Im Jahr 2021 ist die österreichische Wirtschaft mit 4,5 Prozent kräftig gewachsen und die ursprünglichen Prognosen für 2022 standen unter positiven Vorzeichen. Diese Erwartungshaltung musste allerdings aufgrund der am 24. Februar 2022 erfolgten Invasion in der Ukraine durch die Russische Föderation revidiert werden. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung ist durch diesen Krieg und seine Folgen wesentlich beeinflusst und markiert einen Wendepunkt“, so Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), anlässlich der Präsentation des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts 2021 der OeNB.
Krieg in der Ukraine bremst BIP-Wachstum und führt zu Inflationsanstieg
Die negativen Auswirkungen des Krieges werden, wie das aktuelle Interimsupdate der OeNB-Prognose vom März 2022 zeigt, das österreichische Wirtschaftswachstum dämpfen und gleichzeitig die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflation erhöhen. Österreichs reales BIP wird unter der Annahme eines zeitnahen Endes der kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 2022 um 3,5 Prozent wachsen, und die Inflationsrate wird bei 5,3 Prozent liegen. Dies bedeutet ein um 0,8 Prozentpunkte schwächeres BIP-Wachstum und eine um 2,1 Prozentpunkte höhere Inflation als noch im Dezember 2021 angenommen. Dabei ist die BIP-Abwärtsrevision ungefähr zur Hälfte und die Inflationsaufwärtsrevision zu einem Viertel auf die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zurückzuführen.
Für die Jahre 2023 und 2024 wird ein geringeres BIP-Wachstum von 2,2 Prozent bzw. 2,0 Prozent erwartet, während die Inflationsrate auf 2,9 Prozent bzw. 2,3 Prozent zurückgehen sollte. Bei der Berechnung von Alternativszenarien, die von einer längeren Kriegsdauer sowie einer Intensivierung des Konflikts und der Sanktionen ausgehen und auch den Ausfall von russischen Gaslieferungen inkludieren, wären deutlich stärkere BIP- und Inflationseffekte zu erwarten.
„Die OeNB bekundet dem ukrainischen Volk ihre volle Unterstützung“, so Holzmann. Österreich hat seine hohe Hilfsbereitschaft einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch die OeNB und ihre Mitarbeitenden haben durch Spenden für heimische Hilfsorganisationen Unterstützung geleistet. Ferner wird die OeNB im Rahmen ihrer Möglichkeiten spezielle wissenschaftliche und kulturelle Unterstützung in Kooperation mit österreichischen Bildungseinrichtungen für ukrainische Studierende und Lehrpersonal anbieten. Darüber hinaus beteiligt sich die OeNB als Teil des Eurosystems an jeglichen Maßnahmen, die vom EZB-Rat ergriffen werden, um komfortable Liquiditätsbedingungen zu gewährleisten, die beschlossenen Sanktionen umzusetzen sowie das Preisstabilitätsmandat zu erfüllen und die Finanzstabilität zu gewährleisten.
Österreichischer Bankensektor ist resilient und muss sich Herausforderungen stellen
„Die vorausschauenden aufsichtlichen mikro- und makroprudenziellen Maßnahmen seit 2008 sowie die Bemühungen der Banken, ihr Geschäftsmodell nachhaltiger zu gestalten, haben die Finanzmarktstabilität in Österreich gestärkt“, attestiert Vize-Gouverneur Gottfried Haber. Dadurch konnte der Bankensektor während des bisherigen Pandemieverlaufs eine stabile und zentrale Rolle zur Aufrechterhaltung der Liquidität des österreichischen Unternehmenssektors gewährleisten. So hat sich etwa die Kapitalausstattung der Banken seit damals auf knapp 16 Prozent verdoppelt, und auch die Liquiditätsausstattung ist hoch. Die in der CESEE-Region (Zentral-, Süd- und Südosteuropa) engagierten österreichischen Banken sind regional diversifiziert, haben die Abhängigkeit ihrer Töchter abgebaut und vorrangig mittels lokaler Refinanzierung Risiken reduziert. Die durch die russische Invasion in die Ukraine schlagend gewordenen Risiken stellen aus derzeitiger Sicht keine Gefährdung für die Finanzmarktstabilität dar.
Des Weiteren verweist Vize-Gouverneur Haber auf den von der OeNB erstmals durchgeführten nationalen Klimastresstest für den Bankensektor, mit dem die OeNB eine Vorreiterposition im internationalen Feld einnimmt. Dieser zeige, dass die Transitionsrisiken, insbesondere aus einer CO2-Bepreisung, für Österreichs Banken beherrschbar sind.
