Heimische Startups suchen Wege aus Coronakrise

18. September 2020 Drucken
Heimische Startups suchen Wege aus Coronakrise
© TechCrunchDisrupt

In den USA läuft derzeit die TechCrunchDisrupt, die Vorzeigemesse der US-Startup-Szene. Auch Unternehmen aus Österreich haben ihre Produktinnovationen und Apps vor Investoren und Messegästen präsentiert. Coronabedingt wurde dieses Jahr ausschließlich virtuell gepitcht und genetzwerkt.

Die normalerweise in San Francisco stattfindende Messe TechCrunchDisrupt gilt als ein Fixstern in der US-Startup-Szene. Bei der heurigen Edition wurden die Produktdemonstrationen und Expertengespräche jedoch erstmals nur via Bildschirm geführt. Gastredner per Videoeinschaltung waren unter anderem Sequoia-Partner Roelof Botha, Dropbox-CEO Drew Houston und Facebook-Messenger-Chef Stan Chudnovsky. Die Messe selber gilt in den USA vor allem als eine „Plattform für Tech-Scouts und Early-Stage-Investoren, um früh die Startups kennenzulernen“, erklärt Georg Fürlinger, Leiter des heimischen Acceleratorprogramms „GoSiliconValley“ der Außenwirtschaft Austria. Das Programm begleitet heimische Unternehmen, die den Sprung in die US-Technologieszene schaffen wollen.

Für die Teilnehmer an der Messe steht jedoch nicht nur die Suche nach Finanziers im Vordergrund, sie ist auch eine Gelegenheit für Startups, sich untereinander zu vernetzen und Projektpartner zu finden. „Direkte Finanzierungsdeals sind eher unwahrscheinlich“, so Fürlinger. „Das passiert dann eher in Folge.“

Audvice überzeugt im Edtech-Bereich

Insgesamt zwölf heimische Unternehmen sind bei der heurigen TechCrunchDisrupt vertreten, acht davon als Aussteller. Manche Gründerinnen, wie CEO Sophie Bolzer der Salzburger Audio-Lern-App Audvice, haben bereits ein marktfähiges Produkt und arbeiten derzeit an der Skalierbarkeit. In den USA sucht man nicht zuletzt mögliche Partner für Pilotprojekte.

Audvice, das ursprünglich als Audio-Lern-App für Studenten begonnen hatte, konnte im Bereich Edtech überzeugen. Unternehmen können mit Audvice ihren Mitarbeitern Lerninhalte als Audiodateien zur Verfügung stellen und damit eLearning-Tools oder Schulungen ersetzen. „Unser Weg hat uns zum B2B geführt“, erklärt CEO Sophie Bolzer, die ihre App als eine Vereinigung von Spotify und Sprachmemo beschreibt.

Aufgrund des Coronavirus haben sich die Dinge bei Audvice beschleunigt. So wurde ein Pilotprojekt der Salzburger vorgezogen, wie Bolzer erklärt. „Die Unternehmen sind viel offener für on Demand“ ergänzt die Gründerin. Audvice arbeitet derzeit mit zwei Fortune-500 Unternehmen aus dem Raum San Francisco zusammen, um an der Skalierbarkeit des Audio-Lern-Tools zu feilen und den Einsatz zu testen.

App bietet Anlaufschwelle für Selbsttherapie

Unternehmen wie der 2005 gegründete Videobroadcasting-Anbieter Stryme haben bereits ein Büro in San Francisco und sind somit schon einen Sprung weiter. Die Selbsttherapie-App Pocketcoach wurde im Gegenteil nur vor knapp eineinhalb Jahren gegründet, hat aber den Großteil der Nutzer in den USA. „Pocketcoach ist eines der frühphasigsten Startups im diesjährigen Durchgang von GoSiliconValley“, erklärt Fürlinger.

