Der Erwartungsdruck, der auf den CEOs weltweit lastet, ist dramatisch gestiegen. Zugleich müssen sie ihren Führungsstil radikal ändern. Selbstreflektion und Nahbarkeit werden in der Führung immer wichtiger und sie werden sich zunehmend der sozialen Aspekte ihrer Rolle bewusst: Sie erkennen, dass der Schlüssel zu unternehmerischem Erfolg auch darin liegt, sich selbst weiterzuentwickeln. Das sind die Ergebnisse einer Studie des Leadership Advisory Egon Zehnder, in der 972 CEOs weltweit – darunter auch über 30 österreichische Manager – befragt wurden. Zentrale Frage der Untersuchung war: Wie haben sich die CEO-Funktion und -Erwartungen angesichts großer globaler Herausforderungen und aufkommender Trends verändert?
CEOs auf der ganzen Welt überdenken daher sich selbst und ihre Rolle und ihren Führungsstil. Wie wollen sie künftig mit ihren Teams zusammenarbeiten? Wie wollen Sie den wachsenden Forderungen nach Gleichberechtigung am Arbeitsplatz und hybriden Arbeitsformen begegnen? Auf welche Weise wollen sie dem Unternehmen Orientierung geben? Wie stellen sie das Unternehmen auch langfristig zukunftsfähig auf? Im aktuellen komplexen Geschäftsumfeld ist es für CEOs entscheidend, ihrer eigenen Entwicklung Priorität einzuräumen und zugleich zu lernen, die Potenziale ihrer eigenen Organisation besser zu nutzen.
Wirtschaftliche Unsicherheit ist gestiegen
90 Prozent der CEOs geben an, dass ihr unmittelbares Umfeld lauter, fordernder und diverser geworden ist. Auf die Frage nach den Auswirkungen der jüngsten Umstände auf ihr Unternehmen gaben die meisten CEOs an, die Entscheidungsfindung und der Wandel hätten sich beschleunigt und die wirtschaftliche Unsicherheit sei gestiegen. Diese Veränderungen verdeutlichen die Komplexität und die rasante Entwicklung, die die Geschäftswelt umgestalten. Gleichzeitig werden CEOs an immer höheren und anspruchsvolleren Stakeholder-Erwartungen gemessen.
78 Prozent erklären, über ihren eigenen Führungsstil nachzudenken – 2018 waren es noch 66 Prozent. CEOs wollen ihre Fähigkeiten erweitern und anpassungsfähig, beziehungsorientiert und selbstreflektiert agieren. Sie sind bestrebt, verschiedene Perspektiven einzuholen und suchen zunehmend nach Feedback ihrer Bezugsgruppen – einschließlich Teammitgliedern, Mentoren, Berater und anderen CEOs. Auffällig: Die Familie scheint in Österreich eine besondere Rolle zu spielen. 56 Prozent der CEOs gaben hierzulande an, für Feedback den Lebenspartner oder ein Familienmitglied zu konsultieren. Darüber hinaus holen weibliche CEOs wesentlich häufiger Feedback aus einer Vielzahl von Quellen ein und suchen deutlich mehr als ihre männlichen Kollegen Rat bei anderen CEOs, Mentoren und Familienmitgliedern.
Führungsstil: Persönliche Entwicklung des CEO wichtig fürs Unternehmen
78 Prozent der CEOs räumen ein, dass sie sich auf ihre eigene Veränderung bzw. Entwicklung konzentrieren– dreimal so viele wie im Jahr 2018. Auch bei österreichischen CEOs liegt die Zustimmung im gleichen Bereich. Weltweit sind sich CEOs einig, dass es einer „doppelten Transformation“ bedarf, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern: Sie sind der Ansicht, dass die persönliche Entwicklung des CEOs und das Wachstum des Unternehmens untrennbar miteinander verbunden sind. Insofern ist das auffälligste Ergebnis die nahezu einhellige Zustimmung von tausend Führungskräften zu der Aussage: „Als CEO muss ich in der Lage sein, sowohl mich als auch mein Unternehmen zu verändern.“
Zwei Drittel der CEOs auf internationaler Ebene geben an, dass die Kriterien und Messgrößen für die Entscheidungsfindung trotz neuer sozialer und wirtschaftlicher Komplexität weitgehend unverändert geblieben sind. Bei den österreichischen CEOs hingegen scheint sich der Veränderungsbedarf auch schon in den Faktoren, an denen sie gemessen werden, niederzuschlagen. Hier geben fast 60% an, dass die Bedeutung der relevanten Kriterien und Messgrößen in den letzten drei Jahren Veränderungen unterworfen war.
Fast 500 CEOs, d.h. mehr als die Hälfte aller Befragten, sehen das Thema der Beziehungsfähigkeiten als wichtigen blinden Fleck an, wie eine Analyse der verbalen Kommentare zeigt. Weniger als die Hälfte der CEOs (46%) geben dabei an, dass sie sich voll und ganz mit ihren Teams, und noch weniger mit ihren Aufsichtsräten, auf einer Linie sehen – was auf erhöhte Spannungen und einen entsprechend erhöhten Abstimmungsbedarf hindeutet. Unter österreichischen CEOs wird das Ausmaß der Übereinstimmung sogar noch geringer eingeschätzt als international.
Selbstreflexion im Einklang mit traditionellen Kompetenzen
„CEOs erkennen, dass die hohe geschäftliche Komplexität einen bedeutenden Wandel in der Führung erfordert. Dieser Wandel muss mit einem neuen Maß an Selbstreflexion und persönlicher Entwicklung beginnen. Das ist keine selbstgefällige Nabelschau, sondern das, was Stakeholder von unseren CEOs heute erwarten“, sagt Jill Ader, Global Chairwoman von Egon Zehnder. „Mehr als je zuvor muss traditioneller Geschäftssinn mit Empathie und emotionaler Intelligenz in Einklang gebracht werden. Nur auf diese Weise können Teams motiviert, geschäftliche Komplexität bewältigt und produktive, inspirierende Arbeitsplätze geschaffen werden.“
Um die komplexen Herausforderungen des heutigen Unternehmensumfelds zu navigieren, müssen CEOs ihre persönliche Fähigkeit erhöhen, anpassungsfähig, beziehungsorientiert und selbstreflektiert zu agieren, betont Gerald Klenner, der das Wiener Büro von Egon Zehnder leitet. Diese Kompetenzen müssen zunehmend mit traditionellem Führungsvermögen, strategischer Orientierung und konsequentem Leistungsdenken in Einklang gebracht werden. Um dies zu erreichen, sind Führungskräfte gefordert, ihre Fähigkeit zu verbessern, zuzuhören, auf ein breiteres Netzwerk von Stakeholdern zu vertrauen und authentischer als je zuvor zu kommunizieren. Sicher sei, dass die Persönlichkeit von CEOs mehr denn je über Wohl und Weh eines Unternehmens entscheide.