Mit der Novelle des Umsatzsteuergesetzes wird der Mehrwertsteuersatz unter anderem für Speisen und Getränke in der Gastronomie, für Kino- und Theaterkarten, Bücher, Zeitungen, Kunstwerke, Naturparks, Zoos und Zirkusveranstaltungen sowie für Nächtigung und Logis bis Jahresende auf einheitlich 5 Prozent gesenkt. Sie gilt auch für gewerbliche Beherbergung und Privatzimmervermietungen bzw. die Überlassung von Ferienwohnungen. Zudem sind Fleischer, Bäcker und Konditoren von der Mehrwertsteuersenkung umfasst, wenn sie Speisen und Getränke verkaufen.
Das Vorhaben wurde von allen Parteien grundsätzlich begrüßt, wiewohl es aus Sicht der Opposition auch einiges zu bekritteln gibt. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer sah eine „wirklich gute Idee“, die Ausführung sei aber „nicht-genügend“. Etwa sei das türkis-grüne Modell zu bürokratisch und zu kompliziert. Denn etwa müssten alle Kassensysteme umprogrammiert werden. Zudem gebe es keine Deckelung, was große Ketten, die bisweilen in Österreich keine Gewinnsteuer zahlen, bevorzuge, so Krainer. Auch sei „offensichtlich“, dass der türkis-grüne Vorschlag europarechtswidrig sei.
Auch die NEOS warnten vor einem drohenden Vertragsverletzungsverfahren. NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn fragte danach, was passiert, wenn Brüssel nicht sein Okay dazu gibt: „Müssen dann die Betriebe nachzahlen, zahlt der Bund?“ Grundsätzlich meinte Schellhorn, der selbst Touristiker ist, dass die Mehrwertsteuersenkung zu begrüßen sei: „Sie ist aber keine wesentliche Stütze.“ Sie lindere nur den Schmerz. Schließlich werde in der Tourismusbranche laut Prognosen erst 2024 wieder das ursprüngliche Niveau erreicht.
„Ungerechtigkeiten“ ortete wiederum FPÖ-Mandatar Erwin Angerer – und zwar trotz des Abänderungsantrages. Viele Unternehmen seien ebenso wie die Gastronomie geschädigt, bekämen aber keine Erleichterungen. Überhaupt sei den Unternehmern zuerst der Anspruch auf Entschädigung nach dem Epidemiegesetz genommen worden, um ihnen dann großzügig Unterstützung zu geben. Wenn es nach den Freiheitlichen geht, braucht es eine generelle Umsatzsteuer-Senkung, und dies nicht bis Jahresende sondern bis Ende März des kommenden Jahres.
Anders sah das naturgemäß Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP): Er freute sich, „dass wir eine weitere Steuersenkung auf den Weg bringen können“. Überhaupt hob Blümel die bisher erfolgten Maßnahmen hervor. Wenn man etwa die Senkung im „Wirtepaket“ und die Umsatzsteuersenkung zusammennehme und auf die einzelnen Gastwirtschaften herunter breche, erhalte jeder einzelne Betrieb im Durchschnitt rund 23.000 Euro. Das soll helfen, „die Krise zu lindern“, so Blümel.
Der Tourismus sei eine der Branchen, die am härtesten von der Coronakrise getroffen wurden, betonte die zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Viele Betriebe hätten ihre Geschäftsgrundlage verloren. Die Mehrwertsteuersenkung soll durch eine „sehr schwierige Phase“ helfen, so Köstinger: „Letztendlich profitieren wir alle von diesen Maßnahmen.“ Auch ÖVP-Mandatar Karlheinz Kopf und die Grüne Elisabeth Götze lobten die Maßnahme als Hilfe für von der Krise „besonders hart getroffene“ Branchen. Für die Kulturbranche erfreut zeigte sich Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne).
Lob von WK, Kritik von Gewerkschaft
Der Beschluss ist von den Spartenvertretern der betroffenen Branchen in der Wirtschaftskammer begrüßt worden. Kritik kam hingegen von der Dienstleistungsgewerkschaft vida. Für den Vorsitzenden des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida, Berend Tusch, müsse zunächst einmal abgewartet werden, ob die Senkung der Umsatzsteuer auf fünf Prozent der „richtige Schritt für die Zukunft von Tourismus-Betrieben ist und Jobsicherheit für Tausende unschuldig in bange Situationen geratene Beschäftigte schafft“. Zudem kämpfe die stark von internationalen Touristen abhängige Stadthotellerie und -gastronomie ohne die nötigen Umsätze „weiterhin ums Überleben“. Tusch verlangt daher ein Hilfspaket für die Stadthotels. Bisher habe man diesbezüglich seitens der Regierung jedoch nur Ankündigungen vernommen.
Anders sahen das etwa die Obleute der WKÖ-Fachverbände Hotellerie und Gastronomie, Susanne Kraus-Winkler und Mario Pulker: „Unser intensiver Einsatz bis zur letzten Minute hat sich gelohnt.“ Mit der Senkung der Umsatzsteuer sei nicht nur für Gastronomie- sondern auch für Hotelleriebetriebe eine „rasch spürbare Erleichterung“ erreicht worden. Hocherfreut zeigt sich auch der Obmann des Fachverbandes der Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe, Heimo Medwed, über die Senkung der Umsatzsteuer für Schausteller, Zirkusse sowie die Kinobranche. Diese Branchen seien „am stärksten betroffenen“, viele Betriebe seien schon seit Monaten völlig ohne Einkommen.
Naturgemäß erfreut zeigte sich auch der Obmann des Fachverbandes Buch- und Medienwirtschaft, Friedrich Hinterschweiger, über die Umsatzsteuersenkung auch auf Bücher. Und E-Books mit demselben Steuersatz zu belegen, habe „unnötige Bürokratie in der Rechnungsabwicklung“ verhindert. Groß war die Erleichterung auch im Lebensmittelgewerbe, dass die Umsatzsteuersenkung auch für bis zu 4.000 kleine Bäcker, Fleischer und Konditoren gelte, falls sie Speisen und Getränke verabreichen, so Anka Lorencz, Geschäftsführerin der Bundesinnung der Lebensmittelgewerbe in der Wirtschaftskammer.
Auch die Hoteliervereinigung (ÖHV) frohlockte. Präsidentin Michaela Reitterer bezeichnete die beschlossene Novelle des Umsatzsteuergesetz als Grundstein für eine weitere erfolgreiche Entwicklung. „Wir müssen wieder zurück zur Normalität. Das ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung“, so Reitterer.
Die temporäre Mehrwertsteuersenkung wurde am Dienstag im Nationalrat einstimmig auf den Weg gebracht. Neben Gastronomie sowie Kultur-und Medienbranche profitieren von der Novelle auch Beherbergungsbetriebe, Naturparks, Zirkusveranstalter oder Zoos. (APA/red)
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