Während in den vergangenen Jahren die Preiskonkurrenz die größte Sorge der Betriebe war, sehen jetzt zwei Drittel der Unternehmen die Preissteigerungen bei Rohstoffen und Materialien als problematisch an“, sagt Christina Enichlmair von der KMU Forschung Austria. „Die Preissteigerungen für die Energie sind für die Hälfte aller befragten Betriebe eine schwierige Herausforderung. Auch die Zuliefer- und Lieferkettenprobleme machen weiterhin vielen Betrieben zu schaffen.“ Etwa jedes zweite Unternehmen kämpft mit einem Fachkräftemangel.
„Die Erholung von der Corona-Pandemie ist 2021 leider eine optische Illusion geblieben“, sagt Spartenobfrau Renate Scheichelbauer-Schuster. Die Erholung im Gesamtjahr gab es vor allem im zweiten und dritten Quartal, als es keine Lockdowns gab. „Im Jahresdurchschnitt ist der Umsatz zwar nominell deutlich angestiegen, und zwar um 4,6 Prozent, was ja in normalen Zeiten ein sensationeller Wert gewesen wäre“, sagte Enichlmair. „Allerdings waren die Preissteigerungen so hoch, dass real, also preisbereinigt, ein leichtes Minus von -0,4 Prozent rausgekommen ist.“ Das nominelle Umsatzplus gehe zur Gänze auf das Konto von Kostensteigerungen.
„Speziell den konsumnahen Branchen machen weiterhin ‚Long-Covid-Folgen‘ zu schaffen“, so Scheichelbauer-Schuster. „Und in den baunahen Branchen droht jetzt wegen der Lieferengpässe und Kostenexplosion der Stillstand. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so geballte Häufung von Problemen erlebt zu haben.“
Verzögerungen aufgrund von Lieferengpässen
Weil in vielen Bereichen durch das Fehlen einzelner Komponenten Aufträge nicht fristgerecht ausgeführt werden könnten, würden den Betrieben Pönalstrafen drohen. „Bei Bestellungen gibt uns der Lieferant entweder gar keinen Preis an oder es sind nur Richtpreise, die im Nachhinein hochgeschraubt werden“, berichtete Scheichelbauer-Schuster aus ihrem eigenen Elektrobetrieb. „Und wir wissen überhaupt nicht, wann wir die Ware bekommen.“ So gebe es zum Beispiel Probleme bei der Lieferungen von Alu-Schienen aus der Ukraine, die bei der Montage von PV-Anlagen benötigt werden. „Das einzige, was sicher ist, ist die Unsicherheit.“
„Der Krieg in der Ukraine hat die Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vormaterialien noch weiter angeheizt“, sagt Spartengeschäftsführer Reinhard Kainz. „Die Situation ist als prekär einzustufen und droht mit Fortdauer für zahlreiche Unternehmen existenzielle Ausmaße anzunehmen.“ Trotz guter Auftragslage könnten viele Baustellen stillstehen, sagte Kainz, und das hätte negative Auswirkungen auf weite Teile der Wirtschaft.
Darum sollten neue Bauaufträge ab sofort nur noch zu veränderlichen Preisen ausgeschrieben werden, appellierte Kainz an die ausschreibenden Auftraggeber. Das Risiko der extrem volatilen Preise könnten die Betriebe in Gewerbe und Handwerk nicht alleine schlucken. Selbst die Schiedskommission im Wirtschaftsministerium habe am 31. März „für Verträge mit öffentlichen Auftraggebern die Empfehlung ausgesprochen, dass bei allen künftigen Ausschreibungen aufgrund der Preisanstiege bei bestimmten Materialien eine Preisgleitung vorgesehen werden soll“.
Keine Festpreisausschreibungen
Weiter sollten private und halböffentliche Auftraggeber wie z.B. Wohnbaugenossenschaften diesem Beispiel folgen und ab sofort keine Festpreis-Ausschreibungen durchführen, forderte der Spartengeschäftsführer. „Dazu müssten auch die bei Wohnbaugenossenschaften gedeckelten Wohnbaukosten angehoben werden, damit Unternehmen in die Lage versetzt werden, kostendeckende Angebote legen zu können.“ Bei bestehenden Verträgen mit Festpreisen sollten die Auftraggeber eine Indexanpassung anerkennen. Bei Lieferengpässen sollten auch Fertigstellungstermine angepasst werden.
Außerdem bräuchten Gewerbe und Handwerk auch Maßnahmen gegen den Energiepreisschock, sagte Kainz und forderte eine Aus- oder Herabsetzung von Steuern und Abgaben für Energie. „Eine Treibstoff-Rückvergütung für Gewerbe und Handwerk in Form einer Steuergutschrift wäre ein praktikabler und erprobter Weg, um so eine dringend notwendige Entlastungsmaßnahme ohne übergroßen bürokratischen Aufwand umzusetzen.“ Alternativ wäre auch die Einführung eines Gewerbediesels möglich, bei dem die Mineralölsteuer so wie beim Agrardiesel rückvergütet wird. (APA/red)