Erst kürzlich hat die Erste Social Finance Holding, ein Joint Venture der Erste Group und ERSTE Stiftung, ihr neues soziales Finanzierungsinstrument „Quasi-Equity“ lanciert. Entwickelt wurde Quasi-Equity anlässlich einer öffentlichen Ausschreibung der Europäischen Kommission, um das Finanzierungsangebote für den sozialen Markt auszubauen und hilft sozialen Organisationen ihr Wachstum zu beschleunigen und ihre soziale Wirkung zu verstärken.
Im Interview erklären Peter Surek, CEO der Erste Social Finance Holding und verantwortlich für das Social Banking in der Erste Group, und Florian Ott, Prokurist sowie Projektleiter für Quasi-Equity in der Erste Social Finance Holding, wie das soziale Finanzierungsinstrument funktioniert und Kunden unterstützen kann und erklären, warum es gerade jetzt solche Initiativen für den sozialen Sektor braucht.
Was ist Quasi-Equity und wie funktioniert es?
Peter Surek: Quasi-Equity ist eine hybride Finanzierungsform mit Merkmalen von Fremd- und Eigenkapitalinvestitionen und wird in Form eines sogenannten „qualifizierten Nachrangdarlehens“ angeboten. Auch wenn es dadurch einer traditionellen Bankdarlehensstruktur recht ähnlich ist, birgt es ein höheres Risiko. Denn im Falle eines Ausfalls sind wir die Letzten, die eine Rückzahlung erhalten. Mit Quasi-Equity können wir nicht nur das Eigenkapital sozialer Organisationen stärken, sondern auch Projekte finanzieren, die sonst keine Unterstützung bekommen würden. Und durch das erhöhte Eigenkapital können soziale Organisationen wiederum weitere Fremdfinanzierungen in Anspruch nehmen.
Wie unterscheidet sich das aus Kundensicht von Krediten und Beteiligungen?
Florian Ott: Im Vergleich zu einem regulären Kredit bietet Quasi-Equity einerseits einen flexibleren Rückzahlungsplan, wodurch Kundinnen und Kunden mit der Rückzahlung des Kapitals erst nach 4 Jahren beginnen können. Auf der anderen Seite ist durch das höhere Risiko auch die Preisgestaltung etwas höher, die aber im Vergleich zu den Renditeerwartungen von Investorinnen und Investoren deutlich niedriger ist. Zudem verändern Quasi-Equity-Investitionen weder die Eigentümerstruktur noch schränken sie die derzeitigen Eigentümerinnen und Eigentümer in ihrem Handeln ein. Das heißt, die Organisation der Kundinnen und Kunden bleibt unabhängig, ohne dass wir uns in ihr operatives Management einmischen.
Warum brauchen Sozialunternehmen gerade jetzt zusätzliches Eigenkapital?
Peter: Schon vor der Covid-19-Krise hat es Sozialunternehmen und gemeinnützige Organisationen oft an Mitteln zur Entwicklung und Ausweitung ihrer sozialen Aktivitäten gefehlt. Und obwohl die meisten dieser Organisationen die Krise bisher recht gut gemeistert haben, stehen auch sie nun vor ähnlichen Herausforderungen wie andere Unternehmen: Umsatzeinbußen, verspätete Projekte und Subventionen sowie zusätzliche Ausgaben zur Bewältigung der Krise. Das hat dazu geführt, dass es ihnen an Eigenkapital fehlt, wodurch sie kein zusätzliches Fremdkapital aufnehmen können, um ihre wirtschaftliche Erholung oder ihr Wachstum zu finanzieren.
Florian: Gleichzeitig sehen wir aber auch einen zunehmenden Bedarf an den Dienstleistungen sozialer Organisationen, wie die Integration am Arbeitsmarkt, soziale Dienste, Pflege und Bildung. All das wurde zusätzlich durch die Covid-19-Krise nicht nur sichtbarer, sondern auch verstärkt. Jetzt brauchen wir sofortige finanzielle Unterstützung, damit die Sozialunternehmen ihre Kapazitäten ausbauen, zusätzliches Personal einstellen oder neue soziale Projekte entwickeln können.
