Führungskräfte: Tätigkeit bei Jobwahl wichtiger als Unternehmen

28. September 2020 Drucken
Führungskräfte: Tätigkeit bei Jobwahl wichtiger als Unternehmen
© AdobeStock/elnariz

Bei 7 von 10 Führungskräften steht die Tätigkeit bei der Jobwahl an erster Stelle und 4 von 10 denken darüber nach, ob der Job zu ihnen passt. Zu diesem Ergebnis kommt der Hernstein Management Report, für den im Mai 2020 über 1.500 Führungskräfte und Unternehmer in Deutschland und Österreich befragt wurden.

Die Motivation im Job wird vorrangig von dem Arbeitsklima (19 Prozent) und von der Abwechslung im Beruf (18 Prozent) beeinflusst. Das Finanzielle ist bei Weitem nicht die wichtigste Motivation: Lediglich 12 Prozent der Befragten meinen spontan, dass ihr Gehalt sie zu ihrem Job motiviert. Im Hinblick auf die Work-Life-Balance sehen 65 Prozent der Führungskräfte diese für sich im Großen und Ganzen verwirklicht. Dennoch reflektieren 4 von 10 zumindest gelegentlich, ob die aktuelle Tätigkeit zu ihrer Persönlichkeit passt. Das bedeutendste Hemmnis für eine Veränderung im Job ist die Angst vor Einkommensverlusten, die knapp zwei Drittel sehr oder eher befürchten.

„Die befragten Führungskräfte denken über ihre Tätigkeit und deren ‚Passform‘ zu ihrer Persönlichkeit nach. Reflektieren eröffnet neue Blickwinkel und bietet Anknüpfungspunkte für Veränderungen und Verbesserungen. Genau dieses Auf­decken kann sehr motivierend wirken und für die Führungskräfte Gestaltungsspielräume auch im bestehenden Job eröffnen“, sagt Michaela Kreitmayer, Leiterin Hernstein Institut für Management und Leadership.

Die Befragung der österreichischen und deutschen Führungskräfte ergab außerdem, dass sich 33 Prozent schon einmal in ihrer Karriere beruflich komplett umorientiert haben, 23 Prozent sogar mehrmals. Auch für die Zukunft zeigen sich Führungskräfte offen für Veränderungen: 44 Prozent können sich eine berufliche Neuausrichtung vorstellen.

„Gerade in bewegten Zeiten sind Führungskräfte gefragt, die flexibel und offen für Neues sind. Speziell jetzt ist es wichtig, bestehende Prozesse zu hinterfragen, um Verbesserungspotenziale zu erkennen und auf die notwendigen Veränderungen zu reagieren. Die klassischen Karrierewege werden immer öfter aufgebrochen. Es ist keine Seltenheit, dass sich auch im Unternehmen Fach- und Führungskarrieren abwechseln“, so Kreitmayer.

Entscheidungsgründe der Führungskräfte für die Jobwahl

Unter den befragten österreichischen und deutschen Führungskräften geben 72 Prozent an, dass bei der Entscheidung für die aktuelle Position die Tätigkeit an sich und nicht das jeweilige Unternehmen aus­schlaggebend war. Bei Führungskräften mit mehr als 20 Jahren Erfahrung sind es sogar 78 Prozent, die damit deutlich über dem Durchschnitt liegen. Möglicherweise gewinnt in diesen Generationen das Thema Employer Branding an Stellenwert.Die hohe Bedeutung des Arbeitsinhalts wird auch durch eine andere Frage untermauert: 62 Prozent messen der Aussage „Mir ist wichtig, dass ich die Tätigkeit selbst gerne mache“ sehr oder eher große Bedeutung bei. Damit liegt dieses Statement vor 5 anderen vorgegebenen Antwortoptionen, die das persönliche Verhältnis zum Job thematisieren und ebenso positiv besetzt sind.

Sozialer Faktor wichtigste Motivation

Auf die offene Frage, was sie im Job am meisten motiviert, antworten 19 Prozent, dass dies das Arbeitsklima und ihr Team seien. Dies gilt vor allem für Befragte aus dem kaufmännisch-administrativen Bereich, die dieses Motiv sogar zu 29 Prozent nennen. 12 Prozent geben ihr Einkommen als Motivation an. Im Ranking aller Ant­worten liegt dieses Argument an siebter Stelle. Mit steigender Hierarchieebene nimmt der Faktor Gehalt ab: Im oberen Management liegen die Nennungen bei nur 9 Prozent. Nach Branchen spielt die Ein­kommens­frage in der Finanzwirtschaft mit 19 Prozent die größte Rolle.

