Geeinigt haben sich ÖVP und Grüne bereits zur Zukunft der „Wiener Zeitung“, auf eine neue Journalismusförderung und mehr Transparenz bei der Inseratenvergabe in den Medien. Zahlreiche kritische Stellungnahmen lassen gespannt auf die tatsächliche Umsetzung warten.
Der ORF wird 2024 anders finanziert als derzeit. Wie sehr sich das künftige Finanzierungsmodell vom gegenwärtigen unterscheiden wird, liegt in den Händen der Bundesregierung. Denn ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) beauftragt diese, bis Ende des Jahres die sogenannte Streaminglücke zu schließen. Im Raum steht, die derzeitige GIS-Gebühr auf weitere Geräte wie Laptops zu erweitern oder eine Haushaltsabgabe einzuführen. Auch eine Finanzierung aus dem Bundesbudget ist denkbar. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat bisher nicht durchblicken lassen, welche Präferenz sie hat. ORF-Chef Roland Weißmann drängte wiederholt darauf, dass die Entscheidung bis Ende März fallen möge. Richtungsweisend wird für den ORF, wie hoch die künftige Finanzierung ausfällt, warnte Weißmann doch bereits vor Millionenverlusten ab 2024. Raab will, dass der ORF Sparpotenzial auslotet.
Der VfGH dürfte eine Entscheidung zur vom Land Burgenland eingebrachten Verfassungsbeschwerde gegen das ORF-Gesetz treffen. In der Beschwerde wird die Besetzung des ORF-Stiftungsrats bemängelt. Diese stehe in Widerspruch zur Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Auch die in Aussicht gestellte ORF-Digitalnovelle beschäftigt 2023 die Branche. Der ORF will Inhalte etwa online-first und online-only fabrizieren dürfen und diese auch länger als sieben Tage abrufbar halten. Mitbewerber fürchten, ob der schieren Dominanz des ORF unter die Räder zu kommen, wenn dieser noch mehr Möglichkeiten erhält. ORF-Chef Weißmann hat angekündigt, die Textmeldungsanzahl auf der „blauen Seite“ ORF.at zu halbieren, was als Entgegenkommen an die Verleger gedeutet werden kann.
Medien: Inseratenvergabe wird transparenter
In der zweiten Jahreshälfte bekommt die Öffentlichkeit einen detaillierteren Einblick in die zuletzt im Rahmen mehrerer Affären heißdiskutierte Inseratenvergabepraxis öffentlicher Stellen. Denn mit 1. Juli sollen Änderungen am Medienkooperations- und -transparenzgesetz in Kraft treten. Künftig sollen öffentliche Rechtsträger ihre Inseratenschaltungen lückenlos darlegen und die Medienbehörde RTR diese transparent und nachvollziehbar aufbereiten. Eine Obergrenze für Inseratenschaltungen hat der Gesetzgeber aber auch künftig nicht im Sinn, was für Kritik sorgte.
Ebenfalls Anfang Juli soll eine mit 20 Millionen Euro dotierte neue Qualitätsjournalismusförderung für Print- und Online-Medien gesetzlich fixiert werden. Gefördert werden damit journalistische Arbeitsplätze, Inhalte wie EU- oder lokale Berichterstattung und die Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten – aber kein Wissenschaftsjournalismus, was für Unmut sorgt. Onlinemedien können zu wenig publizierte Zeichen redaktionellen Inhalts oder eine zu kleine Leserschaft zum Stolperstein werden. Dass die Untergrenzen hoch angesetzt seien, erschwere den Markteintritt, so Kritiker.
„Wiener Zeitung“ künftig primär Online
Die „Wiener Zeitung“ erscheint aller Voraussicht nach im Laufe des Jahres nicht länger als gedruckte Tageszeitung. Damit würde die überschaubare Tageszeitungsvielfalt von 14 Titeln auf 13 schrumpfen. Vorgesehen ist von der Regierung, dass die älteste noch existente Tageszeitung der Welt künftig primär online erscheint und nur nach Maßgabe der finanziellen Mittel auch in Printform – wohl am ehesten als Monatstitel. Zudem soll die journalistische Aus- und Weiterbildung im Rahmen eines „Media Hub Austria“ ausgebaut und eine Contentagentur bei der Wiener Zeitung GmbH eingerichtet werden. Die Pflichtveröffentlichungen im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ werden künftig digital und kostenfrei erfolgen. Die Pläne stießen in zahlreichen Stellungnahmen auf teils scharfe Kritik – bei weitem nicht nur von der „Wiener Zeitung“-Redaktion selbst, die wohl bei Umsetzung des Gesetzesentwurfs schrumpfen würde. Der Media Hub Austria wird ebenso kritisiert, drohe damit doch eine „Verstaatlichung“ der Journalismusausbildung.
Sowohl der frühere „Presse“-Chefredakteur, -Herausgeber und -Geschäftsführer Rainer Nowak als auch der ehemalige ORF-TV-News-Chefredakteur Matthias Schrom stolperten über publik gewordene Chatnachrichten mit Vertretern der Politik. Wer auf sie folgt, ist offen. Auch die multimedialen Ressortleitungen für Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft und Chronik im neuen ORF-Newsroom müssen besetzt werden. Nicht zuletzt bringt 2023 einen neuen ORF-Sportchef. Denn Hans Peter Trost verabschiedet sich nach vielen Jahren aus dieser Funktion. Mit schweren Vorwürfen aus seiner Zeit als Chefredakteur sieht sich der niederösterreichische ORF-Landesdirektor Robert Ziegler konfrontiert. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat eine Evaluierungskommission eingesetzt.
Christian Rainer tritt überdies nach einem knappen Vierteljahrhundert als Chefredakteur und Herausgeber des „profil“ ab. Mit Anna Thalhammer, bisher Chefreporterin bei der „Presse“, wird mit 1. März erstmals eine Frau Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins. Wer Rainer als Medien-Herausgeber folgt, ist noch offen. Bereits Anfang des Jahres übernimmt Richard Grasl die Geschäftsführung des Magazins. Bei der „Wiener Zeitung“ gibt Walter Hämmerle seine Funktion als Chefredakteur mit Jahresanfang ab. (APA/red)