Die Gründer von Pocketcoach präsentierten auf der TechCrunchDisrupt eine App, mit der Nutzer Ersthilfe bei Depressionen, Panikattacken und Schlafstörungen erhalten können. Ziel ist es, Leuten die sonst keine Hilfe bekommen, eine niederschwellige Erstanlaufstelle für die Selbsttherapie zu bieten. Auch ein spezialisiertes Programm zur Bewältigung der Pandemie bieten die App an. „Es geht aber nicht darum, jemanden zu ersetzen“, betont Gründer Manuel Kraus.

Startups: Besondere Sichtbarkeit am Heimatmarkt

Bei der Teilnahme an der TechCrunchDisrupt winkten für die heimischen Unternehmen in der Vergangenheit Einladungen zum Google Campus sowie Distributionsdeals oder auch besondere Sichtbarkeit am Heimatmarkt, erklärt Earl Schaffer, der gemeinsam mit Fürlinger die heimischen Unternehmen aus San Francisco betreut. „Unsere Startups haben uns gesagt, dass ihnen das auch in Europa und in der Startup-Szene einen Schub gebracht hat“.

Unternehmen, die Erstkontakte knüpfen wollen, müssen das nun auf der Messe dennoch vermehrt über Plattformen wie LinkedIn tun, ohne vorherigen persönlichen und informellen Kontakt. „Das Vertrauen zu möglichen Investoren lässt sich jedoch virtuell deutlich schwerer aufbauen“, gibt Fürlinger zu bedenken. Auch auf einen Besuch des, seit dem Jahr 2016 bei der Messe bestehenden, Österreich-Pavillons, wird man heuer verzichten müssen.

Edtech, Fintech, E-Commerce, Healthtech gefragt

Bei der Startup-Messe suchte man heuer besonders nach Strategien, die Coronakrise mit Unternehmergeist zu lösen und möglicherweise sogar Investoren von den jeweiligen Produktinnovationen zu überzeugen. Wenn es nach den großen US-Risikokapitalgebern geht, sind Finanzierungen im Silicon Valley jedenfalls nicht rarer geworden. „Die Aktivitäten sind dieselben“, erklärte Hans Tung vom Risikokapitalgeber GGV Capital. „Die Sektoren haben sich jedoch verschoben“.

In Folge der Krise geht der Trend von konsumentenorientierten Lösungen in Richtung Enterprise. Zu den Unternehmen, die auf besonderes Investoreninteresse hoffen können, zählen laut Tung vor allem Startups aus den Bereichen Edtech, Fintech, E-Commerce und Healthtech. Aus diesen Bereichen waren auch mehrere österreichische Aussteller bei der diesjährigen TechCrunchDisrupt vertreten.

Anonymes Stimmungsbarometer für Unternehmen

Die Gründer des Linzer Startups Teamecho haben eine Lösung entwickelt, die als anonymes Stimmungsbarometer für Unternehmen fungiert. Mitarbeiter können über eine App unmittelbar und in Echtzeit Feedback erhalten. Das lässt sich jedoch trotz vermehrter Heimarbeit bei Unternehmen nicht notwendigerweise in Geschäftswachstum übersetzen. „Die Unternehmen stehen auf der Bremse“, erklärt CEO Markus Koblmüller.

Koblmüllers Team hat dennoch auf die Krise kreativ reagiert. Die Linzer haben unter anderem ein Coronastimmungsbarometer entwickelt, das von Unternehmen „gut angenommen“ wurde, wie Koblmüller bestätigt. Die Kunden von Teamecho kommen bisher aus Österreich – nun will man auch in den gesamten deutschsprachigen Raum expandieren.

Für Kraus‘ Team steht momentan die wissenschaftliche Evaluierung der bisherigen Resultate im Vordergrund, zudem will man Pilotprojekte mit Versicherungen und Unternehmen anbahnen. Der Großteil der Nutzer der knapp 40.000 Mal heruntergeladenen App kommt bereits jetzt aus den USA. (APA/red)