Großverbraucher werden dazu aufgerufen, soweit wie möglich auf alternative Energieträger – vor allem Erdöl – umzurüsten. Dahingehend ruft die WKÖ nach Rechtssicherheit. Außerdem appelliert die Regierung an die Bevölkerung beim Einsparen von Strom und Gas mitzuhelfen.
Eine entsprechende Verordnung zur Energielenkung werde in Begutachtung geschickt, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Gleichzeitig betonte die Ministerin, dass die Situation mit Blick auf die Gasversorgung weiter unsicher sei. Die Frühwarnstufe – Teil des dreistufigen Gas-Notfallplans – bleibe zwar vorerst aufrecht, mit der angekündigten Wartung der Pipeline Nord Stream 1 ab 11. Juli stehe jedoch das nächste kritische Ereignis unmittelbar bevor.
80 Prozent Befüllung als Ziel bis zum Winter
Die Regierung will bis zum Beginn der Heizsaison die Speicher auf 80 Prozent füllen. „Ist unser Einspeicherziel gefährdet und zwar akut, dann wird es auch die Alarmstufe geben müssen“, sagte Gewessler „Wenn wir auf den Speicherraten, die wir jetzt haben, weitermachen, ist das Einspeicherziel erreichbar, selbst wenn wir zehn Tage Nord-Stream-1-Wartung berücksichtigen, was wir natürlich tun. Ein weiterer kritischer Zeitpunkt sei der 21. Juli, „wo sich nicht nur Österreich, sondern viele Länder die Frage stellen: Geht die Pipeline wieder in Betrieb?“, sagte die Ministerin.
Wem das Gas in Österreichs Speichern gehört, sagte Gewessler nicht im Detail. „Was wir hier sagen können ist, dass für die geschützten Kunden jedenfalls die Menge auch vorrätig ist“. Und: „Im Fall eines Notfalles gibt die Energielenkung weitreichende Möglichkeiten. Österreich kann über die Energielenkung Ausspeicherung verhindern, kann auf den gesamten Speicherinhalt zugreifen und vieles Weitere. Ist das der Weg, den ich gescheit finde? Nein. Warum? Slowenien hat gar keine Speicher, das heißt slowenische Unternehmen speichern auch bei uns ein und genauso wie Slowenien angewiesen ist auf die Speicherung in Österreich, ist Österreich angewiesen auf die Durchleitung von Gas, durch Deutschland, durch Italien, wenn wir LNG-Lieferungen beziehen oder anderes Gas vom Markt“, so das grüne Regierungsmitglied.
E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch sagte, dass wegen des kaum befüllten Speichers in Haidach bei Salzburg nach Inkrafttreten des Use-it-or-Lose-it-Prinzips ein Verfahren eingeleitet worden sei und „sehr zeitnah“ mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Gewessler bekräftigte, dass Haidach noch dieses Jahr an das österreichische Gasnetz angeschlossen werden soll. Der Großteil des Speichers in Haidach gehört der Gazprom-Tochter GSA. Insgesamt lagert in Haidach nur wenig Gas. Urbantschitsch sprach von Terawattstunden im niedrigen, einstelligen Bereich.
Großverbraucher müssen umrüsten
Die nun in Begutachtung gehende Energielenkungsverordnung, die für Großverbraucher ein Umrüsten von Gas auf andere Energieträger, vorzugsweise Öl, vorsieht, könne da „nur einer von mehreren Schritten“ gewesen sein, hieß es von der Industriesparte in der Wirtschaftskammer (WKÖ). Dabei gehe es auch um „gesetzliche Signale“. Aktuell seien vergleichsweise wenig Unternehmen in der Lage, einen Teil ihres Erdgaseinsatzes rasch durch Alternativen wie Biomasse, Heizöl oder Ersatzbrennstoffe zu substituieren.
„Für diese technischen Umrüstungen in den zahlreichen Unternehmen, die nicht als Großverbraucher gelten, sind rasche, gesetzliche Signale im Anlagenrecht und in der Energielenkung notwendig“, forderte Spartenobmann Siegfried Menz. Durch Änderungen im Schnellverfahren oder Emissionsabweichungen könnten die Substitutionsbemühungen stark beschleunigt und das bestehende Potenzial besser genutzt werden. Davon würden laut Menz auch kleinere „Schlüsselproduktionen“ profitieren, die für die Aufrechterhaltung von Lieferketten essenziell seien. Betriebe hätten damit die Investitionssicherheit, dass ein Umbau ihrer Anlagen auf den Betrieb mit Alternativbrennstoffen auch tatsächlich zulässig sei. „Dies würde wiederum zu einer deutlichen Entlastung beim Erdgasverbrauch insgesamt führen und die Speicher-Befüllung beschleunigen“, so Menz.
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sagte nach den Beratungen, „das Ergebnis des Bundes-Gas-Gipfels kann nur ein erster Schritt sein.“ Es brauche weitere Anstrengungen, insbesondere bei der Suche nach alternativen Gasanbietern. „Mit losen Empfehlungen und Vorschlägen allein werden wir nicht durch eine Gas-Krise kommen“, so Stelzer. Oberösterreich und dessen Industrie sind besonders von Erdgas abhängig. Tausende Arbeitsplätze sind bedroht, sollte Russland den Gashahn zudrehen. Die Wirtschaftskammer drängte wegen des Umstiegs auf Öl auf eine Anpassung der CO2-Emissionsgrenzwerte und den Bau neuer Pipelines nach Italien und Slowenien.
Am Abend, um 18.00 Uhr, wird auch der Nationale Sicherheitsrat zum Thema Gasversorgung zusammentreffen. Die FPÖ hatte dessen Einberufung beantragt. FPÖ-Chef Herbert Kickl will das Problem mit einer Rücknahme der Wirtschaftssanktionen gegen Russland lösen. Die SPÖ wiederum schlägt vor, sich an LNG-Terminals zu beteiligen. Die NEOS werfen der Regierung vor, es nicht geschafft zu haben, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.
In den vergangenen Tagen war in puncto Gas die Nervosität wieder gestiegen – und damit auch der Gaspreis am Spotmarkt. Am Central European Gas Hub (CEGH) kostete eine Megawattstunde Gas am Dienstag rund 180 Euro. Vergangenen Dienstag und am Freitag sind jeweils weniger als 100 Gigawattstunden in Österreichs Speicher geflossen. Neben den reduzierten Liefermengen aus Russland war dafür laut Klimaministerium Italien verantwortlich. Das Land leidet derzeit unter einer extremen Dürre und muss Gas zur Stromerzeugung importieren, weil die Wasserkraftwerke nur noch wenig Strom liefern. Am Wochenende haben sich die Speicherraten aber wieder erhöht. (APA/red)