Umweltauflagen bedrohen bäuerliche Leistungsfähigkeit

03. Januar 2023 Drucken
Umweltauflagen bedrohen bäuerliche Leistungsfähigkeit
@ APA/dpa

Landwirten wird die Einhaltung zahlreicher Umweltauflagen aufgelegt. Dies müsse aber gegen andere Prinzipien abgewogen werden, insbesondere den Erhalt der Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe.

Das fordern Gottfried Holzer und Roland Norer von der österreichischen Gesellschaft für Agrar- und Umweltrecht (ÖGAUR). Keines der Prinzipien dürfe unter den Tisch fallen, das drohe aber derzeit für den Erhalt der Leistungsfähigkeit der Betriebe. „Wenn ich so viele Einschränkungen habe, dass ich nicht mehr leistungsfähig wirtschaften kann, dann gebe ich auf“, sagen Norer und Holzer. Vier Prinzipien der Umweltauflagen müssten gleichwertig unter einen Hut gebracht werden.

Zunächst müssten Betriebe leistungsfähig bleiben. Wenn also Umweltauflagen verhängt werden, müsse dabei auf wirtschaftliche Folgen Rücksicht genommen werden. Die Brache, also die zeitweise Stilllegung eines Teils der Fläche, stehe etwa im Spannungsfeld zur Versorgungssicherheit. Das habe sogar die EU-Kommission erkannt und das geplante Brache-Ziel sistiert. Auch die Einschränkung von Düngemitteln und Pestiziden bedeute weniger Ertrag, so die beiden Juristen im Gespräch mit der APA: Es müsse zu einem Kompromiss kommen, dass man etwa die Umweltauflagen einschränkt, damit der betroffenen Betrieb lebensfähig bleibt.

Auch wenn Norer und Holzer auf die Eigentumsrechte der Landwirte pochen, sehen sie als zweites Grundprinzip die Notwendigkeit zu Eingriffen in den Agrarmarkt. „Den freien Markt gibt es nirgends“, sagen sie. Diesen Punkt hervorzustreichen sei auch nicht überholt, denn derzeit würden Betriebe im Zuge der Liberalisierungsbestrebungen eher sich selber überlassen, was gerade für eine kleinstrukturierte Landwirtschaft wie in Österreich ein Problem sei.

Umweltauflagen und EU-Richtlinie

Norer und Holzer sehen als drittes Prinzip eine gewisse Sonderstellung für agrarisches Eigentum, weil es „weder mobil noch vermehrbar“ ist, im Gegensatz etwa zu einem Industriebetrieb. Außerdem gebe es gesamtgesellschaftliche Ansprüche, die nicht unmittelbar mit der Produktion zu tun haben, etwa Flächen als Erholungsraum, Wege als Durchgangsmöglichkeit. So habe der Gesetzgeber den Wald schon 1975 zu Erholungszwecken verpflichtend geöffnet. Dazu kommen etwa Beiträge zum Gewässerschutz oder drohende Auflagen, Totholz im Wald zu lassen und nicht zu nutzen. Mit allen diesen Vorgaben werde aber – meist ohne Entschädigung – in die Produktionsgrundlage der Landwirte eingegriffen. Und es kommt wohl noch mehr: Wenn einmal die EU-Biodiversitätsrichtlinie umgesetzt werden sollte, dann müssen 10 Prozent der Nutzfläche mit Landschaftsgestaltungsmaßnahmen wie Hecken ausgestaltet werden, gibt Holzer zu bedenken. „Wenn zehn Prozent der Betriebsfläche außer Nutzung gestellt werden müssen, dann ist das nicht primär ein agrarwirtschaftliches, sondern ein gesellschaftliches Interesse“, so Holzer.

Selbstverständlich gebe es als vierte Dimension der Landwirtschaft auch das Interesse der bäuerlichen Betriebe nach Nachhaltigkeit – also die Bewirtschaftung der Flächen in einer Form, dass sie auch nachfolgenden Generationen zur Verfügung stehen. Allerdings, sagt Holzer: „Wir sehen eine Entwicklung, die ökologische Ansprüche an die Landwirtschaft stellt, die eigentlich nichts mehr mit genuin landwirtschaftlichen Zielen zu tun hat.“

Die Österreichische Gesellschaft für Agrar- und Umweltrecht sieht sich als „Think Tank“ für rechtliche Fragen im agrarischen Bereich, sagten Norer, Universitätsprofessor in Luzern und Präsident des ÖGAUR, und Holzer, Professor an der Universität für Bodenkultur und Vorstandsmitglied des ÖGAUR, im Gespräch mit der APA. Sie hat rund 150 Mitglieder und vereint damit die Fachleute der Branche. Es geht Holzer und Norer weniger um die Forderung nach neuen Gesetzen als um die ausgewogene Auslegung der bestehenden Regeln. Prinzipien seien nicht in jedem Einzelfall alle einhaltbar, aber man müsse bei konkreten Problemlösungen – neuen Gesetzen oder Urteilen in Einzelfällen – abwägen, welches Prinzip Vorrang haben könnte.

NGO zeigt sich entsetzt

Die Umweltschutz-NGO Global 2000 reagierte „mit Staunen und Entsetzen“ auf die Aussagen der ÖGAUR. „Es ist inakzeptabel, dass die ÖGAUR die Versuche der EU-Kommission, die negativen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft auf die Umwelt und die Artenvielfalt einzudämmen, als ‚Eingriff in Eigentumsrechte‘ zurückweist und beklagt, dass neue gesetzliche Auflagen ‚drohen‘ würden, ohne dass für deren Einhaltung eine Entschädigung vorgesehen sei,“ heißt es in einer Aussendung vom Dienstag.

Im EU-Haushalt seien die Agrarsubventionen der größte Einzelposten. Daher sei der Einsatz dieser Mittel „zurecht eine Frage des öffentlichen Interesses: Dass unser Steuergeld in eine Landwirtschaft fließt, die die notwendigen Weichen stellt für die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Ziele des Europäischen Green Deal, geht uns alle an“, so Brigitte Reisenberger, Landwirtschaftssprecherin von GLOBAL 2000. Landwirtschaft und Umweltschutz müssten Hand in Hand gehen, appelliert die NGO an den Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). (APA/red)