Was Grenzgänger aus Deutschland, Liechtenstein & Italien jetzt wissen sollten und die damit verbundenen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen haben die Steuerexperten von TPA für Sie zusammengefasst.
1. Steuerliche Aspekte & Grenzgängerregelung
Einkünfte einer Person aus nichtselbständiger Arbeit – nSA, die in einem Vertragsstaat ansässig ist (Ansässigkeitsstaat) und im anderen Vertragsstaat arbeitet (Tätigkeitsstaat), sind gemäß Art. 15 Abs. 1 OECD-MA grundsätzlich im Tätigkeitsstaat zu besteuern.
Insoweit es eine Grenzgängerregelung im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen – DBA gibt, ist diese als „lex specialis“ gegenüber der Grundregelung anzuwenden und die Einkünfte aus nSA sind im Ansässigkeitsstaat zu besteuern.
Österreich hat mit folgenden angrenzenden Staaten eine Grenzgängerregelung im DBA:
- Deutschland,
- Liechtenstein und
- Italien.
Zwischen Österreich und der Schweiz gab es bis 2005 eine Grenzgängerregelung, die allerdings im Rahmen des nachfolgenden DBA aufgehoben wurde.
Grenzgänger sind Arbeitnehmer, die in Grenznähe des Tätigkeitsstaates arbeiten und täglich zu ihrem Wohnsitz in Grenznähe des Ansässigkeitsstaates zurückkehren. Voraussetzung für das Vorliegen eines Grenzgängers ist somit das tägliche „Pendeln“ zwischen Arbeitsort und Wohnort.
Aber was passiert, wenn der Arbeitnehmer nicht täglich zwischen dem Arbeitsort und dem Wohnort pendelt, weil er beispielsweise an seinem Wohnort im Home-Office arbeitet?
Insoweit keine tägliche Rückkehr zum Wohnort mehr erfolgt, verliert der Arbeitnehmer – soweit keine COVID-19 Sonderregelungen bestehen – seinen Grenzgängerstatus.
Um das zu vermeiden, haben Österreich und Deutschland eine Toleranzregelung vereinbart, wonach der Grenzgängerstatus aufrecht erhalten bleibt, wenn der Arbeitnehmer an höchstens 45 Arbeitstagen p.a. nicht zwischen dem Arbeitsort und dem Wohnort pendelt. Diese Tage werden als „Nichtrückkehrtage“ bezeichnet. Dabei sind Krankheits- und Urlaubstage nicht hinzuzurechnen. Allerdings zählt zu den schädlichen Nichtrückkehrtagen auch Home-Office.
Im Verhältnis zu Liechtenstein und Italien wurde eine derartige Toleranzregelung nicht festgelegt. Daher ist fraglich, ob (regelmäßiges) Home-Office mit dem Erfordernis des täglichen Pendelns noch vereinbar ist.
Überschreitet ein Grenzgänger im Rahmen seiner Home-Office-Tage somit die Anzahl der zulässigen Nichtrückkehrtage, sind seine Einkünfte aus nSA idR entsprechend dem Verhältnis der Arbeitstage zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem Tätigkeitsstaat aufzuteilen:
- Die aus Home-Office-Tagen resultierenden Einkünfte sind im Ansässigkeitsstaat (Deutschland, Liechtenstein, Italien) zu besteuern, und
- Die übrigen am Arbeitgeberort verbrachten Tage sind im Tätigkeitsstaat (Österreich) zu besteuern.
Verlust des Grenzgängerstatus & Konsequenzen für „Hereinpendler“
Für nach Österreich „hereinpendelnde“ Arbeitnehmer bedeutet der Verlust des Grenzgängerstatus´ im Einzelnen Folgendes.
Deutschland
Verlust des Grenzgängerstatus: Bei Überschreitung von 45 Arbeitstagen p.a.
Konsequenzen für Hereinpendler:
- Lohnsteuerpflicht für in Österreich verbrachte Arbeitstage
- Steuerpflicht für im Home-Office verbrachte Tage in Deutschland
- Freistellung der in Österreich besteuerten Einkünfte in Deutschland unter Progressionsvorbehalt
- Negative Auswirkungen für den Arbeitnehmer, soweit das Besteuerungsniveau in Österreich höher ist als in Deutschland
Liechtenstein
Verlust des Grenzgängerstatus: Keine explizite Regelung zur Anzahl der schädlichen Nichtrückkehrtage, allerdings kann angenommen werden, dass bei regelmäßiger Tätigkeit im Home-Office die Grenzgängerregelung nicht anzuwenden ist.
