Anwesenheit von Montag bis Freitag, fixe Arbeitszeiten und ein fester Arbeitsplatz – seit der Corona-Pandemie gehören diese Grundpfeiler des Arbeitslebens vielerorts der Vergangenheit hat. Flexibles Arbeiten ist in österreichischen Unternehmen inzwischen etabliert, wie eine Studie des Netzwerks LinkedIn zeigt. Demnach verfügen drei Viertel der Unternehmen (74%) über entsprechende formelle Regelungen. Zudem berichten drei von fünf befragten Personalverantwortlichen (60%), dass diese Regeln aufgrund der Pandemie nochmal überarbeitet wurden.
Dennoch gibt es offenbar noch Luft nach oben. So zeigen sich nur 60 Prozent der Personalverantwortlichen zuversichtlich, dass die Mitarbeiter:innen in ihrem Unternehmen mit den bestehenden Vorgaben zufrieden sind. Arbeitgebende sollten hier schnellstmöglich nachbessern, andernfalls könnten sie motivierte und engagierte Mitarbeiter:innen verlieren: 49 Prozent der österreichischen Arbeitnehmenden erwägen aufgrund fehlender Flexibilität durchaus eine Kündigung – ein Viertel (26%) ist diesen Schritt sogar bereits gegangen.
Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels können sich viele Unternehmen solche Personalverluste nicht leisten. Barbara Wittmann, Country Managerin für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei LinkedIn: „Unternehmen müssen den Wunsch nach mehr Flexibilität ernst nehmen, wenn sie sich im Wettbewerb behaupten wollen.” Zumal die Studie auch zeigt, dass Flexibilität positive Effekte für beide Seiten bereithält: Gut ein Viertel der Arbeitgeber:innen (26%) und ein Drittel der Arbeitnehmer:innen (34%) berichten beispielsweise von einer höheren Produktivität. Und 27 Prozent der Arbeitgeber bzw. 29 Prozent der Arbeitnehmer:innen beobachten eine Verbesserung der mentalen Gesundheit. Vor allem erwarten letztere aber eine bessere Work-Life-Balance (37%) durch mehr Flexibilität.
Frauen wollen mehr Flexibilität
Dass das Thema Flexibilität noch nicht zu Ende gedacht ist, zeigt die Studie im Hinblick auf Geschlechterrollen und Gleichberechtigung: Grundsätzlich empfinden die befragten Frauen flexible Arbeitsmodelle als hilfreicher als die männlichen Teilnehmer der Studie. Dazu gehören beispielsweise Möglichkeiten für Gleit- (Frauen 77% vs. Männer 71%) und Teilzeit (64% vs. 47%) genauso wie eine Vier-Tage-Woche (73% vs. 67%) oder eine reduzierte Anzahl an Arbeitsstunden (66% vs. 53%).
Allerdings erwarten mehr als die Hälfte der Personalverantwortlichen (56%), die an der LinkedIn Studie teilnahmen, dass durch flexible Arbeitsmodelle vor allem Frauen häufiger von zuhause aus arbeiten werden, während Männer vermehrt ins Büro gehen. Die Folgen für Frauen könnten in den Augen der Personalverantwortlichen schwerwiegend sein: Eingeschränkte Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten (28%), Schwierigkeiten, das Vertrauen und den Respekt ihrer Kollegen:innen zu gewinnen (26%) sowie negative Auswirkungen auf ihre Motivation und Zufriedenheit (26%). Ebenfalls 26 Prozent fürchten zudem, dass diese Frauen infolgedessen ganz aus dem Berufsleben ausscheiden könnten.
„Es droht eine Re-Traditionalisierung, zusätzlich befördert durch die Pandemie. Hier ist es höchste Zeit für ein Umdenken: Wir brauchen dringend eine einheitliche, geschlechterübergreifende Wahrnehmung von Flexibilität. Nur, wenn auch Männer flexible Arbeitsmodelle in allen Facetten nutzen und dadurch die derzeit vorherrschende Doppelbelastung der Frauen reduzieren, entsteht das Fundament für eine Arbeitswelt, die auch für Frauen gut funktioniert“, so Wittmann. „In der Arbeitswelt von morgen müssen wir Flexibilität breiter definieren – wir brauchen flexible Konzepte für den Berufsalltag, aber auch für Auszeiten in Bezug auf die Lebensarbeitszeit, wie zum Beispiel Sabbaticals, eine Umschulung bzw. Weiterbildung oder ganz klassisch die Elternzeit.”
Karrierebruch wird zum Karriere-Boost
Zwar berichtet ein Drittel der Personalverantwortlichen (34%), dass Unterbrechungen im beruflichen Werdegang zunehmen, dennoch sind Auszeiten oft noch immer mit einem Stigma behaftet. Daher verwundert es nicht, dass knapp die Hälfte der Arbeitnehmer:innen (47%) befürchtet, mit einer Lücke im Lebenslauf schlechtere Chancen bei Bewerbungen zu haben. Langsam findet in den Unternehmen in dieser Hinsicht jedoch ein Umdenken statt: 35 Prozent der Personalverantwortlichen würden jemanden einstellen, der seine berufliche Laufbahn unterbrochen hat. Und nur 2 Prozent sind der Meinung, dass Arbeitnehmehmende sich in solchen Auszeiten keine wertvollen neuen Fähigkeiten aneignen. Allerdings meinen 40 Prozent der befragten Personalverantwortlichen auch, dass viele diese erlernten Fähigkeiten unterschätzen oder herunterspielen.
Dabei wissen die Arbeitnehmer:innen durchaus, dass sie während ihrer Karrierepause neue Hard und Soft Skills erlangt haben. Diese reichen von Geduld (32%) über Problemlösungskompetenzen (27%), Kommunikationsfähigkeiten (26%) und kreatives Denken (26%) bis hin zu mehr Durchsetzungsvermögen (25%). Die Mehrheit (72%) ist überzeugt, dass diese neuen Fähigkeiten sich auch für Arbeitgebende auszahlen werden. Und auch darüber hinaus haben Auszeiten positive Auswirkungen: Jeweils zwei Drittel der Arbeitnehmer:innen (67%) betonen, dass sie dadurch ihr Wohlbefinden steigern sowie ihren weiteren Lebensweg und ihre persönlichen Ziele besser planen konnten.
Unternehmen sollten daher aufhören, berufliche Auszeiten negativ zu bewerten, so Wittmann: „Die Stigmatisierung von nicht linear verlaufenden Lebensläufen ist nicht mehr zeitgemäß. Offenheit auf allen Seiten für flexibles Arbeiten und berufliche Pausen stellt einen wichtigen Schritt hin zu mehr Chancengleichheit dar. Es ist an der Zeit, die Karrierepause salonfähig zu machen.” Deshalb sei es wichtig, die unterschiedlichen Stationen in der beruflichen Entwicklung transparent darzustellen und wertzuschätzen.