Die gegebenen Rahmenbedingungen scheinen jedenfalls dazu zu führen, dass die österreichischen und deutschen Führungskräfte mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden sind. 34 Prozent stimmen der Aussage, dass sie „das Gefühl haben, nur am Wochenende bzw. in der Freizeit richtig zu leben“, zu. Im Umkehrschluss ist davon auszugehen, dass zwei Drittel ihre Work-Life-Balance als zufriedenstellend empfinden. Die Zahlen zeigen, dass diese Ausgeglichenheit stark mit dem Lebensalter zusammenhängt:

  • In Österreich liegt die Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance bei den unter 40-jährigen Führungskräften bei 60 Prozent, bei ihren älteren Kolleginnen und Kollegen sind es 69 Prozent.
  • Im Vergleich dazu ist dieser Trend in Deutschland noch deutlich stärker ausgeprägt: 50 Prozent der unter 40-Jährigen und 71 Prozent der über 40-jährigen Führungskräfte sind mit der Work-Life-Balance zufrieden.
  • Eine ebenso hohe Ausgeglichenheit zeigen die Inhaber von Unternehmen mit einem Wert von 71 Prozent.

Trotzdem: 4 von 10 denken darüber nach, ob der Job zu ihnen passt. Dieser Ausdruck der Zufriedenheit hält die befragten Führungskräfte nicht von Selbstreflexion ab: 42 Prozent denken darüber nach, ob der aktuelle Job zu ihrer Persönlichkeit passt (10 Prozent häufig, 32 Prozent manchmal). Dieses Verhalten hängt stark mit der jeweiligen Führungserfahrung zusammen: Befragte mit bis zu 3 Jahren Praxis reflektieren dies zu 13 Prozent, unter jenen mit über 20 Jahren Erfahrung sind es nicht einmal halb so viele (6 Prozent). Nach Branchen wird die eigene Position besonders häufig im Dienstleistungsbereich (13 Prozent) und im Bau- und Immobilienwesen (12 Prozent) hinterfragt, unterdurchschnittlich hingegen im Handel und im öffentlichkeitsnahen Sektor (jeweils 6 Prozent).

Investition in Aus- und Weiterbildung für den richtigen Job

Der „richtige Job“ ist den befragten Führungskräften etwas wert: 19 Prozent wären bereit, in Aus- und Weiter­bildungsmaßnahmen zu investieren, um die Voraussetzungen für das ideale berufliche Umfeld zu schaffen. 16 Prozent würden eigene Zeit investieren und ebenso viele zeigten – nach eigenen Angaben – die Bereitschaft, auf einen Teil des Einkommens zu verzichten. An vierter Stelle der Nennungen folgt mit 12 Prozent die Akzeptanz eines Ortswechsels, was die oft geäußerte Skepsis an der Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern relativiert.

Auffällig ist, dass die Aus- und Weiterbildungsbereitschaft in Österreich mit 23 Prozent deutlich ausgeprägter ist als in Deutschland (17 Prozent). Dafür sind deutsche Führungskräfte (13 Prozent) mobiler als österreichische (9 Prozent) und würden einen Ortswechsel für den richtigen Job in Kauf nehmen.

Berufliche Neuorientierung: Bereitschaft gegeben, aber nicht ohne Bedenken

18 Prozent der Führungskräfte können sich eine künftige berufliche Neuorientierung sehr gut vorstellen, weitere 26 Prozent eher. Diese Bereitschaft ist klar vom Alter abhängig: 26 Prozent der österreichischen Befragten bis 40 können sich einen Wechsel sehr gut vorstellen (Deutschland: 20 Prozent), bei den über 40-jährigen sind es 17 Prozent (Deutschland: 13 Prozent). Nach Branchen ist die Veränderungsbereitschaft im Dienstleistungs- (24 Prozent) und IT/Telekom-Sektor (21 Prozent) besonders hoch.

Gehemmt wird diese Flexibilität durch Angst vor Einkommensverlusten, die 26 Prozent sehr und 38 Prozent eher befürchten. Überdurchschnittlich stark ausgeprägt ist diese Befürchtung in Großbetrieben mit über 5.000 Mitarbeitenden (sehr: 30 Prozent), in Kleinbetrieben mit bis zu 10 Beschäftigen deutlich weniger (22 Prozent).

Eine vergleichsweise geringe Rolle spielt die Angst vor Prestigeverlust: 7 Prozent der Führungskräfte meinen, dass dies ihre Bereitschaft zur Veränderung im Job sehr bremsen würde, 17 Prozent eher.