Wer kann Quasi-Equity beantragen und was sind die Vorteile für unsere Kundinnen und Kunden?
Florian: Quasi-Equity eignet sich für Sozialunternehmen und gemeinnützige Organisationen, unabhängig von deren Rechtsform, die in Österreich, Tschechien, der Slowakei, Serbien und Kroatien aktiv sind. In Rumänien und Ungarn stoßen wir derzeit leider noch auf regulatorische Hindernisse, arbeiten aber an einer Lösung, damit wir Quasi-Equity zukünftig auch dort anbieten können. Mit dem Produkt können verschiedene Vorhaben finanziert werden wie z.B. die Eröffnung neuer Filialen, die Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen, die Digitalisierung des Geschäftsbetriebs oder die wirtschaftliche Erholung aufgrund der Covid-19-Krise. Wir können aber auch kleinere soziale Wohnbauprojekte mitfinanzieren, die sich um die Errichtung von Sozialwohnungen, Kindergärten oder Pflegeeinrichtungen kümmern.
Peter: Die Vorteile für die Kundinnen und Kunden sind klar: stärkeres Eigenkapital und ein verbessertes Risikoprofil. Durch den flexiblen Rückzahlungsplan haben Kundinnen und Kunden zudem genügend Zeit, ihre sozialen Projekte zu entwickeln und die nötigen Einnahmen zur Rückzahlung erwirtschaften. Und mit ihrem gestärkten Eigenkapital können sie auch zusätzliche Finanzierungen von unseren lokalen Banken in Anspruch nehmen, um größere Teile ihres Investitionsbedarfs zu finanzieren und so ihre Projekte zu realisieren.
Quasi-Equity ist ein gemeinsames Projekt mit dem Impact Hub und wird von der Europäischen Kommission mitfinanziert. Was ist der Mehrwert dieser Zusammenarbeit?
Florian: Wir haben als eines von nur 14 Projekten in der EU einen Zuschuss der Europäischen Kommission für die Entwicklung dieses neuen sozialen Finanzierungsinstruments erhalten. Damit können wir unseren Kundinnen und Kunden auch kostenlose, nicht-finanzielle Unterstützung anzubieten, wie z.B. individuelle Beratung oder Mentoring. Diese Leistungen werden vom Impact Hub Vienna und dessen Partnerorganisationen angeboten. Wir glauben, dass dieses Angebot wichtig ist, damit unsere Kundinnen und Kunden sich und ihre Unternehmen zielgerichtet weiterentwickeln können. Gleichzeitig mindert das aber auch das Risiko für unsere Finanzierung. Mit der zusätzlichen Garantie des Europäischen Investitionsfonds, der einen wesentlichen Teil des Risikos abdeckt, können wir auch anspruchsvollere Projekte mit Raten unter Marktniveau unterstützen.

ist CEO der Erste Social Finance Holding
und verantwortet das
Social Banking in der Erste Group.

im Social Banking Development
der Erste Group und ist Prokurist
sowie Projektleiter für
Quasi-Equity in der
Erste Social Finance Holding.
Über die Erste Social Finance Holding
Die Erste Social Finance Holding (ESFH) wurde 2008 gegründet und strebt eine positive soziale Wirkung und nachhaltige finanzielle Ergebnisse an. Wie in ihrer Satzung festgelegt, schüttet das Sozialunternehmen keine Dividenden aus, sondern reinvestiert alle erwirtschafteten Gewinne in neue soziale Projekte. Die ESFH agiert als soziale Finanzinvestorin und Intermediärin in der CEE-Region, investiert in soziale Geschäftsmodelle, die finanziell nachhaltig sind und entwickelt innovative, soziale Finanzierungsinstrumente. Für weitere Informationen klicken Sie bitte hier.