftsstandort wird nach wie vor unterschätzt. Die wahrgenommene Bedeutung für Unternehmen sinkt sogar noch weiter, wenn es explizit um die Relevanz für den eigenen Betrieb geht“, sagt Gundi Wentner, Partnerin bei Deloitte Österreich.
Das mangelnde Bewusstsein zeigt sich auch in Hinblick auf die Motivation hinter der Beschäftigung mit der Thematik. So nennt die Mehrheit der Befragten für die Studie zum Frauentag dafür soziale Motive: Fast zwei Drittel setzen auf das Thema, um dadurch im „War for Talents“ Mitarbeiter gewinnen und binden zu können. 62 Prozent halten Gleichbehandlung zudem für fair und beschäftigen sich deshalb damit. Klare unternehmerische Argumente wie Wettbewerbsvorteile oder Kosteneinsparungen werden hingegen als nachrangig eingestuft.
Gleichstellung bringt wirtschaftliche Vorteile
„Unternehmen müssen sich bewusstmachen: Gleichstellung ist nicht nur eine Sache der Fairness, sondern bringt auch viele Vorteile auf wirtschaftlicher Ebene mit sich“, betont Elisa Aichinger, Director bei Deloitte Österreich. Einig ist man sich beim Thema Aufstiegschancen: 9 von 10 Umfrageteilnehmer sehen klare Karrierehürden für Frauen am Arbeitsmarkt. Laut 40 Prozent sind sogar alle hierarchischen Ebenen davon betroffen. Schuld an der Ungleichbehandlung sollen vorwiegend gesellschaftliche Faktoren sein. Als Haupthindernisse nennen die Unternehmensvertreter gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen wie fehlende Kinderbetreuung und Ganztagsschulangebote. Weitere genannte Hemmnisse sind die unzureichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie konservative Rollenbilder und Vorurteile. Mit Faktoren wie dem Verhalten von Führungskräften und dem gesellschaftlichen Verständnis von Führung als Vollzeitkonzept werden aber auch Hürden in der unternehmerischen Sphäre genannt.
Frauen in Österreich verdienen zudem für gleichwertige Tätigkeiten durchschnittlich weniger als Männer. Ein Blick auf die Gehaltszettel bestätigt dies. Zwei Drittel der Befragten machen dafür das schlechte Verhandlungsgeschick von Frauen verantwortlich. Die tatsächliche Leistung hat laut den Führungspersonen nichts mit der ungleichen Bezahlung zu tun. Lediglich rund 2 Prozent sind der Meinung, dass Männer mehr leisten und deshalb besser entlohnt werden. „Individuelles Verhandlungsgeschick rechtfertigt laut einem OGH-Entscheid keine ungleiche Bezahlung. Es ist problematisch, dass die Verantwortung dafür vor allem auf der individuellen Ebene festgemacht wird. Damit werden die strukturellen Faktoren und Diskriminierungsmechanismen außer Acht gelassen“, warnt Aichinger.
Wirksame Geschlechterquoten
Bessere Kinderbetreuungsangebote sowie zeitlich und örtlich flexible Arbeitsmodelle sehen die Befragten als besonders wirksame Maßnahmen für mehr Gleichstellung an. Überraschendes Ergebnis: Auch die vieldiskutierte Geschlechterquote wird von über 60 Prozent der befragten Personen als wirksam erachtet. Die Mehrheit spricht sich für die – zumindest befristete – Einführung von Geschlechterquoten auf allen politischen und wirtschaftlichen Ebenen aus.
„Die breite Befürwortung von Geschlechterquoten als gleichstellungsfördernde Maßnahme seitens der Wirtschaft ist ein klarer Auftrag für die Politik. Neben Quoten braucht es aber auch die Sensibilisierung für das wirtschaftliche Potenzial sowie die Schaffung passender Rahmenbedingungen“, fasst Gundi Wentner die wichtigsten Handlungsfelder zusammen.