Wirtschaftsverbände fordern Mittelstandspaket mit Lohnnebenkostensenkung

05. Oktober 2021 Drucken
Wirtschaftsverbände fordern Mittelstandspaket mit Lohnnebenkostensenkung
© AdobeStock/Andrey Popov

Nach einer repräsentativen Befragung von 1.000 Unternehmen in Österreich brauchen Betriebe einen Spielraum für höhere Löhne, mehr Personal und Investitionen.

Bei einer repräsentativen österreichweiten Umfrage von Lobby der Mitte, Senat der Wirtschaft, Österreichischer Hoteliervereinigung, Gewerbeverein und Handelsverband haben 1.000 Unternehmen standortpolitische Maßnahmen priorisiert und bewertet. Die fünf freien Arbeitgeber-Verbände und -Plattformen wollen noch vor der Finalisierung des Budgets eine aus ihrer Sicht dringend notwendige Verbesserung der Rahmenbedingungen für den unternehmerischen Mittelstand (EPU, KMU, Familienbetriebe, Freiberufler)wie eine Lohnnebenkostensenkung sicherstellen. Die Hauptforderungen:

1. Lohnnebenkostensenkung

30 Prozent Lohnnebenkosten weniger für 30 Mitarbeiter – und das in jedem Unternehmen – eine Gleichbehandlung für große und kleine Arbeitgeber mit einem spürbaren Effekt auf Klein- und Kleinstbetriebe. 63 Prozent der Befragten wollen so Gehälter erhöhen, 57 Prozent mehr Mitarbeiter anstellen, 53 Prozent den Betrieb absichern. 96 Prozent der Befragten Firmen erachten die Maßnahmen als sehr wichtig oder wichtig.

2. Investitionsturbo

95 Prozent halten den Vorschlag einer 25 Prozentigen Investitionsrücklage und der Halbierung des Steuersatzes auf nicht entnommene Gewinne für sehr wichtig oder wichtig. Diese würden sich als echter Investitionsturbo herausstellen: Im Durchschnitt wollen die Unternehmer damit ihre Investitionen um 106 Prozent (Investitionsrücklage) bzw. 131 Prozent (Halbierung Steuersatz auf nicht entnommene Gewinne) steigern.

3. Bürokratiescout

2/3 der Umfrageteilnehmer wünschen sich einen Bürokratie-Scout. Sie geben den Bürokratieaufwand in ihren Unternehmen im Durchschnitt mit 20 Prozent der Arbeitszeit an.

Green Deal und Mitarbeiternachwuchs

Andere Vorschläge, die viel Zustimmung ernten, sind Programme zur Zusammenführung von Schüler und Unternehmen oder Startups und Mittelstand oder eine „Green Deal“-konforme Wirtschaftspolitik, die auf Abgaben für selbsterzeugte Erneuerbare Energie verzichtet und nachhaltige Angebote bei öffentlichen Ausschreibungen nicht benachteiligt.

Die Umsetzung weiterer Forderungen der Unternehmen wie die nach einem laufenden Monitoring der Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung des Mittelstands oder die Einsetzung einer/s Mittelstands-Beauftragten in der Regierung (90 Prozent Zustimmung) wollen die Interessenvertreter bei einem Runden Tisch mit der Regierung besprechen.

„Solange es keine Gleichstellung bei den Wettbewerbs-Bedingungen zwischen Mittelstand und Kapitalgesellschaften gibt, kann sich auch die österreichische Wirtschaft nicht unabhängig und nachhaltig im Sinne der Krisenbewältigung sowie des Wohls der Bevölkerung entwickeln“, sagt der Sprecher der Lobby der Mitte, Wolfgang Lusak.

Entlastung des Faktors Arbeit

„Um die 600.000 Arbeitsplätze im Handel zu erhalten, muss sichergestellt werden, dass nicht nur 50 Prozent der Zahlungen des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer ankommen“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. „Die Lohn- und Abgabenquote erdrückt den Mittelstand und bestraft beschäftigungsintensive Unternehmen mit Betriebsstätte in Österreich, wodurch bei Ansiedlungen oft andere europäische Staaten den Vorrang erhalten. Oberste Priorität sollte eine 30 Prozent Lohnnebenkosten-Senkung für mindestens 30 Mitarbeiter in jedem Unternehmen haben, um das Rückgrat der Volkswirtschaft, den Mittelstand, wettbewerbsfähiger zu machen. Nur dadurch lösen wir auch den massiven Mitarbeitermangel, der mittlerweile mit mehr als 20.000 offenen Stellen im Handel ausufert. Nirgendwo in Europa zahlen Unternehmen so viel für ihre Beschäftigten, ohne dass es den Angestellten selbst bleibt. Wir müssen den Faktor Arbeit entlasten, das ist das beste Investment in die Zukunft unseres Landes.“

Mittelstand bei Steuerreform zwischen die Stühle geraten

Der Großteil des Entlastungsvolumens der präsentierten Steuerreform geht an Beschäftigte, Familien und Pensionisten, große Unternehmen mit hohen Gewinnen, die Erfahrung mit Mitarbeiterbeteiligungen mitbringen, werden ebenfalls gut bedacht. Ganz typische KMU dagegen, die wegen immenser Lohnnebenkosten bestenfalls niedrigen Gewinnen schreiben, steigen mehr oder weniger leer aus. Die künftig jedenfalls höheren Kosten für die CO2-Bepreisung müssen sie trotzdem stemmen. Wie sie das schaffen sollen, bleibt offen: „Das ist das Gegenteil von Entlastung für das Rückgrat der heimischen Wirtschaft“, so die Branchensprecher, „diese Steuerreform wurde am unternehmerischen Mittelstand vorbei konzipiert.“ Dabei sind sie diese 99,6 Prozent Betriebe als Arbeitgeber für 1,7 Mio. Beschäftigte und Ausbilder von 54.000 Lehrlingen unverzichtbar für den Standort.

Lohnnebenkostensenkung und Entbürokratisierung: Wahlversprechen mit Ablaufdatum?

Der Arbeitgeberturbo, eine systematische Lohnnebenkostensenkung – wie die von den fünf unabhängigen Verbänden und ihren Mitgliedern vorgeschlagene – muss im aktuellen Paket unbedingt noch gezündet werden. Eine substanzielle Steigerung des Freibetrages wäre ebenso ein erheblich größerer Anreiz zu investieren als es eine 1 Prozent-KöSt-Senkung sein kann. Völlig ausgeklammert wurde die ebenfalls seit Jahrzehnten versprochene Durchforstung und Vereinfachung der Bürokratie. Auch dazu bieten die Verbände Vorschläge an.

Das Mittelstandspaket zum Download finden Sie hier.