Die OeNB hat auf Basis der Empfehlungen internationaler Institutionen erfolgreich an der Umsetzung von rechtlich-bindenden kreditnehmerbezogenen Maßnahmen mitgearbeitet, um Risiken aus der Wohnimmobilienfinanzierung in Österreich zu mitigieren.
Im Jahr 2021 hat die OeNB – als größter österreichischer Anbieter öffentlicher Finanzstatistiken – die Entwicklung einer neuen Datenstrategie eingeleitet, deren Ziel es ist, das reichhaltige und rasch wachsende Angebot an Daten den Userinnen und Usern zur Verfügung zu stellen. Zudem wurde das außenwirtschaftliche Meldewesen der OeNB modernisiert und ein Projekt des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) gestartet, das durch Schaffung effizienterer Meldeprozesse nach österreichischem Vorbild die Geschäftsbanken zukünftig entlasten soll.
Geldpolitik mit neuen strategischen Weichenstellungen
„Das Eurosystem reagierte auf den Anstieg der Inflation im Jahr 2021 mit einem Beschluss über das plangemäße Auslaufen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme – PEPP) mit März 2022. Das erweiterte Programm zum Ankauf von Finanztiteln (Expanded Asset Purchase Programme – APP) wird bis Juni 2022 schrittweise reduziert. „Abgesehen davon stand das Jahr 2021 insbesondere unter dem Zeichen entscheidender strategischer Weichenstellungen. So wurde die erste neue geldpolitische Strategie der EZB seit 18 Jahren mit einem symmetrischen Inflationsziel von mittelfristig 2 Prozent beschlossen“, so OeNB-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Holzmann weiter. In der Arbeitsgruppe zur Produktivität führte die OeNB gemeinsam mit der EZB den Vorsitz. Die neue geldpolitische Strategie der EZB berücksichtigt auch den Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Preisstabilität.
Klimawandel stellt globale Herausforderung dar
Der Klimawandel, der dadurch ausgelöste globale Temperaturanstieg und die Zunahme von extremen Wetterereignissen sowie die Umstellung auf nachhaltigeres Wirtschaften beeinflussen die Preisstabilität, da sie Effekte auf makroökonomische Größen wie Preise, Produktion, Zinsen, Finanzstabilität sowie auf die geldpolitische Transmission haben. Das Eurosystem will seine analytischen Kapazitäten im Hinblick auf den Klimawandel ausbauen und klimaspezifische Effekte stärker in makroökonomischen Modellen, bei statistischen Erhebungen und im geldpolitischen Instrumentarium berücksichtigen. „Der Klimawandel stellt eine globale Herausforderung dar und wird von der OeNB im Rahmen der vom Eurosystem initiierten Maßnahmen sehr ernst genommen. Die OeNB veranstaltete im vergangenen Jahr eine international hochrangig besetzte Konferenz zum Thema Klimawandel und konnte mit Lord Nicholas Stern einen der weltweit führenden Experten zu diesem Thema gewinnen“, so Gouverneur Holzmann.
OeNB-Direktor Thomas Steiner ergänzte, „dass im Rahmen des Risikomanagements bereits seit vielen Jahren auch spezifische Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden. Weiters trug die Veranlagungsstrategie der OeNB den Entwicklungen auf den Finanzmärkten im Jahr 2021 Rechnung und war durch eine umfassende Neuausrichtung gekennzeichnet.“
Bargeld ist unverändert beliebtestes Zahlungsmittel
„Österreich“, so OeNB-Direktor Eduard Schock, „ist und bleibt ein Bargeld-Land. Zwar haben die unbaren Zahlungsvorgänge in den beiden Jahren der Pandemie wie erwartet spürbar zugenommen, aber mit großem Abstand bleibt Bargeld das beliebteste Zahlungsmittel. Und obwohl ein Großteil der Bevölkerung über Bezahlkarten verfügt, wollen über 90 Prozent keinesfalls auf das Bargeld verzichten.“ „Bargeld“, so Direktor Schock weiter, „ist fälschungssicher, steht auch in Krisen und Blackouts zur Verfügung, schützt bei Verwendung die Privatsphäre und ist das einzige vollkommen inklusive Zahlungsmittel. Kurz: die Österreicherinnen und Österreicher haben gute Gründe, warum für sie das Bargeld nach wie vor die Nummer Eins beim Bezahlen ist“.