Drei Viertel der Wiener Spitalsärzte sind „dauerbelastet“

13. Dezember 2022 Drucken
Drei Viertel der Wiener Spitalsärzte sind „dauerbelastet“
© AdobeStock/SHOTPRIME STUDIO

75 Prozent der Spitalsärztinnen und -ärzte in Wien klagen über hohe oder sehr hohe Arbeitsbelastung. Drei Viertel sind „dauerbelastet“, sagte der Wiener Ärztekammer-Vizepräsident Stefan Ferenci am Dienstag zu der aktuellen Umfrage.

Größter Faktor ist der Personalmangel in der Pflege, gefolgt von bürokratischen Tätigkeiten. Die Ärztekammer forderte von der Wiener Politik bessere Rahmenbedingungen. Wenn ein Mediziner übermüdet ist, steige die Fehleranfälligkeit, warnte Ferenci. Die Ergebnisse seien „auch aus Sicht des Sozialforschers alles andere als erfreulich“, betonte Peter Hajek vom Institut Public Opinion Strategies, bei dem die Umfrage in Auftrag gegeben wurde. Unter den 41 Prozent der Wiener Spitalsärzte, die ihre Arbeitsbelastung als sehr hoch einstufen, waren besonders 40- bis 49-Jährige und Vollzeitbeschäftigte, berichtete er.

54 Prozent geben den Personalmangel bei den Pflegekräften als sehr belastenden Aspekt im Arbeitsalltag an, 44 Prozent organisatorische bzw. bürokratische Tätigkeiten. Erst an dritter Stelle knapp dahinter wurde der Personalmangel bei Medizinern genannt. Diese drei Punkte zusammengezählt ergeben „natürlich nur begrenzte Zeit für die Patientinnen und Patienten“, erläuterte Hajek, was wiederum der am viertmeisten genannte Faktor für die Arbeitsbelastung in der Umfrage war, gefolgt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Spitalsärzte auch vermehrt unzufrieden

Die hohe Belastung führe zu einer hohen Unzufriedenheit im Beruf sowie zu gesundheitlichen Problemen wie Burnout, und die Mediziner würden sich nach anderen Arbeitsstellen umschauen, sagte Ferenci. Der Obmann der Kurie angestellte Ärzte kritisierte vor allem die vielen bürokratischen Tätigkeiten, die seine Kollegen übernehmen müssten. Dafür hätten sie nicht Medizin studiert.

„Es ist frustrierend und Ressourcenvergeudung, wenn ein Arzt, statt Patienten zu behandeln, ein freies Bett suchen muss.“ Dies ist auch nicht die Aufgabe einer Pflegekraft, die ebenfalls hoch qualifiziert für andere Tätigkeiten sei, betonte der Ärztekammer-Vertreter. Während der Auslastung mit bürokratischen Tätigkeiten werde die „Schlange der Patienten größer und größer“, kritisierte Ferenci. Es gehe dabei um „Wartezeiten nicht von zwei Stunden, nicht von drei Stunden, sondern von bis zu sieben Stunden“, berichtete er.

„Die Alarmglocken in den Spitälern läuten schriller als die Pummerin zu Silvester“, meinte Ferenci. Die Spitalsärzte seien nicht am Limit, sondern teils „schon darüber“ und das obwohl die Umfrage von Ende September bis Anfang Oktober durchgeführt wurde, also „nach dem Sommer, wo das Personal normalerweise am erholtesten ist“, erläuterte er. Hinzu kommen laut Hajek besorgniserregende Umfrageergebnisse zu Überstunden der Spitalsärzte, von denen rund 50 Prozent, auch ihre gesetzlichen Ruhezeiten „nicht recht einhalten“ könnten.

Die Ärztekammer fordert, „dass die Politik alles unternimmt, die Situation zu verbessern“. Es brauche eine „tiefgreifende Strukturreform“ und Sofortmaßnahmen. Ferenci riet etwa zu einem Pool an Freiberuflern, die einspringen, wenn es erhöhten Personalbedarf durch eine Viruswelle oder Krankenstände gibt. Aus einem ersten Teil der Ergebnisse der Umfrage hatte die Ärztekammer bereits im November berichtet, dass 84 Prozent der Spitalsärztinnen und -ärzte in Wien anhaltende und nachhaltige Qualitätsverluste in der Patientenversorgung orten. (APA/red)