Nur 3 Prozent Glaubwürdigkeit: Erlebt der Verkauf eine Imagekrise?

03. März 2022 Drucken
Nur 3 Prozent Glaubwürdigkeit: Erlebt der Verkauf eine Imagekrise?
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7 von 10 Kund:innen wollen im Kaufprozess nicht mit Verkäufer:innen sprechen und nur 3 Prozent aller Käufer:innen vertrauen einem Seller. Die einzigen Berufsfelder mit noch weniger Glaubwürdigkeit sind die Politik und das Lobbying.

Diese Erkenntnisse sind für Verkäufer:innen selbst wohl kaum eine Überraschung. Die tragischen Folgen tun jedoch den Umsatzplanungen weh, schließlich gehen mehr als die Hälfte der Kund:innen ihre Journey alleine. Entscheidungen werden getroffen, ohne je mit dem Vetriebsteam gesprochen zu haben. Wie man diesem Trend entgegenwirken kann, erklärt Stephanie Biebel, Sales Expertin und Gründerin von Growth Mastery im folgenden Gastbeitrag.

Unzureichende Fähigkeiten und Strategien

Forrester Research belegte kürzlich, dass sich Verkäufer:innen im Auge der Kund:innen oft ungeschickt verhalten: Fast dreiviertel aller potenziellen Käufer:innen haben das Gefühl, dass die Verkäuf:erinnen weder auf Fragen vorbereitet sind noch genug über den Hintergrund der Kund:innen wissen. Sie fühlen sich nicht verstanden und bezweifeln, dass sich die Verkäufer:innen in sie als Personen und Unternehmen hineinversetzen können. Viel schlimmer noch: Verkäufer:innen wirken auf sie, als würden sie die tatsächlichen Probleme nicht verstehen und daher auch nicht einordnen können, wo konkret sie helfen können.

Der Vetriebsjob als Zufallstreffer

Wo hat dieses Problem die Wurzeln? Es wird Zeit, der Wahrheit ins Auge zu blicken: Für den Verkauf gibt es keine Ausbildung und parallel investieren Unternehmen auch nicht genug – oder nicht richtig – in ihre eigenen Mitarbeiter:innen. Die meisten Vertriebler:innen landen zufällig im Verkauf (womöglich auch dem schlechten Image geschuldet), akademische Ausbildungen gibt es in dem Bereich kaum. Glaubt man dem Psychologen Hermann Ebbinghaus und seiner Theorie der Vergessenskurve, wäre eine hochschulische Vorbildung ohnehin sinnlos: Er fand heraus, dass Menschen 75 Prozent der neuen Informationen bereits nach sechs Tagen wieder vergessen haben, wenn sie sie nicht anwenden. Fazit: Sales kann man nicht in der Theorie lernen, sondern nur im Feld.

Eine missliche Lage, nicht nur bei den Jungen

Die Konsequenz: Vor allem die Jungen unter den Neuen fangen hoch motiviert an, haben aber nicht genügend Vorwissen und üben am lebenden Objekt – den Kund:innen. An sich ist das keine gute Idee, aber gelebte Praxis. Umgelegt auf Ärzt:innen würde das schließlich bedeuten, dass diese direkt nach einem Studium ihre ersten Operationen machen, ohne es vorher unter Anleitung viele Male geübt zu haben. Der Verkauf ist nun keinesfalls mit der Medizin zu vergleichen, wenn doch die Konsequenz klar wird: Nach unzähligen Trial & Errors entsteht verbrannte Erde, die Kund:innen verlieren das Vertrauen in die Verkäufer:innen. Und das ist wirklich berechtigt.

Workshops und Seminaren sind der falsche Weg

Wie trainieren Unternehmen ihre jungen und erfahrenen Vertriebler:innen richtig? Einige Unternehmen tun das mit Workshops und externen Seminaren, der Rest ist Learning by doing. Untersuchungen von Gartner haben ergeben, dass B2B-Vertriebsmitarbeiter 70 Prozent der gelernten Informationen innerhalb einer Woche nach der Schulung vergessen, und 87 Prozent vergessen sie innerhalb eines Monats. Des Weiteren werden dort oft fiktive Situationen trainiert, die Vertriebler:innen im echten Berufsalltag nicht weiterbringen. Erstaunlicherweise trainiert der Hauptteil der Unternehmen ihre Sales-Teams überhaupt nicht, besonders häufig ist das ausgerechnet bei Start-ups der Fall.

Enablement und als Schlüssel-Instinkt

Was ist also die Lösung? Der Verkauf muss sich radikal verändern, vor allem auch in seinen Werten. Heute haben die Kund:innen die Qual der Wahl und wer nicht gefällt, wird einfach ersetzt. Eine kundenzentrierte Denkweise ist unerlässlich, ehrliches Interesse am Kunden währt schließlich am längsten. Veraltete Strategien und Taktiken müssen durch moderne Methoden und daten-getriebene Entscheidungen ersetzt werden, um den Umsatz aktiv steuern zu können. Das Allerwichtigste bei alldem: Das Management muss mit Menschen besetzt sein, die nicht dirigieren, sondern andere befähigen. Menschliches Feingefühl und die Bereitschaft, eigenes Wissen für den Erfolg des ganzen Teams weiterzugeben – andere würden „Leadership-Fähigkeiten“ sagen – sind angesagt.

On-The-Job-Training mit Profis

Ähnlich wie beim Chirurg:innenbeispiel würde das oben beschriebene Szenario bedeuten, dass die jungen Verkäufer:innen von den erfahrenen über Jahre lernen und Schritt für Schritt ihr Handwerk üben. Das On-The-Job-Training durch wirklich fähige Role-Models und starke Mitarbeiter:innen ist das wohl beste Konzept, das bessere Seller und ein besseres Image der Branche einbringt. Maßgeschneidert dafür: Die “Growth Mastery”, das erste deutschsprachige Trainings-Programm für Start-ups, um sich modernsten Sales Know-how ins Unternehmen zu holen. Trainiert wird anhand der echten Situation und gelernt wird nur das, was wirklich gebraucht wird – angelehnt an die amerikanische Lean Learning-Methodik, die innerhalb der letzten Jahre bisher vorherrschende Aus- und Weiterbildungskonzepte revolutioniert hat und unter anderem auf das Pareto-Prinzip zurückgreift.

Exkurs: Der Provisions-Trigger

Neben dem Gap an Skills und konsistentem Training kommt leider noch eine weitere Komponente dazu, die dazu führt, dass das Image des Sales nicht besser wird: Unternehmen wollen immer höher, schneller und weiter vorankommen. Dieser Druck wird 1:1 an das Sales-Team weitergegeben. Diese werden dann vor allem mit hohen Provisionen getriggert, um die Motivation hochzuhalten. Doch genau das ist aber die falsche Motivation, die weder nachhaltig beim Seller wirkt, noch vom Kunden Ansehen genießt.

Stephanie Biebel ist Businesscoachin für Start-ups und Gründerin der Growth Mastery, dem ersten deutschsprachigen On-The-Job-Training für heimische Start-ups.

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