Auch wenn die aktuelle Lage in Europa von großer Unsicherheit geprägt ist: „Die Versorgung Österreichs mit Lebensmitteln, Futtermitteln und Getränken ist gesichert. Den Konsument:innen steht das breite heimische Lebensmittelangebot in gewohnter Menge und Qualität zur Verfügung“, sagt Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie.
Die Exporte der heimischen Lebensmittelindustrie legten 2021 mit fast 8,6 Mrd. Euro um 9,4 Prozent zu und waren mit einem Anteil von deutlich über 60 Prozent an den Gesamtagrarexporten wiederum der bestimmende Motor für den kulinarischen Exporterfolg „Made in Austria“. „Das ist eine erste erfreuliche Bilanz. Damit schaffte die österreichische Lebensmittelindustrie auch im vergangenen Jahr wiederum Wertschöpfung in Österreich und sicherte Arbeitsplätze – ein ganz wesentlicher Faktor im bereits zweiten Coronajahr“, so Koßdorff.
Die Gesamtexporte Österreichs (Zollkapitel 1-99) konnten 2021 gegenüber dem Vorjahresvergleich um 16,1 Prozent zulegen. Hebt man davon den Export im Agrar- und Lebensmittelbereich (ZK 1 – 24) heraus, stieg dieser um 9,4 Prozent auf 13,9 Mrd. Euro. Im gleichen Zeitraum wurden Agrarwaren um fast 14 Mrd. Euro importiert (ein Plus von 9,3 Prozent). Dadurch reduzierte sich die traditionell negative Agraraußenhandelsbilanz Österreichs und liegt aktuell bei minus 7,2 Mio. Euro.
Motor für diese Entwicklung waren die Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie (ZK 16 bis 24). Diese konnten auch 2021 ihre traditionell positive Außenhandelsbilanz mit + 2,166 Mrd. Euro weiter ausbauen (+252 Mio. Euro gegenüber 2020). Mit anderen Worten: Es wurden auch im letzten Jahr wieder deutlich mehr verarbeitete Lebensmittel exportiert als importiert.
Der Bereich der Agrarwaren tierischen und pflanzlichen Ursprungs (ZK 1 bis 15) weist mit einem Minus in Höhe von 2,173 Mrd. Euro erneut eine negative Außenhandelsbilanz auf, die sich gegenüber 2020 um 244 Mio. Euro verschlechtert hat. Das bedeutet, wir importieren mehr Agrarrohstoffe als wir exportieren. Das ist leicht erklärt: Österreich kann sich selbst nicht ausreichend mit sämtlichen Agrarrohstoffen und Halbfabrikaten über das ganze Jahr versorgen und ist daher auf Importe angewiesen. Auch gedeihen einige Rohstoffen nicht in Österreich, etwa Kakao, Südfrüchte, Reis, Haselnüsse usw. Diese müssen daher eingeführt werden.
EU bleibt wichtigster Markt für heimische Lebensmittel
Die EU bleibt auch 2021 für die österreichische Lebensmittelindustrie der zentrale Exportmarkt: 69 Prozent der heimischen Lebensmittelexporte gehen in die EU (5,9 Mrd. Euro; + 13,4 Prozent gegenüber 2020), 31 Prozent in Drittstaaten (2,6 Mrd. Euro; + 1,4 Prozent). Deutschland ist dabei weiterhin der wichtigste Exportmarkt innerhalb der EU (+ 11,2 Prozent gegenüber 2020). Rückläufig waren hingegen die Lieferungen in die USA (- 20,2 Prozent). Auch die Lebensmittelexporte nach Großbritannien gingen wegen des BREXIT und der damit verbundenen Liefer- und Logistikprobleme zurück (- 10,5 Prozent).
Pandemie und Ukraine: Kostendruck auf Lebensmittelindustrie verschärft sich
Seit Monaten kämpfen die Lebensmittelbetriebe mit einer historischen Kostenwelle, die pandemie- und erntebedingt die Preise für Energie, Rohstoffe und Verpackung in unvorhersehbare Höhe treibt. Damit nicht genug, haben sich Logistik- und Frachtkosten vervielfacht, es gibt Engpässe bei Paletten, Containern und LKW-Fahrer:innen. Die Lage hat sich nun durch die Folgen des Ukraine-Kriegs nochmals dramatisch verschärft.
Der Krieg in der Ukraine trifft in diesen Tagen auch die österreichische Lebensmittelindustrie. Einige Betriebe sind von dessen Auswirkungen direkt vor Ort betroffen. Die gesamte Branche hat nun mit zusätzlichen Effekten bei Energie, Rohstoffen, Verpackung, Arbeitskräften oder Logistik zu kämpfen (Details dazu unter: oesterreich-isst-informiert.at).
Durch die hohen Erntemengen an Agrarrohstoffen bestimmt die Ukraine die Preisbildung am europäischen Markt wesentlich mit. Das betrifft vor allem Getreide (wie Weizen), Sojabohnen, Obst (wie Äpfel und Beeren) sowie Ölsaaten (wie Sonnenblumen, Mais und Raps). So erreichten die Getreidepreise mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine neue Höchststände.
Auch Russland ist ein wichtiges Agrarland und beeinflusst die internationale Preisbildung auf den Getreidemärkten sowie auch bei Erdöl, Gas und Düngemitteln. So haben die Preise für Erdöl und Gas, Strom und Treibstoff nochmals dramatisch angezogen und ein Ende des Aufwärtstrends scheint nicht in Sicht. Das schlägt unmittelbar auf die Kosten der Produktion und des Transports von Lebensmitteln und Agrarrohstoffen, Futtermitteln, aber auch Fleisch durch. Gerade die Preise für Rind- und Schweinefleisch erleben derzeit einen Höhenflug.
Die knappen Mengen und gestiegenen Kosten in den Vorstufen sowie eine belebte Nachfrage aufgrund des bevorstehenden Ostergeschäfts und der Grillsaison brachten allein in den vergangenen Tagen deutliche Preisschübe. Das bringt die heimische Fleischwarenbranche neben den Verteuerungen bei Energie und Transport weiter massiv unter Druck.
Alternative Beschaffungsmärkte erforderlich
Aktuell entfallen Agrarlieferungen aus der Ukraine. Das hat auf die Versorgung Österreichs derzeit keine Auswirkungen, diese ist gesichert. Aber es verknappt sich dadurch das Angebot am europäischen Markt und das führt wiederum zu einer Verteuerung. Die Hersteller sind gezwungen, auf alternative Beschaffungsmärkte auszuweichen. Auch hat jüngst Ungarn vorläufige Exportbeschränkungen für diverse Agrarwaren festgelegt. „Das ist ein massiver Eingriff Ungarns in den freien Warenverkehr innerhalb der EU, der nicht akzeptabel ist. Es wurde bereits eine Protestnote an die EU-Kommission gesendet“, erklärt Koßdorff.
„Gerade jetzt in diesen heraufordernden Zeiten muss alle Kraft in die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer österreichischen Lebensmittelindustrie fließen. Denn nur eine starke Lebensmittelproduktion im eigenen Land schafft weiterhin eine gesicherte und verlässliche Versorgung mit heimischen Lebensmitteln und Getränken“, so Koßdorff abschließend.