EU will NGT als Werkzeug für „Green Deal“ nutzen

13. November 2023 Drucken
EU will NGT als Werkzeug für „Green Deal“ nutzen

Green Deal und Gentechnik“: Was wie ein Widerspruch scheinen könnte, ist für die EU-Kommission keiner.

Während der grüne EU-Deal Europa bis 2050 in den ersten klimaneutralen Kontinent verwandeln soll, sollen die neuen genomischen Verfahren (NGT) klimafitte Pflanzen bringen, die weniger Pestizide benötigen. Die EU-Gesetze für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und ein EuGH-Urteil, das NGT zu diesen zählt, werden von Kritikern als Hürden für diese Pläne genannt. Der vor mehr als einem Jahr von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte Legislativvorschlag für NGT-Pflanzen sieht vor, dass die bestehenden EU-Rechtsvorschriften zu GVO angepasst werden sollen. Es ist vorgesehen, dass die Neuregelung noch vor den Europawahlen 2023 auf den Weg gebracht werden.

Anfang Juli war der erste Schritt getan und die EU-Kommission präsentierte ihre Pläne für durch gezielte Mutagenese, Cisgenese sowie Intragenese generierte Pflanzen, die zusammen zur Kategorie NGT-1 zählen. NGT-Verfahren mit nicht kreuzbaren Arten, Transgenese genannt, sollten hingegen unter die bestehenden GVO-Verordnungen fallen (NGT-2). Zudem wolle die EU eine Pflanzen-Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeitsziele fördern, Transparenz durch Saatgut-Kennzeichnung und Sicherheit durch die Überwachung der Auswirkungen von NGT-Produkten gewährleisten.

In ihrem Mitte Oktober publizierten Bericht erwähnt die schwedische EU-Abgeordnete Jessica Polfjärd (EVP) in Ihrer Funktion als Berichterstatterin für den Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) das besagte EuGH-Urteil aus dem Jahr 2018 zur Richtlinie 2001/18 als Hemmnis, die NGT in der EU zu nutzen. „Eine neue, angepasste Gesetzgebung ist unerlässlich“, so Polfjärd, die unter anderem zwar für verbesserte Regeln bei Kategorie 1 (NGT-1) eintritt, aber den Kommissionsvorschlags grundsätzlich befürwortet. Noch bewegt sich die alles im Zeitrahmen, die ENVI-Abstimmung soll am 11. Jänner 2024 erfolgen, die Abstimmung im Plenum ebenfalls in diesem Monat.

Doch es gibt Widerstand, etwa durch ein September publiziertes Rechtsgutachten, das im Auftrag der deutschen Grünen erstellte wurde. Hier wird der Plan, diese Pflanzen normalen Züchtungen gleichzusetzen und somit aus dem EU-Gentechnikrecht zu nehmen als Rechtsverletzung gesehen. Ebenso würden diese Pläne dem im Lissabonvertrag festgeschriebenen Vorsorgeprinzip widersprechen, wie auch der EU-Verpflichtung zum „Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit“ zu Risikoprüfungen von genetisch veränderten Organismen (GVO) vor deren Anwendung.

Ein weiterer Kritikpunkt, der auch von österreichischen Politikern geteilt wird, liegt wiederum darin, dass der Kommissionsvorschlag keine „Opt-Out“-Regelung enthalte, erklärte zuletzt Experte des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gegenüber dem Bundesrat. Dies bedeutet, dass einzelne Mitgliedsstaaten auf Basis eines nationalstaatlichen Beschlusses kein wirksames Anbauverbot für alle mit Gentechnik gewonnenen Pflanzen mehr erlassen können.

Im Oktober reagierte die spanische Ratspräsidentschaft mit einem Kompromissvorschlag, der unter anderem ein NGT-Verbot für Biolandwirtschaft enthält, die Kennzeichnungspflicht für Saatgut NGT-1 solle bleiben – ein Punkt, den die Schwedin Polfjärd aus dem Text gestrichen haben wollte.

Ob die durch NGT-Verfahren hervorgegangenen Pflanzen tatsächlich auch bei konventionellen Züchtungen entstehen könnten, was beispielsweise der Pflanzenbiotechnologe Robert Hoffie bejaht, bleibt ein gewichtiges Argument für die Gegner der EU-Vorhaben. So argumentiert etwa das deutsche Bundesamt für Naturschutz in einem Hintergrundpapier, das im Juni veröffentlicht wurde: „Selbst ein präziser Eingriff mit NGT kann, ohne dass zusätzliche Gene eingefügt werden, die Eigenschaften von Organismen stark verändern“. Durch NGT sei das gesamte Erbgut für gentechnische Veränderungen einsetzbar, „dadurch können die neuen gentechnischen Verfahren eine wesentlich höhere Wirkmächtigkeit haben als herkömmliche Züchtungstechniken.“ Eine trockenresistente NGT-Feldfrucht berge etwa das potenzielle Risiko zu einer invasiven Art zu werden, die sich auf neuen Habitaten breit machen könnte. Auf APA-Science ist ebenfalls ein Themenschwerpunkt zu „Neuer Gentechnik“ erschienen. (APA/red)