Finanzdienstleister: Konsequente und ganzheitliche Kundenzentrierung als Zukunftsthema

24. Februar 2022 Drucken
Finanzdienstleister: Konsequente und ganzheitliche Kundenzentrierung als Zukunftsthema
Professional business meeting: young couple as customers and an adviser for finance, retirement, investment or insurance. © AdobeStock/Jeamette Dietl

Die digitale Transformation verändert die Finanzbranche grundlegend – das gilt nicht nur für Prozesse und Aufbaustrukturen, sondern betrifft auch den Umgang mit dem Kunden: An der kundenzentrierten Arbeit führt kein Weg vorbei. Die Branche hat die Bedeutung dieses Themas erkannt – aber in der Umsetzung gibt es noch einiges nachzuholen.

Kundenzentrierte Arbeit als solche ist für Finanzdienstleister nichts Neues: Persönliche Beratung und Ansprechbarkeit gehört in der Branche zum grundlegenden Handwerk. Aber der Markt wandelt sich – digitale Wettbewerber verändern das Geschäft, individuell zugeschnittene Angebote und Leistungen werden immer wichtiger und die Kundentreue nimmt immer mehr ab. Das stellt die klassischen Finanzdienstleister vor neue Herausforderungen.

Wie schätzt die Branche diese Herausforderungen ein, wo sieht sie zentrale Hürden, wo liegen die größten Chancen? Die Studie von KPMG und Lünendonk „Kunden im Mittelpunkt – Kundenzentrierung als wesentlicher Erfolgsfaktor im Finanzdienstleistungssektor“ zeigt ein ausführliches Stimmungsbild der Branche und stellt fünf zentrale Thesen auf.

1. Näher an den Kunden – Kundenzentrierung ist ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie

Für den Großteil der befragten Unternehmen ist Kundenzentrierung ein wesentlicher Teil ihrer Strategie. Traditionelle Strukturen und Arbeitsweisen müssen nicht nur auf die veränderten Bedingungen am Markt, sondern auch die neuen Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet werden. Deshalb sehen 94 Prozent der Studienteilnehmer:innen eine personalisierte Ansprache von Kund:innen als wichtig an und die meisten Unternehmen möchten ihren Kund:innen zusätzliche Mehrwertservices entlang der Customer Journey anbieten. Zahlreiche Unternehmen rollen daher bereits kundenzentrierte Strategien aus – das ist jedoch mit großem Aufwand verbunden: Geschäftsprozesse wie Beratung, Vertrieb, Kundenservice und Marketing müssen miteinander vernetzt werden, um die Kundenbeziehung ganzheitlich steuern zu können.

2. Ambitionierte Ziele für 2022 – Kundenzentrierung kann nur als ganzheitliche Initiative im gesamten Unternehmen gelingen

96 Prozent der befragten Unternehmen haben erkannt: Eine erfolgreiche Kundenzentrierung setzt einen integrierten Arbeitsansatz voraus. Ganze 40 Prozent wollen solche Ansätze bereits im laufenden Jahr 2022 vollständig ausrollen – in Anbetracht der oft noch vorherrschenden Silostrukturen ein ambitioniertes Ziel. Hier braucht es neben neuen Unternehmensstrukturen einen Kulturwandel unter Mitarbeiter:innen und Führungskräften, denn oft fehlen Anreize für kundenzentrische Maßnahmen. Auch beim Thema Kundenfeedback herrscht Nachholbedarf: Nicht einmal die Hälfte der befragten Unternehmen erhebt bisher überhaupt Kundenmeinungen zu allen Produkten.

3. Mit Bedacht den richtigen Partner wählen – Plattformen werden als Chance gesehen, aber nur wenig genutzt

Digitale Angebote, die sich direkt mit den Lebenswelten der Kunden beschäftigen, sind auf dem Vormarsch. Viele Dienstleister bieten bereits speziell zugeschnittene Formate zu Themen wie Urlaub, Mobilität oder E-Commerce an. In Zukunft werden aus diesen Formaten immer mehr übergreifende Plattformen entstehen, in denen sich Finanzdienstleister als Plattform-Teilnehmer positionieren und über die sie ihre Services vertreiben können. Durch diese Art der Plattformteilnahme versprechen sich die Studienteilnehmer:innen eine Zunahme der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie die Erschließung neuer Ertragsströme. Den nächsten Schritt, nämlich den Aufbau einer eigenen Plattform, trauen sich hingegen nur vergleichsweise wenige Institute (18 Prozent) zu.

4. Auf innovativer Aufholjagd – Trotz einiger Herausforderungen sollen Erlebnisse digital aufgeladen werden

Obwohl digitale Angebote immer wichtiger werden, präferieren mehr als zwei Drittel der befragten Finanzdienstleister den Kontakt an der persönlichen Kundenschnittstelle gegenüber einer rein digitalen Interaktion. Fast drei Viertel wollen dennoch zukünftig auf digital gestützten Kundenkontakt setzen – aber weniger als die Hälfte rechnet damit, dass Kunden:innen medienbruchfrei zwischen den unterschiedlichen Kanälen wechseln können. Auch wenn die Studienteilnehmer:innen zukünftig auf eine modulare und skalierbare IT-Architektur setzen und in der künstlichen Intelligenz, in Data Analytics und Cloud-Services zentrale Technologien sehen – bei der Modernisierung der IT-Kernsysteme, die für die Realisierung digitaler Kundenerlebnisse benötigt werden, gibt es großen Nachholbedarf.

5. An Geschwindigkeit gewinnen – Große Sprünge sind nun wichtiger als kleine Schritte

Die Zeit drängt und die Liste der Herausforderungen ist lang – bewältigen lassen sie sich nur mit gezielten Investitionen. Bedeutung kommt hier vor allem der Modernisierung der IT sowie der Prozessautomatisierung zu; Technologien wie Open Source, Künstliche Intelligenz, Data Analytics und Cloud Services spielen eine zentrale Rolle. Genauso wichtig ist jedoch das Change Management: Der Erfolg jeder Maßnahme zur Steigerung der Kundenzentrierung hängt vor allem davon ab, ob die Mitarbeiter sie aktiv leben und in ihrer täglichen Arbeit umsetzen.

„Kundenzentrierung ist ein zentrales Thema in der Finanzbranche und bietet für diejenigen Unternehmen, die mutig genug sind und vorangehen, viele Chancen. Ein Ausruhen und Vertrauen auf die zweifelsohne starken USPs der Vergangenheit wäre jedoch gefährlich. Es gilt nun die eigenen Stärken in eine neue, digitale Zeit zu übertragen, um somit den Grundstein für starke Kundenbeziehungen in der Zukunft zu legen“, sagt Claudia Fell, Partnerin und Head of FS Strategie- & Management-Beratung bei KPMG.