Konsequenzen für Hereinpendler:
- Lohnsteuerpflicht für in Österreich verbrachte Arbeitstage
- Steuerpflicht für im Home-Office verbrachte Tage in Liechtenstein
- Anrechnung der in Österreich bezahlten Steuer, höchstens bis zur errechneten Steuer in Liechtenstein
- Negative Auswirkungen für den Arbeitnehmer, da das Besteuerungsniveau in Liechtenstein niedriger ist und demnach nicht der gesamte österreichische Steuerbetrag angerechnet werden kann
Italien
Verlust des Grenzgängerstatus: Keine explizite Regelung zur Anzahl der schädlichen Nichtrückkehrtage, allerdings kann angenommen werden, dass bei regelmäßiger Tätigkeit im Home-Office die Grenzgängerregelung nicht anzuwenden ist.
Konsequenzen für Hereinpendler:
- Siehe Liechtenstein, wobei das italienische Steuerniveau höher als jenes von Liechtenstein ist;
- Negative Auswirkungen für den Arbeitnehmer, soweit das Besteuerungsniveau in Österreich höher ist als in Italien
2. Sozialversicherungsrechtliche Implikationen
Gemäß Art. 11 der Verordnung (EU) 883/2004 richtet sich die Sozialversicherungszuständigkeit grundsätzlich nach dem Tätigkeitsort.
Wird eine Tätigkeit jedoch in zwei oder mehreren EU-Mitgliedstaaten ausgeübt, dann gilt Folgendes:
- Wird im Wohnsitzstaat ein wesentlicher Teil der Tätigkeit ausgeübt, liegt die SV-Zuständigkeit beim Wohnsitzmitgliedstaat.
- Wird im Wohnsitzstaat kein wesentlicher Teil der Tätigkeit ausgeübt, liegt die SV-Zuständigkeit beim Tätigkeitsstaat, in dem die gewöhnliche Beschäftigung verrichtet wird.
Als „wesentlich“ sind in der Verwaltungspraxis mindestens 25 % der Tätigkeit anerkannt (vgl. Art. 14 Abs. 8 DVO (EU) 987/2009). Hierunter wird auch Home-Office Tätigkeit subsumiert. Wenn mindestens 25 % der Tätigkeit somit im Home-Office im Ansässigkeitsstaat des deutschen Arbeitnehmers erbracht wird, ergibt sich eine Sozialversicherungspflicht in Deutschland, Liechtenstein bzw. in Italien. Für bisher nach Österreich „hereinpendelnde“ Grenzgänger kann das Home-Office daher zu einer Änderung der Zuständigkeit des Sozialversicherungsträgers führen.
Gemäß Art. 21 DVO (EU) 987/2009 treffen den Arbeitgeber bei SV-Zuständigkeit im Wohnsitzstaat grundsätzlich die gleichen Pflichten wie bei SV-Zuständigkeit im Tätigkeitsstaat. Allerdings kann mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden, dass dieser die Pflicht zur Zahlung der Beiträge und Erstattung von Meldungen übernimmt. Diese Vereinbarung ist dem zuständigen SV-Träger im Wohnsitzstaat zu übermitteln. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber, aber auch der Arbeitnehmer im Fall der Nicht-Erfüllung der Pflichten im jeweiligen Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers zur Verantwortung gezogen wird.
3. Vorsicht: Home-Office und Betriebsstätte des Arbeitgebers
„Außerhalb von COVID-Sonderregelungen“ ist auch zu beachten, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Home-Office uU eine steuerliche Betriebsstätte des Arbeitgebers im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers herbeiführen kann, wodurch gemäß Art. 7 iVm 5 OECD-MA ein Besteuerungsrecht an Teilen des Unternehmensgewinnes in diesem Staat begründet wird:
Diese Betriebsstätte ist nach internationalen Grundsätzen dann gegeben, wenn
- Home-Office dauerhaft zur Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers genutzt wird,
- dem Arbeitgeber eine faktische Verfügungsmacht über die Wohnung des Arbeitnehmers durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers verschafft wird (die Ansprüche an diese Voraussetzung sind recht niedrig) und
- die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Tätigkeit des Arbeitgebers keine bloße Hilfstätigkeit
Wenn eine steuerliche Betriebsstätte im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers begründet wird, sind die darauf entfallenden Einkünfte des Arbeitgebers in diesem Staat zu versteuern. Österreich hat die deutschen Betriebsstätten-Einkünfte mit Progressionsvorbehalt freizustellen bzw. den im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers (Italien, Liechtenstein) bezahlten auf die Betriebsstätte entfallenden Steuerbetrag mit Höchstbetragsregelung auf die österreichische Steuer anzurechnen.
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