Angesichts der zunehmenden Internationalisierung und Digitalisierung von Dienstleistungen wurde das Ministerium seiner abgabenrechtlichen Verantwortung zur Sicherung der Einnahmen bisher nicht ausreichend gerecht“, schreiben die Rechnungshof-Prüfer. Wie auch andere Rechnungshöfe in Europa erklärten, werde das Risiko ungewollter Steuerausfälle mit der Erweiterung des Mini-One-Stop-Shop-System (MOSS-System) als kleine einzige Anlaufstelle ab 2021 auf den grenzüberschreitenden Versandhandel und andere grenzüberschreitende Dienstleistungen steigen, warnte der Rechnungshof. Die Umsätze im MOSS-System würden „de facto ungeprüft“ bleiben. Nach Ansicht des Rechnungshofs war dadurch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht gewährleistet.
Im Jahr 2019 leitete Österreich als Registrierungsstaat im MOSS-System rund 17 Mio. Euro an andere EU-Mitgliedstaaten weiter. Demgegenüber erhielt Österreich als Verbraucherstaat im selben Jahr rund 145 Mio. Euro aus anderen EU-Mitgliedstaaten, heißt es im RH-Bericht.
Die Rechnungshof-Prüfer haben die Umsatzsteuer-Entrichtung in den Jahren 2015 bis 2019 von grenzüberschreitend ausgeführten B2C-Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation, Rundfunk und Fernsehen sowie um elektronische Dienste (u.a. E-Books und Online-Zeitungen) unter die Lupe genommen. Unter B2C („business to consumer“) werden die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten verstanden.
Der Rechnungshof hat folgende Defizite festgestellt: Risikoanalysen, risikoorientierte Fallauswahl und IT-Tools fehlten im Untersuchungszeitraum. Es habe keine Prüfung der MOSS-Umsätze, weder im Innen- noch im Außendienst, keine Prüfung von Unternehmen nach einem Ausschluss aus dem MOSS-System und keine Suche nach steuerlich nicht erfassten Unternehmen gegeben. Die Arbeiten zu einer E-Commerce-Datenbank seien eingestellt worden. Kritisch sehen die Rechnungshofprüfer auch den sinkenden Personalstand im Finanzamt Graz-Stadt und bei den beiden spezialisierten Prüfteams der Großbetriebsprüfung bei gleichzeitig steigenden Aufgaben. Der RH wies auch auf die fehlenden IT-Ressourcen unter anderem im Ministerium und in den Finanzämtern für konkrete Projekte zur Risikoanalyse und zur Fallauswahl im MOSS-System hin.
Rechnungshof-Empfehlungen schon in Umsetzung
Das Finanzministerium teilte in seiner Stellungnahme mit, dass sich viele Rechnungshof-Empfehlungen bereits in Umsetzung befinden würden. Unter anderem gebe es durch die Implementierung des neuen dritten Prüfteams für ausländische Unternehmen in der Dienststelle Graz-Stadt mehr Personalkapazitäten. Eine strukturierte Risikoauswahl und eine intensive Überprüfung von Risikofällen seien damit möglich.
Die NEOS drängen auf „ausreichend qualifiziertes Personal“ in der Finanzverwaltung. „Die Bundesregierung muss, besonders angesichts der anstehenden Pensionierungswelle, dafür sorgen, dass auch genügend geschultes Personal nachkommt“, forderte NEOS-Finanz- und Budgetsprecherin Karin Doppelbauer in einer Aussendung. „Wenn sich der Konsum nun zunehmend auf digitale Angebote verlagert, könnten dem Staat massive Einnahmenausfälle drohen, wenn er nicht dafür sorgt, dass auch digitale Anbieter entsprechend besteuert werden.“ Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) müsse „rechtzeitig gegensteuern und sich endlich intensiv mit Zukunftsthemen und Fragen der Digitalisierung auseinandersetzen“, so die NEOS-Politikerin. (APA/red)