Nächstes Jahr dürften die weltweiten Insolvenzen allmählich auf das Ausmaß von vor der Pandemie zurückkehren – allerdings in einem langsamen Tempo, angepasst an die Rücknahme der umfangreichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Trotz eines erwarteten Anstiegs von rund 15 Prozent dürften die globalen Fallzahlen 2022 im Durchschnitt weiterhin 4 Prozent niedriger liegen als 2019 – vor der Pandemie. Dennoch kehren insbesondere Exportrisiken stärker zurück als bisher.
2020 lag der Rückgang bei den weltweiten Pleiten bei 12 Prozent und auch im laufenden Jahr zeichnet sich ein weiterer Rückgang um rund 6 Prozent ab, so die jüngste Insolvenzstudie der Kreditversicherung Acredia in Zusammenarbeit mit Euler Hermes.
„Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen haben ihr Ziel erreicht, möglichst viele Insolvenzen zu verhindern“, sagt Acredia-Vorständin Gudrun Meierschitz. „In Westeuropa haben die Maßnahmen jede zweite Pleite verhindert, in den USA jede dritte. Für heuer zeichnet sich keine Trendwende ab: Die Verlängerung zahlreicher Programme wird die Insolvenzen im Jahr 2021 auf einem weiterhin niedrigen Niveau halten. Wie es weitergeht, hängt maßgeblich davon ab, wie die Regierungen in den kommenden Monaten handeln. Erst ab 2022 dürfte sich das weltweite Insolvenzgeschehen wieder schrittweise normalisieren.“
Österreich verzeichnet um fast die Hälfte weniger Insolvenzen als 2020
„Österreich verzeichnet ein Minus von 45,1 Prozent bei den Gesamtinsolvenzen gegenüber 2020. Das entspricht rund 1 000 Fällen gegenüber 1 927 Fällen im Vorjahr. Die Insolvenzverbindlichkeiten sind ebenfalls stark gesunken – von 1,744 Millionen Euro in 2020 auf 365 Millionen Euro in 2021. Das liegt daran, dass es keine Großinsolvenzen gibt“, so Meierschitz und ergänzt: „Wir erwarten keine Insolvenzschockwelle für den Rest des Jahres 2021, aber einen leichten wöchentlichen Anstieg ab Herbst mit einer Rückkehr zum Vorkrisen-Niveau.
Diesen Trend bestätigen die Zahlen seit Juli 2021 nach Auslaufen der staatlichen Förderungen. Mit Jahresende erwarten wir in etwa die gleiche Fallzahl wie 2020, also rund 3.000 Insolvenzfälle in Österreich.“ Einen starken Rückgang bei den Fällen gab es im Bau- und Baunebengewerbe, dem Dienstleistungssektor sowie Gastronomie und Tourismus. Für 2022 prognostiziert Acredia einen Anstieg der Firmenpleiten in Österreich auf 4.500 bis 5.000 Fälle.
Deutschland: 2022 wieder leichter Anstieg erwartet
In Deutschland kündigt sich für 2021 zunächst ein weiterer Rückgang von 5 Prozent bei den Insolvenzen auf rund 15.000 Fälle an: Vor der Pandemie waren es 2019 noch 18 749 Fälle; 2020 sind diese dann im Zuge der staatlichen Hilfsprogramme um 16 Prozent auf 15 840 Fälle gesunken.
„2022 dürften aber auch hier die Pleiten wieder um rund 9 Prozent auf etwa 16.300 Fälle zunehmen. Die relativ gute Ausgangslage, eines der größten staatlichen Unterstützungsprogramme und die wieder anziehende Weltwirtschaft haben deutschen Unternehmen eine gute Startposition verschafft, um sich auf die neue Normalität einzustellen“, erläutert Gudrun Meierschitz die Situation von Österreichs wichtigstem Exportmarkt.
In einigen Ländern steigen die Insolvenzen 2021 gegen den Trend
Die Entwicklung ist global sehr unterschiedlich: Während in den meisten Ländern 2021 die Pleiten weiter – zum Teil deutlich – rückläufig sein dürften, gibt es auch einige Länder, bei denen die Fallzahlen bereits 2021 gegen den globalen Trend steigen dürften. Dabei gibt auch die unterjährige Entwicklung Aufschluss über mögliche regionale Hot-Spots.
So steigen Insolvenzen in Westeuropa 2021 voraussichtlich in Italien (+47 Prozent), Spanien (+30 Prozent), Großbritannien (+10 Prozent), Luxemburg und der Schweiz (je +4 Prozent) sowie in Belgien (+3 Prozent). In Osteuropa verzeichnen insbesondere Polen (+62 Prozent), Ungarn (+20 Prozent), Rumänien (+8 Prozent) und Bulgarien (+5 Prozent) steigende Fallzahlen ebenso wie in Asien: Hongkong (+24 Prozent), Indien (+13 Prozent), Taiwan (+10 Prozent). In Afrika dürften Marokko (+48 Prozent) und Südafrika (+8 Prozent) den stärksten Anstieg sehen und in Südamerika sind Kolumbien (+12 Prozent) und Brasilien (+6 Prozent) besonders betroffen.
Fünf Indikatoren bestimmen die weitere Insolvenzentwicklung
Die neue Normalität bei den Insolvenzen birgt in allen Regionen weiterhin zahlreiche Risiken, die Unternehmen im Auge behalten sollten. Das Zusammenspiel von (1) globaler und lokaler wirtschaftlicher Entwicklung und (2) staatlicher Unterstützung spielt bei der Entwicklung der Insolvenzen eine entscheidende Rolle. Hinzu kommt (3) das weiterhin bestehende Ausfallrisiko von Unternehmen, die bereits vor Covid-19 zu den Wackelkandidaten oder „Zombies“ zählten. Zudem hat (4) die verschlechterte Finanzlage mancher Unternehmen das Problem der Schuldentragfähigkeit verschärft.
Die rasche Erholung der Unternehmensgründungen ist zwar einerseits eine positive Nachricht, die aber auch eine Kehrseite der Medaille hat: (5) Junge Unternehmen sind traditionell anfälliger für Insolvenzen. Zudem vergrößert diese Entwicklung die Basis für potenzielle Insolvenzen insbesondere in Bereichen, in denen die Gründung von Unternehmen in hohem Maße mit in der Pandemie neu entstandenen Bedürfnissen zusammenhängt wie zum Beispiel Hauszustellungen, deren langfristige Tragfähigkeit jedoch unsicher ist.